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Nachdem Belopolski sich sechs Schritt entfernt hatte, blieb er stehen und drehte sich zu seinen Gefährten um.

„Folgt mir und bindet euch alle an dem Seil fest. Tastet den Weg gehörig ab. Boris Nikolajewitsch!“ rief er.

„Ich höre“, antwortete Melnikow.

„Fahren Sie das Periskop aus! Beobachten Sie aufmerksam den Horizont und warnen Sie, falls eine Gewitterfront heraufzieht!“

„Sofort!“ Über dem Schiff stieg eine zwei Meter große Kugel auf. Sie erhob sich binnen Sekunden bis über die Kronen der rosa Bäume und wiegte sich am Ende einer dicken Trosse. Man sah, wie der Wind sie sogleich dem Ausgang der Bucht zutrieb.

„Wie ist die Sicht?“ fragte Belopolski.

„Tadellos.“

„Seien Sie nicht übervorsichtig! Verständigen Sie uns nur, wenn wirklich Gefahr droht!“ Melnikow gab keine Antwort.

„Hören Sie mich?“

„Natürlich, Konstantin Jewgenjewitsch.“

„Warum antworten Sie dann nicht?“ Belopolski lächelte über sich selbst. Er kannte den Charakter seines Schülers genau. Melnikow konnte Belehrungen dieser Art nicht leiden.

„Vorsicht!“ rief plötzlich Wtorow. „Ein Stachel!“ Aber Belopolski hatte es selber bemerkt.

Die scharfe Spitze des meterlangen Stachels eines Bandes, das unmittelbar vor ihm lag, zielte auf ihn. Diese langsame Bewegung der vermeintlichen Pflanze war unverkennbar ein Angriff.

Beinahe instinktiv schlug Belopolski mit dem Vibrator zu. Der seltsame Stachel zerbrach nicht, wie zu erwarten, in der Mitte, sondern flog als Ganzes ab. An der Stelle, an der er gesessen hatte, rannen aus dem roten bandähnlichen Körper schwarze Tropfen wie bei einem verletzten Tier das Blut.

Belopolski trat zu dem abgeschlagenen Stachel, hob ihn auf und warf ihn seinen Genossen zu, während er sprungbereit die anderen Stacheln beobachtete. Sobald er sich ihnen auf mehr als einen Meter näherte, zielten die dünnen Degen auf ihn, als wollten sie seinen Leib mit ihrer scharfen Spitze durchbohren, aber er brauchte nur ein wenig zurückzutreten — und sie nahmen ihre alte Stellung wieder ein. Auch die aktinienähnlichen Gewächse sträubten drohend ihre Härchen, sobald seine Hand nach ihnen griff. Der menschliche Körper schien die Venusbewohner anzuziehen, sie erkannten ihn als ein ihnen fremdes Wesen, das sie bereit waren zu packen.

„Wir müssen sehr vorsichtig sein“, sagte Belopolski. „Vielleicht sind sie giftig.“ Nun betraten auch die drei übrigen Astronauten, einer nach dem anderen, das Ufer. Wtorow ging als letzter. Er wurde von Saizew und Knjasew gehalten, die auf Belopolskis Befehl an der Schwelle der Luftschleuse zurückblieben. Toporkow rutschte aus, aber seine Kameraden hielten ihn mühelos fest.

Korzewski trat zu Belopolski. Die Augen des Biologen blitzten vor Freude.

„Es sind Lebewesen! Lebewesen!“ rief er immer wieder zutiefst bewegt. „Sie machen Jagd auf uns. Verstehen Sie? Sie sind gewohnt, die Beute zu erlegen, sobald sie sich ihnen nähert. Daraus geht hervor, daß es im Wasser dieses Ozeans Lebewesen gibt, die sich bewegen … schwimmen. Verstehen Sie, was das heißt?“

„Sehr gut sogar“, erwiderte Belopolski.

„Hier, passen Sie auf!“ Korzewski ergriff die Fransen einer Aktinie. Im selben Augenblick wanden sich die elastischen Härchen um seine Hand und zogen sie zu einer sich auftuenden kreisrunden Öffnung.

„Sehen Sie, dieses Lebewesen hat einen Mund wie die Aktinien der Erde!“ rief der Biologe entzückt.

Er dachte nicht daran, sich zu wehren, und ließ die Pflanze, die vielleicht sogar ein Tier war, seine Hände immer tiefer in sich hineinsaugen. Belopolski packte den Wissenschaftler, der vor Begeisterung ganz außer sich war, an der Schulter und riß ihn zurück.

„Seien Sie doch vernünftig“, sägte er mit gewohnter Ruhe, „das ist doch keine Aktinie wie auf der Erde.“ Korzewski blickte ärgerlich auf die abgerissenen Härchen, die sich wie widerwillig langsam lösten und zu Boden sanken.

„Wir müssen eine mit an Bord nehmen“, sagte er.

„Nehmen Sie, soviel Sie wollen, aber geben Sie gut acht!“ Belopolski schlug den nächstgelegenen Stachel ab und hielt seine Spitze vor eine andere Aktinie. Die kleinen Haare ergriffen den Stachel sofort und führten ihn zu der mundähnlichen Öffnung.

Alle verfolgten gespannt, was nun geschehen würde.

Nach einer Minute hielt der Gelehrte nur noch das Ende des Stachels in der Hand. Alles übrige war verschwunden.

„So, ich denke, das dürfte Ihnen genügen! Wer garantiert, daß mit Ihrer Hand nicht das gleiche geschehen wäre?“

„Wahrhaftig… Das ist ja…“ Der Biologe war betroffen.

Es stand fest, daß die Aktinien auf der Venus ganz anders gebaut waren als ihre Geschwister auf der Erde. Belopolski versuchte das in seiner Hand verbliebene Stück des Stachels zu zerbrechen, aber es gelang ihm nicht. Er war hart wie Eisen.

Trotzdem hatte dieses sonderbare Gewächs, das so zerbrechlich und weich aussah, den Stachel mühelos zerkleinert.

„Ich nenne sie Actinaria ferrumus“, verkündete Korzewski feierlich.

Da das Seil nicht lang war, konnten sich die Männer nicht weit vom Schiff entfernen. Außerdem mußten sie besonders vorsichtig sein. Die Gewitter waren noch nicht gründlich studiert, jedes barg Lebensgefahr. Ob es einem unbewehrten Menschen gelingen konnte, der Wucht der Wassermassen standzuhalten, war nicht erwiesen.

Aber auch wenn sie sich nicht weit entfernten, gab es genug zu erkunden. Unter Wahrung größter Vorsicht sammelten die Forscher mehrere Stacheln und lösten mit Hilfe ihrer Ultraschalldolche drei Aktinien und ein bedeutendes Stück eines der seltsamen roten Bänder vom Boden. All das trugen sie in die Luftschleuse.

Als nächstes untersuchte Korzewski gründlich den ersten Baum, dem sie sich näherten.

„Er zeigt typische Korallenstruktur“, erklärte er. „Es wäre schön, wenn wir einen Zweig mitnehmen könnten.“ Wtorow spähte nach oben. Die ersten Äste setzten bereits in geringer Höhe an, und der Baum war dicht mit Lianen umrankt.

„Darf ich es versuchen?“ fragte er Belopolski.

Konstantin Jewgenjewitsch musterte zweifelnd den Stamm, der so glatt war, als hätte ihn jemand poliert.

„Die Lianen werden mir helfen“, setzte Wtorow hinzu.

„Aber nicht so hoch klettern“, entschied der Expeditionsleiter.

„Brechen Sie den ersten besten dünnen Zweig ab. Beeilen Sie sich! Es kann wieder ein Gewitter kommen. Dann würde es Ihnen auf dem Baum schlecht ergehen!“

„Es ist keine Gewitterfront in der Nähe“, sagte Melnikow.

„Stellen Sie sich mir auf die Schulter“, schlug Korzewski vor.

Wtorow übergab Belopolski seinen Filmapparat und ergriff, nachdem er auf Korzewskis Schulter geklettert war, die Liane, die sich um den unteren Zweig geschlungen hatte.

Im nächsten Augenblick geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte.

Kaum hatten Wtorows Hände das grellrote Tau umklammert, als es sich blitzschnell vom Ast loswand und mit seinem langen elastischen Ende durch die Luft schnellte. Binnen drei Sekunden war Wtorow gefesselt. Völlig hilflos und unfähig, eine Hand oder ein Bein zu bewegen, hing der Ingenieur zu Häupten seiner Genossen, die durch diesen überraschenden Angriff der vermeintlichen Pflanze völlig verdattert waren.

Toporkow riß sich das hinderliche Sicherungsseil vom Leib und schwang sich Korzewski auf die Schultern. Mit der Spitze seines Spezialdolches fuhr er über den Leib der tückischen Liane.

Wie ein Rasiermesser zerschnitt der Ultraschall den pflanzlichen Räuber. Der Gefesselte fiel in die ausgebreiteten Arme Belopolskis. Durch den Helm hindurch sah man, daß Wtorow kaum noch atmen konnte, weil ihn die Liane, die seinen Brustkorb immer noch umspannte, so würgte. Die Männer versuchten vergeblich, die Fesseln mit den Händen zu lösen. Erst mit dem Ultraschalldolch gelang es, die Ringe zu zerschneiden und den Brustkorb zu befreien. Die Kombination war, wie sich herausstellte, an vielen Stellen zerrissen.