„Ich habe eine tolle Entdeckung gemacht!“ platzte er heraus.
„An Bord kommen!“ ordnete Melnikow kurz an.
Der Rückmarsch dauerte eine Stunde. Sie hatten sich den Weg gut gemerkt und schritten sicher von Fels zu Fels. Toporkow hatte vor dem Mikrofon der Bordsprechanlage ein Metronom aufgestellt, und sein immer lauter und deutlicher werdendes Ticken zeigte ihnen an, welche Richtung sie einschlagen mußten.
Im Raumschiff wurden sie mit Ungeduld erwartet. Alle Arbeiten waren liegengeblieben. Wtorows außerordentlich bedeutsame Mitteilung hatte die Gelehrten in helle Aufregung versetzt, und sie konnten an nichts anderes mehr denken.
Endlich waren Spuren vernunftgelenkten Schaffens gefunden worden! Auf dem Mond und auf dem Mars hatten sie vergebens danach gesucht. Erst auf dem winzigen Asteroiden war das Glück ihnen hold! Das konnte einen Wissenschaftler schon in Erregung versetzen!
Die heraufziehende Nacht zwang alle, an Bord zu bleiben. Es wurde beschlossen, in fünf Stunden wieder zu dem geheimnisvollen Talkessel aufzubrechen. Bis dahin wurde ausgeruht.
Die Besatzung hatte lange kein Auge zugetan, und Müdigkeit machte sich bemerkbar. Nachdem sie Wtorows ausführlichen Bericht gehört hatten, gingen alle in ihre Kajüten.
Melnikow übernahm die Wache. Belopolski sollte mit zu den Ruinen aufbrechen, während er an Bord bleiben würde. Das Schiff keinen Augenblick ohne Kommandanten zu lassen war auf Weltraumfahrten Gesetz.
Zwei Stunden später versank die Sonne hinter einem hohen Felsen, und im selben Augenblick trat völlige Finsternis ein. Die Arsena entzog sich den Blicken, und das Schiff schien wieder im Raum zu fliegen. Daß es noch auf dem Asteroiden ankerte, konnte man nur ahnen, wenn man aus dem Fenster sah und unten keine Sterne erblickte.
Die Arsena stellte einen Splitter von sehr unregelmäßiger Form da. Tag und Nacht waren nicht an all ihren Punkten gleich lang. Am Landeplatz von „SSSR-KS 3“ dauerte der Tag sechs, die Nacht aber nur zwei Stunden. Der Asteroid zog seine Bahn um die Sonne mit dem Pol voran und drehte sich, wie Paitschadse es nannte, im Liegen. Wenn er die Sonne passierte, versank die Kehrseite, auf der das Raumschiff ankerte, in endlose lange Nacht. Aber das würde erst in drei Monaten sein, und so lange wollte die Expedition nicht auf der Arsena verweilen.
Mit Sonnenaufgang wurde es an Bord lebendig. Acht Mann der Besatzung rüsteten sich, um unter Führung Wtorows und Korzewskis die Trümmerstätte zu besichtigen. Außer Melnikow blieben Toporkow sowie Saizew und Knjasew, die an den Triebwerken beschäftigt waren, an Bord zurück. Die Gruppe nahm lange Seile, Spitzhacken und Spaten, doppelten Sauerstoffvorrat, Sprengpatronen und eine neuartige Radioapparatur zur Bodenforschung mit.
Nach einem ausgiebigen Frühstück verließ die Expedition das Schiff und verschwand, nachdem sie die erste Schlucht überwunden hatte, inmitten der Felsen. Die vier Zurückbleibenden blickten den Genossen nach, wünschten ihnen durch den Sprechfunk viel Glück und wandten sich wieder ihrer Tätigkeit zu. Melnikow trat ans Steuerpult, Toporkow übernahm die Funkwache, und die beiden Mechaniker begaben sich ins Achterschiff, um die Arbeiten fortzusetzen, bei denen sie durch Wtorows Bericht gestört worden waren.
Tod und Leben
Etwa eine Stunde verwandte Melnikow darauf, sein Tagebuch weiterzuführen. Seit dem Flug zum Mars hatte er die Gewohnheit beibehalten, ihm täglich seine Gedanken und Beobachtungen anzuvertrauen. Während der zwölf Flugtage hatte er von dieser Regel abweichen müssen. Ihm fehlte die Zeit. Nun beschloß er, das Versäumte nachzuholen, obwohl er müde war und sich am liebsten schlafen gelegt hätte. Er wußte genau, daß er nicht würde einschlafen können, solange die Genossen nicht wieder an Bord waren.
Das Tagebuch versetzte ihn zurück auf die Erde. Die letzten Seiten waren mit Olgas Namen übersät, und mit quälender Deutlichkeit erstand vor seinem geistigen Auge die Gestalt seiner Frau. Drei lange Monate trennten ihn noch vom Wiedersehen …
Er bezwang die Sehnsucht, die ihn überwältigen wollte, und schrieb über den Flug zu dem Asteroiden. Doch kaum war er bis zur Schilderung von Wtorows Entdeckung im Talkessel gelangt, da unterbrach das Klingelzeichen des Sprechfunks seine Arbeit. Toporkow verlangte ihn.
„Sehen Sie nur, was dort unten geschieht“, sagte er.
Melnikow spähte zum Bildschirm.
Zuerst bemerkte er keine Veränderungen. Die Landschaft der Arsena sah aus wie immer. Aber dann fielen ihm sonderbare kleine Feuer auf, die auf dem Landeplatz, auf den steilen Felsen, an den Berghängen, ja überall emporzüngelten. Es sah aus, als schlügen unsichtbare Steinmetzen mit unsichtbaren Hämmern Funken aus dem Gestein.
Sekundenlang starrte Melnikow verständnislos dieses Bild an.
Dann durchfuhr ihn ein schrecklicher Gedanke: Meteoriten! …
Die Arsena ist einem Meteoritenzug begegnet … Und die Genossen sind ihm unter freiem Himmel schutzlos preisgegeben …
Werden sie einen rettenden Unterschlupf finden?
In unmittelbarer Nähe des Schiffes schlug ein mächtiger Stein mit fürchterlicher Gewalt auf den Fels. Eine grelle Stichflamme schoß empor. Im selben Augenblick hörte Melnikow deutlich, wie nacheinander zwei Steine gegen die Bordwand prallten.
Ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, drückte er auf mehrere Knöpfe und schloß alle Fenster des Observatoriums mit den Schutzschilden. An den Kontrollgeräten war abzulesen, daß noch keins beschädigt worden war. Der Schiffsrumpf wies ebenfalls bislang noch kein Leck auf.
Melnikow schaltete einen Seitenbildschirm ein, verband sich mit der Funkkabine und fragte, ob Meldungen von Belopolski eingegangen seien. Aber Toporkow hielt sich nicht in seiner Kabine auf.
Da öffnete sich die Tür, und auf der Schwelle stand der Ingenieur. Melnikow warf einen Blick auf sein Gesicht, das eine Grimasse des Schmerzes verzerrte, da wußte er, daß etwas Furchtbares geschehen war. Ihm stockte der Herzschlag.
„Wer…?“ Er brachte kaum einen Laut über die Lippen.
„Leonid Nikolajewitsch.“ Toporkows Lippen zitterten.
Melnikow bedeckte die Augen mit der Rechten. Wie lebend sah er den gefallenen Kameraden vor sich.
„Ich fliege nur deswegen mit, weil wir auch auf einem Asteroiden landen werden“, hatte Orlow damals gesagt, ohne zu ahnen, daß diese Landung ihm zum Verhängnis werden würde, und ein gewinnendes Lächeln hatte wie immer, wenn er sich von Herzen freute, sein schönes Gesicht gleichsam überstrahlt.
„Und die anderen?“
„Haben sich in einen Felsspalt flüchten können. Leonid Nikolajewitsch ist unmittelbar vor dem Spalt getötet worden, ein Meteorit hat ihn genau ins Gesicht getroffen.“ Was mußten die Expeditionsteilnehmer durchgemacht haben, vor deren Augen ein Kamerad solch ein Ende fand!
Genau ins Gesicht! dachte Melnikow.
Einen Augenblick sah er deutlich Orlows Augen. Reiner Aquamarin, von langen schwarzen Wimpern eingefaßt. Melnikow bebte am ganzen Leibe.
„Wo sind Saizew und Knjasew?“
„Ich habe ihnen gesagt, sie sollen nicht ins Freie gehen.“ Melnikow strich sich mit der Hand über die Stirn.
„Lieber möchte man selber sterben als dergleichen erleben“, sagte er. „Gehen Sie in Ihre Funkkabine, Igor Dmltrijewitsch.
Ich komme gleich. Der Steinregen wird bald aufhören.“ Toporkow ging hinaus.
Es gibt in unserem Sonnensystem unzählige meteoritenhafte Körper. Sie fliegen sehr häufig in dichten Schwärmen. Neben den Kometen sind es die Meteorsteine, die den interplanetaren Raum verunreinigen. Beim Flug eines Raumschiffes ist ein Zusammenstoß mit ihnen kaum zu befürchten. Anders verhält es sich mit den Asteroiden. Im Vergleich mit den Raumschiffen sind sie ungeheuer groß. Sie besitzen keine Atmosphäre, die die großen Planeten vor dem himmlischen Bombardement schützt.