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Erstens konnten die Phaetonen den zweitausendsten Teil eines Jahres einfach deswegen als Frist angegeben haben, weil eine runde ’Zahl gedanklich bequemer wiederzugeben war und sie die sieben Minuten Verspätung für unwesentlich hielten. Zweitens konnte das Uhrwerk — etwas Derartiges mußte ja vorhanden sein — nach so langer Zeit ein wenig gelitten haben. Drittens war eine Verschiebung der Umlaufzeit der Erde um die Sonne in den verflossenen Jahrtausenden, wenn nicht Jahrmillionen, durchaus möglich.

Aber die Menschen wunderten sich dennoch sehr. Unwillkürlich fiel ihnen ein merkwürdiger Umstand in die Augen: Dreiundzwanzig Minuten plus sieben ergeben dreißig. Damit hätte die von den Phaetonen vorgesehene „Pause“ mit verblüffender Genauigkeit viereinhalb Stunden gedauert.

Andererseits konnten die Phaetonen doch aber nicht die gleiche Zeitrechnung gehabt haben wie die heutigen Menschen.

Ein Zufall? Vielleicht, aber es fiel schwer, an einen so präzisen Zufall zu glauben.

Blaue Nebel und Kristallfäden gab es diesmal nicht. An Stelle der „zerschmolzenen“ Wand erschien sofort Iaja.

„Ich höre“, sagte er.

Die erste Frage lautete, weshalb der Phaeton untergegangen sei.

Der Bericht begann. Den zwölf Zuhörern war, als spreche wirklich jemand zu ihnen. Die Aufzeichnung der gedanklichen Bilder war erstaunlich genau. Jedoch nicht immer.

Alle bemerkten die Pausen in Iajas Bericht Es entstand der Eindruck, als „schweige“ der Phaetone zeitweilig, aber dieses Schweigen war nicht durch die Logik der Worte gerechtfertigt.

Erst zum Schluß gab Iaja eine Erklärung dafür.

Den Menschen hatte in den Sprechpausen ein „Film“ gezeigt werden sollen, der den Bericht illustrierte. Sie sahen jedoch keinen Film.

Die Tragödie einer Welt

Ein geübter Stenograph notiert eine Rede leicht und exakt, ohne Auslassungen und Entstellungen, so daß man sie hinterher in derselben Form, in der sie gehalten wurde, reproduzieren kann.

Ganz anders verhielt es sich mit Iajas Bericht. Er wurde von vier Mann notiert, doch jeder von ihnen hatte am Schluß eine andere Aufzeichnung.

Daran war nichts Verwunderliches. Die Menschen hatten eben noch keine Erfahrung mit dem Aufzeichnen fremder Gedanken.

In jedem Kopf hatte der Bericht des Phaetonen anders geklungen, je nach dem Grad der Empfänglichkeit. Außerdem war auch der Bericht selbst nicht überall klar und verständlich gewesen.

So standen nach dem „Gespräch“ vier verschiedene Aufzeichnungen und die unterschiedliche Erinnerung von acht Personen zur Verfügung. Es kostete große Mühe, daraus eine Mitteilung für die Presse zusammenzustellen.

Ein langer Bericht über ein fremdes und unbekanntes Leben war eben doch etwas ganz anderes als kurze Hinweise von der Art, wie sie die Facettenkugeln der Arsena enthalten hatten. Er ließ sich viel schwerer mitteilen und viel schwerer „vernehmen“.

Die Phaetonen hatten im übrigen auch diese Schwierigkeit vorausgesehen. Sie machten nicht einmal den Versuch, von ihrer Wissenschaft und Technik zu berichten, da sie ganz genau wußten, daß das unmöglich war. Iaja „erzählte“ nur vom Leben auf dem Phaeton, von der Ursache des Unterganges und dem Schicksal der Phaetonen. Er war dabei offenkundig bemüht, so einfach wie möglich zu denken. Aber manches blieb doch ungeklärt, zumal der angekündigte „Film“ fehlte.

Dennoch wurde das Wesentliche, das, was die Wissenschaftler der Erde am meisten interessierte, hinreichend vollständig übermittelt und aufgenommen. Die Tragödie des fünften Planeten, einer dichtbesiedelten Welt, die über eine hochentwickelte Wissenschaft und eine leistungsfähige Technik verfügt hatte, offenbarte sich.

Iajas Antwort auf die erste Frage ergab folgendes: Lange bevor es auf dem Phaeton ein vernünftiges Wesen gegeben hatte, war er bereits dem Untergang geweiht. Die unerbittlichen Gesetze der Massenanziehung und der Himmelsmechanik verurteilten ihn dazu.

Im Weltall geht alles sehr langsam vor sich. Die Natur hat es niemals eilig. Millionen und aber Millionen Jahre lebten die Phaetonen auf ihrem Planeten, ohne etwas von der Gefahr zu ahnen.

Erst ganz allmählich entwickelte sich ihre Wissenschaft. Ebenso wie auf der Erde war die Astronomie die Stammutter. Die Phaetonen machten sich die zahllosen Kräfte der Natur dienstbar, zunächst aufs Geratewohl, dann planmäßiger und schneller.

Schließlich kam der Tag, da die Wissenschaft enthüllte, daß ihr Planet unvermeidlich untergehen würde. Es blieb ihnen nicht mehr viel Zeit.

Die Fliehkraft des Phaeton war etwas größer als die Anziehungskraft der Sonne auf ihn. Mit jedem Umlauf, mit jedem „Jahr“ entfernte er sich daher vom Zentralgestirn und näherte sich der Bahn des Jupiter, des Giganten unseres Planetensystems.

Die verhängnisvolle Annäherung erfolgte außerordentlich langsam, aber unaufhörlich und unerbittlich. Schließlich mußte der Augenblick kommen, da bei einer Opposition des Phaeton und des Jupiter die Störkraft des letzteren die Kohäsionskraft der Moleküle des ersteren übersteigen und zur Explosion des Phaeton führen würde.

Die Wissenschaftler hatten den Augenblick der Katastrophe genau vorausberechnet. Nun standen die Phaetonen vor dem Problem, ihre Nachkommen zu retten.

Was nach den zeitlichen Maßstäben des Kosmos nahe bevorsteht, ist nach denen des Menschen noch weit entfernt. Keiner der zu jener Zeit lebenden Phaetonen war unmittelbar von der Katastrophe bedroht. Erst spätere Generationen erwartete der Untergang.

Aber arbeitet nicht jede Menschheit für die Zukunft? Auch jene, die auf der Erde angefangen haben, den Kommunismus aufzubauen, denken an ihre Nachkommen, sorgen für sie.

Die Phaetonen zogen zwei Möglichkeiten in Erwägung, die gestellte Aufgabe zu lösen. Entweder mußten sie die Umlaufgeschwindigkeit ihres Planeten ändern, so daß er sich wieder der Sonne näherte und aus der gefährlichen Nähe des Jupiter fortkam. Oder wenn das nicht gelang, mußten sie die gesamte Bevölkerung des Phaeton rechtzeitig auf einen anderen Planeten umsiedeln. Fortan konzentrierte die phaetonische Wissenschaft alle Kräfte auf die Lösung dieser Aufgaben, von denen jede ungeheure Schwierigkeiten bot.

Es war klar, daß eine Umsiedlung von Milliarden Menschen praktisch unmöglich war. So gingen die Phaetonen bewußt dazu über, die Geburten zu beschränken. Allein das schon zeugte anschaulich davon, daß die Rettungsaktion eine Sache der gesamten Bevölkerung geworden war.

Astronautik und Atomtechnik der Phaetonen entwickelten sich stürmisch. Die grausame Notwendigkeit spornte die Wissenschaftler zur Eile an.

Iaja dachte so deutlich und konkret, daß sein Bericht den Menschen wenigstens eine allgemeine Vorstellung von der Entwicklung der Kosmonautik auf dem Phaeton vermittelte. Es wurde deutlich, daß die Phaetonen den Weg von der Flüssigkeitsrakete zur Atom- und schließlich zur Photonenrakete sehr rasch zurückgelegt hatten. Aber auch dann waren sie nicht stehengeblieben. Kamow, Woloschin, Melnikow und andere Fachleute auf dem Gebiet der Astronautik begriffen (allerdings nur sehr vage), daß die Photonenraketen von Gravitationsraketen abgelöst worden waren. Die Phaetonen hatten das Geheimnis der Schwerkraft ergründet und sie sich für ihre interplanetaren Flüge nutzbar gemacht.

Eine kosmische Expedition nach der anderen startete vom Phaeton, um eine neue Heimat zu suchen.

Zunächst richtete man das Augenmerk natürlich auf Mars und Erde, die nächsten Nachbarn, die möglicherweise günstige Lebensbedingungen boten. Doch der Mars entsprach den Erwartungen nicht, er war bereits damals in jenem Zustand, in dem ihn später die erste irdische Expedition vorfand. Auf der Erde trafen die Phaetonen dagegen bereits den künftigen Herren an — vernunftbegabte Wesen, die zwar noch auf einer primitiven Stufe standen, sich aber zweifellos weiterentwickeln würden.