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„Er muß schleunigst an Bord!“ rief Korzewski erschrocken und legte seine Hände Wtorow um den Hals, als wollte er ihn erwürgen. Durch die Risse konnte die mit Formaldehyd vergiftete Luft der Venus unmittelbar in den Helm eindringen.

Belopolski ergriff das Seil und schnitt ein langes Stück ab. Mit diesem Stück wurde der Kragen der Kombination umwickelt.

„Haben Sie sich nichts gebrochen?“ fragte Korzewski.

„Anscheinend nicht“, antwortete Wtorow. „Diese Ungeheuer haben eine unheimliche Kraft. Mir tun sämtliche Knochen im Leibe weh.“

„Aber laufen können Sie?“

„Natürlich.“ Als Wtorow die Luftschleuse erreicht hatte, gab er Toporkow die Hand.

„Ich danke Ihnen, Igor Dmitrijewitsch!“

„Vielleicht kommt es auch mal anders! Heute rette ich Ihnen das Leben und morgen Sie mir.“ Selbst als vor einigen Stunden alle an Bord geeilt waren, um das gefundene Lineal zu untersuchen, erschien ihnen die Prozedur des Einschleusens nicht so quälend lang wie jetzt. Besorgt beobachteten sie Wtorows Gesicht und fürchteten, Anzeichen einer Vergiftung darin zu entdecken, weil zweifelhaft war, daß der aus dem Seil gefertigte Kragen hermetisch schloß.

„Wie fühlen Sie sich?“ fragte Korzewski alle Augenblicke.

„Ich habe Kopfschmerzen.“

„Nehmen Sie einen besonderen Geruch wahr?“

„Ja, einen sehr starken und unangenehmen.“

„Also ist doch etwas Formaldehyd eingedrungen!“ Im Raumschiff wußten die Genossen schon, was geschehen war. Stepan Arkadjewitsch wartete an der Luftschleuse mit der Instrumententasche für Erste Hilfe. Balandin und Paitschadse hielten eine Trage bereit.

Wie groß auch die Sorge um die Gesundheit des Kameraden sein mochte, so wurde die vorgeschriebene Desinfektion doch peinlich genau beachtet.

Von der inneren Schleusenkammer aus konnte man nur mit der Zentrale sprechen. Die Männer, die sich im Korridor eingefunden hatten, wußten also nicht, was hinter der Tür vor sich ging. Als sie sich endlich öffnete, sahen sie, daß Wtorow von Saizew und Knjasew getragen wurde.

„Er ist vor drei Minuten ohnmächtig geworden“, erklärte Belopolski.

Wortlos klappte Andrejew seine Tasche auf.

„Legen Sie ihn auf den Fußboden“, ordnete Korzewski an.

Die beiden Ärzte beugten sich über den Verunglückten. Nach einer Minute schlug Wtorow die Augen wieder auf, und Andrejew ließ ihn ins Lazarett bringen.

„Halb so schlimm“, antwortete er auf Belopolskis Frage, „er wird bald wieder ganz gesund sein.“ Romanow und Knjasew als die Stärksten trugen die Trage.

Durch das Raumschiff zu laufen, noch dazu mit einer Last, war sehr schwierig. Die „Klinik“, wie man im Scherz das Krankenzimmer nannte, befand sich zum Glück im gleichen Korridor.

„Die Venus beschenkt uns großzügig mit Überraschungen“, sagte Saizew. „Was wird nun weiter geschehen?“

„Was hat die Untersuchung des Lineals ergeben, Sinowi Serapionowitsch?“ fragte Belopolski den emsigen Balandin.

„Es besteht zweifellos aus Holz“, antwortete der Professor.

„Die Art des Holzes können wir nicht feststellen.“

„Kein Wunder!“

„Aber wir können mit Sicherheit sagen, daß es sehr lange im Wasser gelegen hat. Meiner Meinung nach mindestens ein Jahr.“

„Mindestens ein Jahr“, wiederholte Belopolski sinnend. „So!

Das Lineal ist also vor einem Jahr hier ins Wasser gefallen?“

„Es ist anzunehmen.“

„Dann brauchen wir nicht nach seinen Besitzern zu suchen.

Innerhalb eines solch langen Zeitraumes kann es von der anderen Halbkugel des Planeten hierhergebracht worden sein.“

„Und wenn Astronauten es verloren haben, so hat ihr Schiff die Venus längst wieder verlassen“, setzte Melnikow hinzu.

„Astronauten?“ Belopolski zuckte die Achseln. Damit gab er zu verstehen, daß er nicht sonderlich an einen Besuch der Venus durch Bewohner einer anderen Welt glaubte.

„Ist das Periskop noch ausgefahren?“ fragte er.

„Natürlich nicht.“

„Wir werden es noch einmal ausfahren. Kommen Sie mit ans Pult, Sinowi Serapionowitsch!“ Der Ballon mit der Fernsehkamera stieg abermals über dem Raumschiff auf. Der Bildschirm zeigte den Ozean. Die Kamera wendete langsam, und die Wasserebene wurde von dem orangeroten Wald abgelöst.

„Fahren Sie das Periskop noch höher aus!“ Melnikow betätigte den entsprechenden Mechanismus. Es war zu merken, daß der Ballon stark nach Osten abgetrieben wurde.

Trotzdem verbreiterte sich der Horizont weiter.

„Ich habe es ja gewußt!“ sagte Belopolski. „Sehen Sie!“ Der Sucher des Periskops hatte sich in diesem Augenblick nach Norden gewandt, und fast gleichzeitig bemerkten Balandin und Melnikow in der Ferne einen dunklen Streifen, Wasser!

Ebensolche Streifen zeigten sich im Westen und Süden.

„Wir sind auf einer Insel“, sagte Belopolski. „Als Stanislaw Kasimirowitsch sagte, die Bäume am Ufer seien in Wirklichkeit Korallen, glaubte ich gleich, daß wir nicht festes Land, sondern eine Koralleninsel vor uns haben, die nur tagsüber bei Ebbe an die Oberfläche tritt. Bei Nacht ist dies hier Meeresgrund. So leuchtet auch ein, warum hier keine richtigen Pflanzen wachsen, wie sie auf der Venus zu finden sein müßten, sondern nur Meeresorganismen. Wir müssen unbedingt festes Land finden und dorthin fliegen.“

„Die Insel ist gar nicht so groß“, bemerkte Balandin. „Es ist sogar verwunderlich, daß wir nicht vor unserer Landung bemerkt haben, daß dies eine Insel ist.“

„Es war damals bedeutend dunkler als jetzt“, antwortete Melnikow. „Und der Horizont war mit Gewitterfronten verhangen.“

„Aber trotzdem ist die Insel viel ausgedehnter als die größten Korallenbauwerke auf der Erde“, fuhr der Professor fort.

„Allerdings sind auch die Korallen selber, sofern es welche sind, unvergleichlich viel größer als die Korallen der Erde. Auf jeden Fall müssen wir die Insel, ehe wir sie verlassen, gründlich studieren.“

„Unbedingt!“ stimmte Belopolski zu. „Schon deswegen, weil wir diese Gegend nicht so bald verlassen werden. Das Schiff kann nirgends zum Starten gewendet werden. Es wird bis zum Abend hier bleiben, das heißt — anderthalb Wochen.“

Luftaufklärung

So lag also die „SSSR-KS 3“ am Ufer einer Koralleninsel, die bei Ebbe aus den Fluten emportauchte.

Auf der Erde, die anderthalbmal so weit von der Sonne entfernt ist wie die Venus, erreicht die Flutwelle an einigen Stellen, zum Beispiel in der Fundybucht in Nordamerika, zwischen NeuSchottland und Neu-Braunschweig, einundzwanzig Meter Höhe.

Freilich wird sie hauptsächlich durch den Mond ausgelöst, dessen Anziehungskraft sie merklich beeinflußt, jedoch die Nähe zur Sonne mußte bei der Venus das Fehlen eines Trabanten reichlich wettmachen. Nach Belopolskis und Balandins Meinung konnte die Flut auf der Venus achtzig Meter Höhe betragen.

Wenn daher zu Beginn der Nacht im Gefolge der Sonne, die sich dem westlichen Horizont zuneigte, die Flutwelle die Insel erreichen würde, dürften nur noch die Wipfel der höchsten Korallenbäume aus den Wassern des Ozeans ragen, alles andere aber untertauchen.

Die Meeresgewächse und Seetiere, die gegenwärtig auf dem Trockenen lagen, würden dann erwachen, um Nahrung suchend ihr eigentliches Leben zu führen. Und wenn der Tag sie wieder an die Luft versetzte, würden sie in den Zustand einer eigenartigen Anabiose, die dem Winterschlaf einiger Tiere und Pflanzen ähnelte, zurückverfallen, Balandin und Korzewski gelangten einmütig zu diesem Schluß.

Schon über hundert Stunden, beinahe fünf Erdentage, lag das Schiff nun auf der Venus. Die wissenschaftliche Arbeit, auf die sich alle auf der Erde und unterwegs so gründlich vorbereitet hatten, entfaltete sich allmählich.