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Belopolskis Berechnungen ergaben, daß sie sich am Äquator befanden. Mittags stand die Sonne fast im Zenit. Die unterschiedliche Dauer von Tag und Nacht ließ sich nur damit erklären, daß die Ceres eine unregelmäßige Form hatte. Daran war nichts Erstaunliches, wenn man bedachte, daß der Planet kein selbständig entstandener Himmelskörper war, sondern ein Bruchstück des untergegangenen Phaeton.

In dieser Welt, die auch nicht eine Spur von Atmosphäre hatte, gab es natürlich weder Morgen noch Abend. Kaum hatte die Sonne den Horizont erreicht, brach die Nacht an.

Die Nacht, aber keine Dunkelheit.

Der Jupiter befand sich jetzt auf derselben Seite der Sonne wie die Ceres. Die Entfernung zu ihm betrug nicht mehr als dreihundert Millionen Kilometer. Der Riesenplanet schien so hell, daß die spitzen Felsen und die Ringe des Raumschiffs deutliche Schatten warfen.

Sobald sich der Jupiter dem Horizont zuneigte, ging die Sonne auf, und dann warfen alle Gegenstände zwei Schatten, einen dunkleren von der Sonne nach der einen und einen helleren vom Jupiter nach der anderen Seite. Das gleiche wiederholte sich abends.

In dieser merkwürdigen Welt, in der die Sterne Tag und Nacht gleich hell leuchteten, gab es also zwei „Sonnen“.

Alle zwölf Trabanten des Jupiter waren mit unbewaffnetem Auge zu erkennen. Hätte sich auch der Saturn auf dieser Seite der Sonne befunden, wäre den Kosmonauten der ergötzliche Anblick seiner Ringe beschieden gewesen.

Sie waren die ersten Menschen, die so weit in die Tiefen des Sonnensystems vorgedrungen waren. Trotz aller Tragik ihrer Situation empfanden sie bei diesem Gedanken einen gewissen Stolz.

Die Staubschicht, die die Ceres bedeckte, war ziemlich dick.

Sie versanken darin bis zu den Knien, und obgleich sie so gut wie nichts wogen, fiel ihnen das Gehen sehr schwer.

Aber wohin sollten sie auch gehen? Rings um das Raumschiff gab es nichts weiter als diesen Staub unbekannten Ursprungs und die Felsen, die, wie sich herausstellte, aus Granit bestanden. Daß sie sich weiter vom Schiri entfernten, erlaubte Belopolski nicht.

War doch jeder Ausflug mit Lebensgefahr verbunden. Sie befanden sich mitten im Asteroidengürtel. Die vergleichsweise große Masse der Ceres zog zahlreiche kleine Bruchstücke an. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden fielen in der Nahe des Raumschiffs nicht weniger als hundert Steine vom Himmel, die kosmischen „Staubteilchen“ nicht mitgerechnet.

Dennoch gingen die Männer im Interesse der Wissenschaft immer wieder hinaus. Zwei Säcke mit Staub und mehrere Dutzend Meteoriten lagen bereits am Boden ihres Wohnraums.

Korzewski kletterte auf einen der nächsten Felsen und schlug ein großes Stück Granit ab.

Außerdem bestand noch die Gefahr, in eine der Spalten zu stürzen, die die Ceres kreuz und quer durchzogen. Beim ersten Ausflug, an dem alle drei teilnahmen, wäre Korzewski beinahe in eine solche Spalte gefallen. Die Staubschicht verdeckte sie völlig, so daß»man sie gar nicht bemerkte. Wie gut, daß sie sich nach Art der Bergsteiger mit einem kräftigen Seil aneinander festgebunden hatten. Ohne diese Vorsichtsmaßnahme hätte die Sache leicht schlimm ausgehen können. Wußten sie doch nicht, wie tief diese Spalten waren.

Nachdem Korzewski, an einem langen Seil vom Raumschiff aus gesichert, den Granitbrocken geborgen hatte, beschloß Belopolski, keine weiteren Exkursionen mehr zu unternehmen.

„Jetzt müssen wir alle drei auf Hilfe warten“, sagte er. „Oder alle drei zugrunde gehen. Wir dürfen ohne ernsthaften Grund nichts mehr riskieren.“ Die beiden anderen stimmten ihm zu.

So waren die drei Kosmonauten denn auf viele Wochen, vielleicht auch für immer im Innern des Raumschiffs eingeschlossen.

Sie langweilten sich sehr. Ein Tag glich dem anderen. Belopolski stellte noch Beobachtungen an, Wtorow und Korzewski aber litten unter der Untätigkeit.

Auf die Minute genau versenkten alle zwölf Stunden die Automaten die Raumfahrer in einen achtstündigen Schlaf. Das entsprach offenbar dem Tagesrhythmus der Phaetonen, der auch jetzt von ihrem Raumschiff eingehalten wurde, ungeachtet der Bedürfnisse seiner neuen Herren. Sich gegen diesen aufgezwungenen Schlaf zu wehren war ganz unmöglich. Unüberwindliche Müdigkeit befiel die Männer, und sie schliefen ein, ob sie wollten oder nicht.

Belopolski zog daraus die Schlußfolgerung, Tag und Nacht hätten auf dem untergegangenen Phaeton zwanzig Stunden gedauert, die Bewohner aber hätten länger geschlafen als die Erdenmenschen, oder richtiger, sie seien kürzere Zeit wach gewesen.

Korzewski war anderer Meinung.

„Wenn dieser Tagesrhythmus für die Phaetonen normal war“, meinte er, „wieso brauchten sie da den künstlichen Schlaf? Ich glaube vielmehr, dies war nur bei Raumflügen ihr Rhythmus.

Sie hielten ihn dann für den zweckmäßigsten. Bei sich zu Hause aber konnten sie durchaus eine andere Tageseinteilung haben.“ Wtorow interessierten diese theoretischen Streitfragen wenig.

Mit Schrecken dachte er an die vor ihnen liegenden drei Monate Wartezeit. Drei Monate — das waren neunzig Erdentage! Womit sollte er die ausfüllen?

Die Aufgabe, die Cereslandschaft zu filmen, hatte er bereits in den ersten Tagen erfüllt. Weiter gab es nun nichts mehr aufzunehmen. Die Bücher hatten sie schon zweimal gelesen. Und schlafen? Sie schliefen ohnehin mehr als je zuvor, dank den Phaetonen.

Der trostlos-eintönige Anblick, der sich ihrem Auge hinter der durchsichtigen Wandung bot, langweilte sie zu Tode. Doch selbst nachts wagte Wtorow die Wände nicht zu „schließen“.

Belopolski hatte es kategorisch untersagt. Er befürchtete, die unbekannte Energie, die die rätselhaften Mechanismen zur Steuerung der Durchsichtigkeit speiste, könnte sich erschöpfen.

Eingeschlossen zu sein aber, ohne eine Möglichkeit, nach draußen zu blicken, das wäre zu schrecklich. Aus demselben Grunde beanspruchten sie auch die Türautomatik so wenig wie möglich.

„Wir sitzen in einem Gefängnis“, sagte Korzewski. „Verurteilt zu drei Monaten Haft.“ Drei Monate! Sie sprachen nur von dieser Frist und verschlossen bewußt die Augen davor, daß sie eine Mindestfrist darstellte. Hilfe konnte nur dann in drei Monaten eintreffen, wenn das betreffende Raumschiff noch am selben Tag, da sich die Katastrophe mit dem „Phaetonen“ ereignet hatte, von der Erde gestartet war.

Wenn man nun aber in der Heimat noch abgewartet hatte?

Vielleicht mehrere Tage oder gar eine ganze Woche?

Doch im Grunde blieb es für sie ja ganz gleich, ob eine Woche oder ein Jahr. Länger als zwölf Wochen konnten sie sowieso nicht durchhalten.

Als er am ersten Tag ihres Ceresaufenthalts von den Lebensmitteln sprach, hatte Korzewski nicht an das Wasser gedacht.

Der Mensch aber geht bekanntlich eher an Durst als an Hunger zugrunde.

Schon bei der Ausrüstung des „Phaetonen“ für den Flug zur Ceres hatte gerade das Wasser ihnen die größten Schwierigkeiten bereitet. In der „SSSR-KS 3“ wurde es in mächtigen Behältern aufbewahrt, von denen jedoch kein einziger durch die fünfeckigen Türöffnungen des ringförmigen Raumschiffes gegangen war. So hatte man es in leere Sauerstoffflaschen füllen müssen, die nicht in genügender Anzahl zur Verfügung standen. Ihr Wasservorrat war auf knapp vier Monate berechnet gewesen, so würde er jetzt selbst bei strengster Sparsamkeit in zwölf Wochen erschöpft sein.

Von dieser Seite drohte ihnen also die größte Gefahr, und sie waren machtlos dagegen. Jene phaetonischen Automaten, die Melnikow und Wtorow viele Tage lang auf wunderbare Weise „gespeist“ und „getränkt“ hatten, funktionierten nicht mehr.

Wahrscheinlich teilten sie das Schicksal der Triebwerke.

Die Luft war bis jetzt noch frisch und rein. In dieser Hinsicht hatten die Phaetonen besser vorgesorgt. Aber welche Garantie gab es, daß es bis zum Schluß so bleiben würde? Auch der Sauerstoff konnte sich erschöpfen.