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Einige, zum Beispiel Romanow, Knjasew und Wtorow, hatten beim Start von der Erde noch keine klaren Vorstellungen dessen besessen, was sie erwartete. Die Raumfahrt, der Besuch des Asteroiden und die Erforschung der Venus waren in ihrer Vorstellung romantisch verklärt gewesen. Inzwischen hatten sie die Kehrseite gesehen und die rauhe Wirklichkeit kennengelernt.

Der Sieg über die Natur fällt dem Menschen nicht in den Schoß, er wird in zähem, verderbendrohendem Kampf errungen. Diesem und jenem hatten die ersten Tage des Fluges viele schwere Minuten gebracht. Die Unendlichkeit des leeren Raumes, in dessen Mitte unbeweglich das winzige Raumschiff zu hängen schien, das Fehlen eines sichtbaren Haltes, die Verwirrung der Begriffe „oben“ und „unten“ sowie die Schwerelosigkeit selbst — all das hatte stark auf das Gemüt gewirkt, und gut die Hälfte der Besatzung war von der „Kosmonautenkrankheit“ befallen worden.

Mit Beginn der zweiten Hälfte der Fahrt änderte sich das. Die Raumschiffbesatzung reifte zu einem Forscherkollektiv, das vom gleichen Denken, Fühlen und Streben beseelt war, und jeder einzelne verstand bis ins Letzte, was der von ihm gewählte Beruf verlangte und welche Gefahren er mit sich brachte. Alle hatten Orlows schreckliches Ende miterlebt, aber keiner bedauerte, daß er sein Leben dem hohen Ziel geweiht hatte.

Am 9. Juli, genau zweiundzwanzig Uhr dreißig, stimmte die Flugkurve von „SSSR-KS 3“ genau mit der Bahn der Venus überein, das Raumschiff nahm sozusagen die Verfolgung des Planeten auf, der hunderttausend Kilometer vor ihm mit einer Geschwindigkeit von rund fünfunddreißig Sekundenkilometern flog. In fünf Stunden und dreiunddreißig Minuten würde das Schiff die Schwester der Erde eingeholt haben.

Durch die runden Fenster des Observatoriums und auf den Bildschirmen war die Venus als ungewöhnlich großer Halbmond zu sehen. Beinahe elfmal größer als der Mond am Himmel der Erde. Die von der Sonne beschienene Hälfte des Planeten leuchtete grell mit ihrem schneeweißen Wolkenschleier. Deutlich zeichnete sich auch die Nachtseite vor den Sternen ab; sie verdeckte diese und sandte einen schwachen Lichtschimmer aus, der dem Schimmern der oberen Schichten der Erdatmosphäre ähnelte, aber bedeutend stärker war. Zwischen Licht und Schatten lag ein Dämmerstreifen. Dort züngelten von Zeit zu Zeit grelle Flammen und zuckten Blitze.

„Was wir dort sehen, ist das Polarlicht der Venusatmosphäre“, erklärte Belopolski. „Dank der Nähe zur Sonne muß diese Erscheinung hier bedeutend eindrucksvoller sein als auf der Erde.“

„Von der Venus aus betrachtet, muß das Polarlicht ja zauberhaft aussehen“, sagte Melnikow.

Das waren die einzigen Sätze, die die Kommandanten des Schiffes während der Stunden, in denen sie der Venus nachjagten, austauschten. Beide beobachteten angestrengt die Kontrollgeräte. Der Abstand zwischen dem Planeten und dem Raumschiff verringerte sich ständig. Die Landung rückte näher, ein schwieriges Manöver — sowohl auf der Venus als auch auf der Erde —, das höchste Konzentration und in jeder Bewegung Präzision erforderte.

Der Planet wurde größer und größer und verdrängte bald mit seinem Riesenleib alle anderen Sterne aus dem Blickfeld.

Voraus und zu beiden Seiten wälzte sich ein Meer von Wolken, unerträglich weiß auf der der Sonne zugewandten Seite — allmählich dunkler werdend und in Schwarz übergehend auf der anderen.

Am 10. Juli, vier Uhr morgens nach Moskauer Zeit, befand sich „SSSR-KS 3“ auf gleicher Höhe mit dem Planeten und drosselte die Geschwindigkeit, paßte sich seiner Bewegung an. Das Schiff flog in diesem Augenblick in den obersten, dünnen Schichten der Venusatmosphäre und setzte von dieser Höhe aus, abbremsend, zur Landung an.

Die Triebwerke arbeiteten mit voller Kraft, um eine Bruchlandung zu verhüten. Das Wolkenmeer kam näher.

Belopolski, Paitschadse und Melnikow wußten, welches Bild sich ihnen in einigen Minuten zeigen würde. Sie würden die Landschaft der Venus nie vergessen. Den übrigen Expeditionsmitgliedern war diese Landschaft durch einen Film vertraut, den Melnikow während des Fluges von „SSSR-KS 2“ gedreht hatte.

„Die Tragflächen!“ befahl Belopolski kurz, als die Wolkenmassen den Bildschirm mit weißem Nebel überzogen.

Melnikow drückte die notwendigen Kontaktknöpfe. Nach einigen Sekunden flammten blaue Lämpchen auf — die Tragflächen waren ausgefahren. Nachdem sich „SSSR-KS 3“ auf diese Weise in ein Düsenflugzeug verwandelt hatte, verringerte es abermals die Flughöhe und stieß durch die dicke Wolkendecke, an deren unterem Saum bereits aufflackernde Blitze matt zu erkennen waren.

Das Raumschiff flog nicht mehr im luftleeren Raum und mußte jetzt völlig anders gesteuert werden.

Vier Triebwerke, die an den Tragflächen angebracht waren, trugen es vorwärts. Manövriert wurde wie bei einem Flugzeug mit gewöhnlichem Leitwerk.

Vom Kommandanten eines Raumschiffes wurde verlangt, daß er auch in der Steuerung von Düsenflugzeugen erfahren war.

Belopolski hatte die Füße auf die Pedale gestellt und den Steuerknüppel ergriffen.

Es mochte befremden, daß ein Akademiker so sicher die schwere Arbeit eines Piloten verrichtete. Noch dazu in solch einem gigantischen Raumschiff. Aber das war nichts Besonderes.

Alle Besatzungsmitglieder von „SSSR-KS 3“, außer Professor Balandin, Andrejew und Wtorow, hatten eine Luftfahrtschule besucht, sich im Fliegen schwerer Maschinen gründlich geübt und besaßen das Pilotendiplom für Düsenflugzeuge.

Genau acht Minuten nach Beginn des Landemanövers tauchte „SSSR-KS 3“ aus den Wolken in eine unaufhörlich von Blitzen erhellte dichte Regenwand, die höchst bedrohlich aussah.

Der Bildschirm wurde dunkel. Jede Sicht verlor sich im Regen. Das Raumschiff schien in einem Ozean zu versinken.

Aber der Höhenmesser zeigte an, daß „SSSR-KS 3“ noch anderthalb Kilometer über der Venusoberfläche flog.

Belopolski vergrößerte die Geschwindigkeit, er wollte die Gewitterfront so schnell wie möglich durchqueren. Er hatte nicht vergessen, daß „SSSR-KS 2“ in einem ähnlichen Wolkenbruch binnen Sekunden siebenhundert Meter zur Seite geschleudert worden war und beinahe in den Ozean gestürzt wäre. Die Vorsicht gebot, das Raumschiff nicht unnötig lange dem Einwirken dieser ungeheuren Regengüsse auszusetzen.

Der Höhenmesser zeigte an, daß es, wenn auch langsam, abwärts ging.

Plötzlich schien es, als habe jemand den Bildschirm mit einem Schwamm abgewischt, die Wassermassen verschwanden. Vor den Augen der Besatzung breitete sich das Panorama eines endlosen Ozeans.

Melnikow beugte sich vor und betrachtete mit tiefer Bewegung das vertraute Bild, das so oft in seiner Erinnerung aufgetaucht war.

Bleigraue Wellen mit langen weißen Schaumkronen, darüber dunkle, zerfetzte Wolken, schwarze Gewitterwände, vom Zickzack der Blitze zerrissen, und alles grau in grau im trüben Dämmerschein.

Nichts hatte sich in diesen acht Jahren verändert. Im Leben eines Planeten ist ein Jahrhundert kürzer als eine Sekunde im Leben des Menschen. Die Natur braucht sich nicht zu beeilen — vor ihr liegt die Ewigkeit.

Einen Augenblick fühlte Melnikow sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Er wähnte, nicht „SSSR-KS 3“, sondern „SSSR-KS 2“ fliege über den finsteren Ozean der Venus. Wenn er sich umdrehte, würde er das konzentrierte Gesicht Kamows erblikken, der sich über das Steuerpult beugt, würde die sicheren Bewegungen seiner Hände verfolgen können, die die zahlreichen Kontaktknöpfe und Hebel der Steuerung bedienen …