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Laverty zögerte nicht und drückte ab. Die Kugel pfiff an Harte vorbei und fuhr splitternd in die morsche Holzwand eines alten Schuppens.

Als der Ire herumfuhr, um erneut auf den Journalisten anzulegen, krachte schon dessen hochgerissener Fuß gegen Lavertys Waffenhand.

Der Tritt mit dem Lackschuh war schmerzhaft. Der Getroffene stöhnte auf. Der Taschenrevolver wurde seiner Hand entrissen und fiel irgendwo in der Dunkelheit zu Boden.

»Verdammter Straßenräuber!« brüllte Harte.

Er sprang auf den kleineren Mann los und versetzte ihm einen Fausthieb unters Kinn.

Laverty mochte klein sein, aber er war zäh. Er ging trotz des wuchtigen Schlages nicht zu Boden. Nach kurzem Taumeln startete er einen Gegenangriff und hielt wieder eine Waffe in der Hand: ein Messer mit leicht gebogener Klinge.

Harte wich durch einen Sprung zur Seite aus, aber nicht mehr ganz rechtzeitig. Die rostige Klinge zerfetzte den linken Ärmel der Jacke. Ein Zoll weiter, und es wäre die Haut des Journalisten gewesen.

»Der schöne Anzug!« schrie Harte wütend. »Das wirst du mir büßen!«

Er stieß sich ab, flog wie ein springendes Raubtier durch die Luft und riß Laverty mit sich zu Boden.

Der Ire lag rücklings auf der Straße. Harte hockte auf ihm und drückte seine Knie auf Lavertys Arme, die er dadurch lähmte. Der Journalist entriß dem anderen das Messer und schleuderte es fort. Dann landete Hartes Faust in dem flachen Gesicht.

»Das ist für die heimtückische Falle!« rief der Journalist.

Ein neuer Hieb.

»Und das ist für den Schuß auf mich!«

Ein dritter Schlag.

»Das ist für den lädierten Anzug!«

Als Harte zum vierten Fausthieb ausholte, explodierte plötzlich sein Kopf. Jedenfalls fühlte es sich für ihn so an. Lavertys Bild verschwand, und alles drehte sich um den Journalisten.

»Das ist für dich, Stutzer!« hörte Harte eine tiefe Stimme.

Endlich konnte der Journalist wieder klar sehen und fand sich im Schmutz der Straße wieder. Er lag an einem Bretterzaun.

Drei Männer umstanden ihn, mindestens zwei davon sahen ebenfalls wie Iren aus. Die drei waren um einiges größer als Laverty, rauhe Kerle. Sie richteten Schußwaffen auf Harte.

»Wie hat dir der Lauf meines Colts geschmeckt, Lackaffe?« fragte die Stimme, die Harte eben schon gehört hatte.

Ihr Besitzer war ein knochiger Mann, den zahlreiche Tätowierungen und eine entsprechende Mütze als Seemann auswiesen.

»So, daß ich einstweilen gesättigt bin«, keuchte Harte, der immer noch ein schmerzhaftes Pochen in seinem Kopf spürte. »Ihr habt gewonnen, nehmt euch meine Dollars!«

Seine Rechte glitt in eine Innentasche der Jacke, um die Lederbörse hervorzuziehen.

»Hübsch langsam!« warnte ihn der Tätowierte. »Falls du 'ne rasche Bewegung machst oder 'ne Knarre ziehst, puste ich dich ins Jenseits!«

»Ich bin nicht lebensmüde«, knurrte der Journalist.

Langsam zog er die schweinslederne Börse hervor.

»Her damit!« forderte der Tätowierte.

Harte warf sie vor seine Füße, und der Tätowierte bückte sich gierig danach.

»He, das ist nicht für dich allein, Seamus!« ermahnte den Tätowierten einer seiner Begleiter. »Geteilte Freude ist doppelte Freude.«

»Seamus Mulholland hat seine Kameraden noch nie betrogen!« brummte der Mann mit der Seemannsmütze.

»Jetzt habt ihr, was ihr wollt«, sagte Harte. »Also verschwindet!«

»So einfach ist das nicht. Uns fehlt nämlich noch etwas.«

Der Sprecher war Roy Laverty. Im Rücken der drei Bewaffneten war er aufgestanden und hatte seine Waffen eingesammelt. Jetzt trat er auf Harte zu und richtete den Lauf des Taschenrevolvers auf den Kopf des Journalisten.

»Was.« - Harte schluckte - »... fehlt euch noch?«

»Du, Protzer!«

Laverty spuckte mitten in Hartes Gesicht.

Wut und Ekel stiegen in dem Journalisten hoch. Er wollte aufspringen und erneut seine Faust in das verquollene, blutende Gesicht des kleinen Iren schleudern. Aber das kalte Metall der Revolvermündung, das Harte an seiner Stirn spürte, hielt ihn zurück.

»Komm doch!« verlangte Laverty und entblößte Zähne, die trotz der Jugend ihres Besitzers halb verfault waren. Blut floß aus dem Mundwinkel des Iren und tropfte auf Hartes Hose. »Beweg dich nur, und ich jage ein Stück Blei durch deinen Schädel!«

»Halt dich zurück, Roy!« zischte Seamus Mulholland, der neben Laverty trat. »Du weißt doch, der Hai will ihn lebend.«

»Der Hai?« fragte Harte. »Etwa der Hai von Frisco?«

»Wirste schon noch sehen, Lackaffe.«

Mulholland hob die Hand mit den Colt und zog die schwere Waffe quer über den Kopf des Journalisten. Dann wurde es vollends Nacht.

Der Tätowierte steckte Zeige- und Mittelfinger der linken Hand zwischen die Lippen und stieß einen schrillen Pfiff aus.

Keine halbe Minute später fuhr klappernd ein flacher Kastenwagen aus einer alten Scheune. Der Fahrer hielt das von zwei schweren Kleppern gezogene Gefährt neben den Männern an. Sie legten den Bewußtlosen auf die Ladefläche und bedeckten ihn mit einer Plane. Dann hockten sie sich neben ihn.

Mulholland nahm neben dem Fahrer Platz und befahclass="underline" »Fahr schon, Alan. Auf nach Barbary Coast!«

*

»Bret hat nicht auf mich gewartet?« fragte Sam Clemens enttäuscht, als er abgehetzt im Redaktionsgebäude des Call eintraf und dort nur den die Papierkörbe leerenden Negerjungen vorfand.

»Doch, Sir«, erwiderte Jim und hielt in der Arbeit inne.

»Aber du sagtest doch eben, er sei nicht mehr hier!«

»Das stimmt, Sir, Mr. Clemens«, bestätigte der Schwarze und bekräftigte seine Aussage mit einem heftigen Nicken.

»Wo ist Mr. Harte?«

»Draußen, Sir.«

Clemens blickte durch eines der offenen Fenster hinaus in die von künstlichen Lichtern erhellte Nacht.

»Was meinst du mit draußen, Jim?«

»Außerhalb des Hauses, Mr. Clemens.«

»Eine sehr schöne Definition«, meinte der Journalist mit einem säuerlichen Grinsen. »Leider hilft sie mir nicht weiter. Bevor ich eben von draußen hereinkam, habe ich Mr. Harte nirgendwo gesehen.« »Kann schon sein, Sir. Mr. Harte ist nämlich mit dem irischen Mister in die Straße reingegangen.«

»Ein irischer Mister?« Jim nickte wieder heftig.

»Yes, Sir. Er sprach Mr. Harte vor dem Haus an. Ich es habe gesehen. Dann gingen sie in die Straße rein.«

»In welche Straße?«

»Ich glaube, es war die Straße, aus der dann der Schuß kam.«

»Ein Schuß? Das wird ja immer toller!«

»Yes, Sir«, nickte Jim.

»Red schon, Bursche, was für ein Schuß?«

»Ein lauter Schuß. Vielleicht Revolver, vielleicht aber auch kleines Gewehr. Ich stand gerade an dem Fenster dort drüben. Und ich glaube, der Schuß kam aus der Straße nebenan.«

»Die Straße, in die Bret mit dem Iren gegangen ist?«

»Yes, Sir.«

»Und Bret ist nicht wieder herausgekommen?«

»Ich habe ihn nicht gesehen, Sir. Obwohl ich nach dem Schuß in die Straße ging, um nachzusehen. Dann kam der Wagen, der mich fast überfuhr.« Der Schwarze bekreuzigte sich. »Der Wagen war bestimmt ein schlechtes Omen, weil ich von meinem Arbeitsplatz wegging. Deshalb bin ich gleich zurück ins Haus.«

Clemens spürte die Aufregung, die seinen Körper erfaßte. Intuitiv erfaßte er, daß sein Freund in Gefahr schwebte. Er zwang sich - zumindest äußerlich - zur Ruhe und sagte: »Laß dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, Jim. Erzähl mir von dem Wagen. Wie sah er aus?«

»Er fuhr auf Rädern und wurde von zwei Kleppern gezogen.«

»Sehr hilfreich«, seufzte der Journalist. »War er offen? Oder war er mit einer Plane oder einem Aufbau versehen?«