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Alle Erlebnisse kommen mir wieder in Erinnerung.

Der Start auf der Erde …

Herrlich ist der Planet mit dem poetischen Namen Venus!“ Melnikow ließ das Heft in den Schoß sinken. Zum soundsovielten Mal in diesen Jahren tauchte vor seinem geistigen Auge das Bild auf, das er acht Jahre zuvor gesehen hatte.

Bleierne Wasser des Ozeans mit blendend weißen Wellenkämmen … Zu Häupten bleierner Himmel… Schwarze Wände ungeheurer Wolkenbrüche … Grelle Blitze durchzucken das trübe Halbdunkel… Endlose Fluren orangefarbener und roter Vegetation … Undurchdringlicher jungfräulicher Wald eines jungen Planeten… Ein hoher Bergkamm, dessen Gipfel sich in dicht geballten Wolkenmassen verbergen.

Sie erblickten die Landschaft der Venus damals von oben.

Bei einem kurzen Flug. Nun aber würden sie sie aus der Nähe kennenlernen, all den Gefahren und Tücken begegnen, die sich hinter der äußeren Schönheit des unerforschten Planeten verbergen mochten.

Aber es muß sein! Der Mensch muß alles wissen!

Melnikow blätterte einige Seiten weiter und las: „Wir bereiten uns auf künftige Raumfahrten vor. Viel werden wir unternehmen. Dutzende Flugbahnen werden die sowjetischen Raumfahrer durch den interplanetaren Raum ziehen. Sie werden alle Geheimnisse lüften, die die Natur eifersüchtig zu wahren trachtet. Der Forscherblick des Menschen wird in die entlegensten Bereiche des Alls, in die Sonnensysteme eindringen…“ So und nicht anders wird es kommen!

Der planmäßige Angriff auf die Geheimnisse des Sonnensystems hat bereits begonnen. Der Mond ist kreuz und quer erforscht. Nahezu ein Jahr schon hält sich eine englische Expedition auf dem Mars auf, die von William Jenkins geleitet wird und der drei russische Wissenschaftler angehören. England hat als erstes Land auf den Aufruf der Akademie der Wissenschaften reagiert, gemeinsam Raumfahrten durchzuführen. Dieses Land, das jahrhundertealte Traditionen auf dem Gebiet der Wissenschaft besitzt und die Heimat vieler unsterblicher Gelehrter ist, hat auch gar nicht anders handeln können. Englands Beispiel sind andere gefolgt: Frankreich, Deutschland und die Schweiz. Es wird auf breiter Front angegriffen.

Vieles ist schon erreicht. Aufgabe Nummer eins, die Erforschung des Mondes, ist fast gelöst. An der Lösung von Aufgabe Nummer zwei, der Erforschung des Mars, wird gearbeitet. Als drittes steht nun die Aufgabe, die Venus zu erforschen. Auf dem Wege zu ihr gilt es, auch einen Teil der vierten Aufgabe zu lösen: die Erforschung der Asteroiden. Das Raumschiff wird auf jenem Asteroiden zwischenlanden, mit dem „SSSR-KS 2“ während der Fahrt zum Mars Bekanntschaft machte. Der Asteroid ist mit Hilfe von Teleskopen schon gründlich studiert worden und hat zu Ehren Paitschadses, der ihn als erster entdeckte, den Namen „Arsena“ erhalten. Nach der Venus werden sich neue kosmische Aufgaben stellen, und so wird es weitergehen, bis ans Lebensende oder doch, solange die Gesundheit und die Kräfte reichen.

„Wovon träumst du?“ Melnikow zuckte zusammen. Er war so in Gedanken versunken, daß er nicht gehört hatte, wie sich die Tür öffnete.

Olga stand zwei Schritte entfernt vor ihm. Ihr blauschwarzes Haar, das glatt gekämmt war, warf einen Schatten auf ihren weißen Teint, in dem ihre tiefschwarzen, die „Kamowschen“ Augen saßen. Vorteilhaft umschloß ein grauwollenes Kostüm ihre kräftige, sportliche Gestalt.

„Na, endlich!“ sagte Melnikow. Er stand auf und trat zu ihr.

„Da bist du ja!“

„SSSR-KS 3“

Boris Melnikow kannte den gigantischen Raketenflughafen am Kljasma-Ufer sehr gut. Es war ein Fleckchen Erde, das er nie vergessen würde. Von hier aus hatte er an Bord des Raumschiffes „SSSR-KS 2“, das von Sergej Alexandrowitsch Kamow geleitet wurde, zum ersten Mal diese Welt verlassen. Hierhin war das Schiff unter dem Kommando Belopolskis zurückgekehrt.

Ohne seinen Kommandanten. Man hatte ihn für tot gehalten und auf dem Mars zurückgelassen. Hier hatte dann das unvergessene Wiedersehen mit Kamow stattgefunden, der wie durch ein Wunder vom Tode errettet worden war. Von hier aus war Paitschadse mit der Expedition Belopolskis an Bord des gleichen „SSSR-KS2“ zum Mond geflogen und, nach einem dreiwöchigen Aufenthalt, zurückgekehrt. Schließlich hatte sich eine englische Expedition unter William Jenkins, der Melnikow als einziger Russe angehörte, von hier aus zu einem Sputnik der Erde begeben.

Einstmals waren auf diesem Feld Versuche mit Atomraketen durchgeführt worden. Das war zu der Zeit, da die Raumfahrten erst vorbereitet wurden. Nach dem Flug von „SSSR-KS 2“ zum Mars war der Raketenflughafen dann völlig den Raumfahrern zur Verfügung gestellt worden. Nun wurden dort die sowjetischen Raumschiffe erprobt, gestartet und gelandet Der Holzzaun war durch ein Eisengitter ersetzt worden. Das Flugfeld hatte eine Betondecke erhalten. Nirgends auf der Welt gab es einen Platz wie diesen, zwölfeinhalb Quadratkilometer groß, eben und glatt wie ein Tisch. Das Gebäude des interplanetaren Bahnhofs war noch das gleiche wie früher, weiß, mit einem flachen Dach, das eine Marmorbalustrade säumte. Aber ringsum war inzwischen eine ganze Stadt emporgewachsen. Zwei Werke, die Teile von Raumschiffen, Mechanismen und Ausrüstungsstücke herstellten, ein astronomisches Observatorium, ein Institut für Kosmogonie, zahlreiche Laboratorien und Wohnhäuser standen zu konzentrischen Halbkreisen geordnet, deren Enden sich an die Einfriedung des Raketenflughafens lehnten. Die peinlich genauen Fluchten der halbrunden, baumbesetzten Straßen und die einheitliche Architektur verliehen der Stadt, die den Namen „Kamowsk“ trug, einen geometrischen Charakter.

Etwa im Zentrum, neben dem Bahnhof, erhob sich ein stählerner Obelisk, der zu Ehren des ersten Fluges zum Mars errichtet worden war. Ihn schmückten Basreliefs der vier Männer, die an diesem historischen Flug teilgenommen hatten.

Dieses Denkmal machte Melnikow immer verlegen, und er versuchte Olga abzulenken, damit sie sein Abbild nicht sähe, das ausgerechnet an der dem Bahnhof zugekehrten Seite angebracht war.

„Weißt du noch“, sagte er und wies auf ein Dach, „wie vor acht Jahren Sergej Alexandrowitsch, den wir für tot gehalten hatten, dort stand und die Landung des ›SSSR-KS 2‹ beobachtete? Wie traurig war unsere Heimkehr gewesen, aber was für eine riesige Freude erwartete uns! Den Augenblick, in dem wir ihn sahen, werde ich nie vergessen.“ Olga drückte dankbar die Hand ihres Mannes.

Sie stiegen aus dem Wagen und gingen die breite Treppe hinauf. Der Wachtposten trat auf sie zu, um nach dem Passierschein zu fragen, doch als er Melnikow erkannte, zog er sich schweigend zurück und legte die Hand an den Mützenschirm.

Die riesige Vorhalle war mit rotem Marmor getäfelt. Durch das Glasdach fiel das Sonnenlicht ein und füllte die ganze Halle, die wie immer menschenleer war. Eine breite Glastür führte auf das Flugfeld hinaus, doch Melnikow geleitete seine Frau durch einen Seitenausgang.

Der Stille nach zu schließen, die weit und breit herrschte, schien niemand in dem ganzen Gebäude zu sein, aber gleich hinter ihnen trat hastig ein mittelgroßer Mann heraus, der eine blaue Arbeitskombination trug.

Olga erkannte ihn sofort, obwohl sie ihn nie persönlich gesehen hatte. Die Zeitungen hatten sein Porträt gebracht. Der Name dieses Mannes war untrennbar mit den Raumfahrten verbunden, obwohl er an keiner einzigen teilgenommen hatte. Er hatte alle Raumschiffe, die von diesem Flughafen aus ihre Fahrt begannen, startklar gemacht, angefangen von jenem ersten, mit dem Sergej Alexandrowitsch Kamow seinerzeit zum Mond startete. Er war der Direktor des Flughafens, Ingenieur Larin.

„Ich habe schon gehört, daß Sie da sind“, sagte er, wahrend er auf die beiden zuging. „Guten Tag, Boris Nikolajewitsch!“ Melnikow druckte seinem alten Freund fest die Hand.

„Und Sie, Olga Sergejewna“, Larin küßte ihr galant die Hand, „sind natürlich gekommen, um sich das Raumschiff anzusehen.“ Woher kennt er mich? dachte Olga.