Der Schlußakt ihrer Tragödie begann.
Die acht Phaetonen ertrugen den unerwarteten Schlag offenbar mannhaft. Ihren Auftrag, den Erdenmenschen Kunde von sich zu hinterlassen, erfüllten sie exakt, so gut, wie es in ihren Kräften stand.
Das Bruchstück des Phaeton hatte ihnen nämlich nicht nur die Möglichkeit geraubt, die neue Heimat zu erreichen, es vernichtete auch vieles von dem, was für die Menschen bestimmt gewesen war. Darunter alle „Filme“.
So blieb den Phaetonen nur eine Möglichkeit: Sie „filmten“ Iaja, legten seine Darstellung in einen vereinfachten Apparat ein, montierten eine „sprechende“ Maschine und flogen, nachdem sie den Aufbewahrungsort fest verschlossen hatten, zur Arsena und schließlich zur Venus.
Darüber, wie die Phaetonen es fertiggebracht hatten, ihr Raumschiff zu reparieren, sagte Iaja nichts.
Nachdem der Phaetone verstummt war und regungslos vor den Menschen stand, als warte er auf weitere Fragen, schwiegen die versammelten Menschen lange. Der Bericht hatte sie erschüttert. Jeder von ihnen dachte unwillkürlich, was wäre, wenn der Erde das Schicksal des Phaeton drohte. Wären auch die Menschen imstande, die notwendigen Rettungsmaßnahmen diszipliniert und einträchtig durchzuführen? Aus Iajas Bericht war ersichtlich, daß die Phaetonen wie eine große Familie gelebt hatten, daß sie gemeinschaftlich und nach einem einheitlichen Plan vorgegangen waren. Deswegen hatten sie auch über die Kräfte der Natur gesiegt. Was würde in gleicher Situation auf der Erde geschehen?
Die nächste Frage stellte Kamow: „Wie ist Ihrer Meinung nach die Verbindung zwischen uns und Ihren Nachkommen herzustellen?“ Iaja antwortete. Die Phaetonen hatten die Frage vorausgesehen.
„Drehen Sie sich um!“ sagte er.
Die zwölf wandten sich der gegenüberliegenden Wand zu.
Sie verschwand und gab das, was hinter ihr lag, den Blicken preis. Etwas, das aus Kristall und Stahl zu bestehen schien, wurde sichtbar.
„Zu meiner Zeit“, sagte Iaja, „kannten wir noch kein Verfahren, eine Nachrichtenverbindung zwischen so weit voneinander entfernten Planeten herzustellen. Aber unsere Wissenschaft war der Lösung dieses Problems schon ziemlich nahegekommen. Das, was Sie vor sich sehen, ist nicht von uns aufgestellt. Wir wußten noch nicht, was es sein wird. Wir waren jedoch fest überzeugt, daß es einmal Wirklichkeit würde. Ich bin sicher, daß Sie den Apparat sehen. Mit seiner Hilfe werden Sie erfahren, was ich nicht weiß.“ Der Apparat aus Kristall und Stahl war später aufgestellt worden, lange nach dem Bau des Aufbewahrungsortes. Die Phaetonen hatten sich zu diesem Zweck eigens von der Wega zur Erde begeben. Wer weiß, vielleicht lag das noch gar nicht so lange zurück!
Die zwölf stellten Iaja noch viele Fragen.
Manchmal beantwortete er sie, manchmal auch nicht. Fragen wissenschaftlicher oder technischer Art beantwortete er grundsätzlich nicht.
Die Unterhaltung dauerte vier Stunden. Die Menschen verstanden Iaja immer besser. Ihr Gehirn gewöhnte sich allmählich daran, fremde Gedanken aufzunehmen.
Zum Schluß sagte Iaja: „Bald werden Sie Besuch von unseren Wissenschaftlern bekommen. Sie werden mehr wissen, als ich wußte, und werden die Fragen, die Sie mir gestellt und auf die Sie keine Antwort erhalten haben, besser beantworten. Für Sie beginnt jetzt eine neue Epoche. Seien Sie bereit, den Wissensschatz einer alten Welt zu übernehmen. Und nun leben Sie wohl! Bewahren Sie“ uns, die wir Sie nicht gekannt, aber geliebt haben, im Gedächtnis.“ Iaja verschwand. Wieder tauchte vor den Menschen die matte, in gelbgrauem Glanz schimmernde Metallwand auf. Keine „Befehle“ würden sie mehr dazu bringen, abermals zu verschwinden und Iajas Erscheinung noch einmal zu zeigen. Diesmal war alles endgültig vorbei.
Wie seine sieben Gefährten war Iaja in grauer Vorzeit auf der fernen Venus gestorben und sein Leichnam in der blauen Flamme der steinernen Schale verbrannt.
Doch die ihm und seinen Gefährten gestellte Aufgabe war erfüllt.
Die Menschen der Erde hatten erfahren, daß irgendwo in der Nähte der Wega menschliche Brüder existierten und wie sie sie herbeirufen konnten.
Zweiter und letzter Epilog
An einer der Kristallfacetten des geheimnisvollen Apparates sprang ein blauer Knopf in die Augen. Er war durch einen Splint gesichert, damit der Mechanismus nur durch den ausdrücklichen Willen der Menschen, nicht aber versehentlich ausgelöst werden konnte.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen.
Kamow zog den Splint vorsichtig heraus. Das ging ganz leicht, als sei der Metallstift nicht vor undenklichen Zeiten, sondern erst tags zuvor angebracht worden.
Was würde weiter geschehen?
Die Menschen vertrauten den Phaetonen. Ohne einen Augenblick zu zögern, drückte Kamow auf den Knopf.
Alle erwarteten, eine Stimme zu vernehmen. Doch etwas ganz anderes geschah.
Die Nachfahren der Erbauer des Aufbewahrungsortes verfügten offensichtlich bereits über neue Methoden.
Sie „sagten“ den Menschen nicht, was sie zu tun hatten und was passieren würde, sondern „zeigten“ es ihnen.
Die vor den Menschen stehende Maschine umgab sich mit einem milchig-weißen Dunstschleier, der sie fast den Blicken entzog, und auf diesem „Bildschirm“ erschienen nacheinander Bilder, Schemata und bewegliche Zeichnungen, die an einen mit künstlerischer Meisterschaft gedrehten Zeichentrickfilm erinnerten.
Mit Hilfe dieser Schemata und Zeichnungen wurde erklärt — allerdings ohne technische Einzelheiten —, was die Phaetonen vorbereitet hatten, damit die Menschen sie herbeirufen konnten, sobald der geeignete Zeitpunkt gekommen war. Dieser Zeitpunkt war nach Meinung der Phaetonen dann gegeben, wenn sie Iaja gefunden und mit ihm gesprochen hatten.
Die Maschine berichtete, daß jenseits der Bahn des Pluto, des äußersten Planeten in unserem Sonnensystem, noch ein winziger Himmelskörper, etwa zweihundertmal kleiner als der Mond, um die Sonne kreise. Auf ihm hätten die Phaetonen einen Apparat aufgestellt, der in Tätigkeit trete, sobald jemand zum zweitenmal auf den blauen Knopf drücke. Dadurch werde ein Signal zur neuen Heimat der Phaetonen geschickt, auf das hin ein phaetonisches Raumschiff zur Erde fliegen würde. So sollte die Begegnung der Bewohner der beiden Welten zustande kommen.
Da die Phaetonen die erstaunte Frage, weshalb der Apparat so weit entfernt installiert worden sei, vorausgesehen hatten, erklärten sie, daß das Signal mit einer Lichtflamme verbunden sein werde, deren Temperatur Millionen Grade erreiche. In der Annahme, das könnte für die Erde und ihre Bewohner gefährlich werden, hätten sie davon abgesehen, den Mond zu nehmen.
Aber nicht etwa diese Lichtflamme diene als Signal. Das Licht breite sich zu langsam aus. Sie, die Phaetonen, hätten etwas anderes gefunden. Was, erklärten sie nicht. Sie gaben lediglich an, daß sie das Signal im selben Augenblick, da es gegeben werde, auf ihrem Planeten empfangen würden. Es lege die unvorstellbare Entfernung von der Sonne bis zur Wega in einem Augenblick zurück.
Das war alles.
Weiteres den Menschen mitzuteilen, hielten sie nicht für nötig.
Ebenso wie bei dem „Film“ im ringförmigen Raumschiff, den Melnikow und Wtorow gesehen hatten, wurde die „Vorführung“ noch zweimal wiederholt.
Dann verschwand der milchige Dunst.
Die Menschen sahen wieder die von Kristall und Stahl blitzende unbekannte Maschine vor sich. Nun brauchten sie nur noch der Aufforderung nachzukommen und ein zweites Mal auf den Knopf zu drücken.
Dann würde ein Raumschiff Kurs auf die Erde nehmen, das zweifellos vollkommener war als jenes, das man auf der Venus gefunden hatte — im Laufe der Jahrtausende mußten die Phaetonen sich weiterentwickelt, vieles neu erkannt und hinzugelernt haben. Die älteren Brüder der Menschen würden herbeifliegen, um sie einzuweihen in das, was sie noch nicht wußten. Iaja hatte recht gehabt: Für die Menschheit brach eine neue Epoche an, die durch eine noch vollkommenere Kenntnis der Natur und ihrer Gesetze gekennzeichnet war.