Выбрать главу

Wo sind der Kraft eines Menschen Grenzen gezogen, wenn er einen Freund zu retten sucht? Wo liegt die Grenze seiner Leistungsfähigkeit, seines Willens und seiner Ausdauer? Zum Umfallen müde, montierten die sieben Männer am Flugzeug die zweite Tragfläche. Die Hände wollten das Werkzeug nicht mehr halten, die Augen konnten die Einzelteile kaum noch unterscheiden, aber die schweren Metallstücke gelangten dennoch gleichsam von selbst an Ort und Stelle.

Nach neun Stunden und zwanzig Minuten meldete Balandin mit bis zur Unkenntlichkeit heiserer Stimme, die Maschine stehe zum Start bereit.

„Lassen Sie mich und Saizew fliegen!“

„Auf keinen Fall!“ entgegnete Belopolski. „Schieben Sie das Flugzeug ins Wasser. Toporkow wird fliegen. Außer Knjasew und Romanow haben alle an Bord zurückzukehren.“ Er schaltete die Sprechanlage aus, ohne auf die Einwände des Professors zu hören.

„Igor Dmitrijewitsch, starten Sie! Kein anderer ist zur Zeit in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie kommen als einziger in Frage. Ich habe in Boris Nikolajewitschs Abwesenheit nicht das Recht, das Schiff zu verlassen.“

„Ich werde alles tun, was ich kann“, antwortete der Ingenieur und verließ die Kabine.

Belopolski blieb allein. Er wußte, daß Toporkow nicht warten würde, bis die anderen an Bord zurückgekehrt waren, sondern sofort zum Flugzeug gehen würde. Der Kommandant war sich der ungeheuren Verantwortung bewußt, die er auf sich lud, indem er das Raumschiff von jeglicher Besatzung entblößte.

Auf einem fremden Planeten kann alles mögliche geschehen.

Doch er brachte es nicht fertig, anders zu handeln.

Wäre es nicht um Melnikow gegangen, hätte Konstantin Jewgenjewitsch vielleicht Besonnenheit gewahrt. Keiner außer Kamow wußte, wie sehr sich der wortkarge, rauhbeinige Wissenschaftler mit seinem jungen Freund verbunden fühlte. Melnikow stand Belopolski nahe wie ein leiblicher Sohn.

Während Belopolski in regelmäßigen Zeitabständen über Funk das verschollene Flugzeug rief, beobachtete er am Bildschirm, was im Fjord vor sich ging. Gleichzeitig behielt er den Zeiger des Ionometers im Auge.

Aber die Gewitterfronten, die den Männern soviel Kummer bereitet hatten, schienen sich verabredet zu haben, die Insel zu meiden. Das günstige Flugwetter hielt an.

Durch Nebelschwaden hindurch sah Belopolski verschwommen Toporkows Boot durch den Fjord fahren, während das andere Boot dem Raumschiff zusteuerte. Seine Weisung war befolgt worden. Die fünf Genossen, die das Flugzeug montiert hatten, kehrten zurück. Romanow und Knjasew würden, nachdem sie Toporkow beim Start geholfen hatten, auf dessen Boot zurückfahren.

Belopolski sah, wie eine winzige Gestalt im Flugzeug verschwand, das sich augenblicklich in Bewegung setzte, mit zunehmender Geschwindigkeit übers Wasser glitt und in die Luft stieg. Von Herzen dankbar, dachte er an den unerschrockenen Piloten, der kühn den Gefahren entgegenstürmte, um Boris und seinen Begleiter zu retten. Weit vorgebeugt, folgte sein Blick der Maschine, bis sie sich in einen kaum wahrnehmbaren Punkt verwandelt hatte und inmitten des bleigrauen Himmels verschwand.

Es könnte sein, daß auch er nicht wiederkommt! durchfuhr es den Kommandanten. — Was für ein entsetzlicher Gedanke!

Vielleicht quälten ihn die Einsamkeit und das Bewußtsein, daß in den nächsten zwanzig Minuten niemand die Kabine betreten würde? Vielleicht verlangte die stundenlange nervliche Belastung eine Entspannung? Vielleicht taten auch die Jahre das Ihrige?… Belopolski ließ plötzlich den grauen Kopf auf die Arme sinken und weinte.

Was würden die Kameraden sagen, wenn sie in diesem Augenblick ihren Kommandanten sähen, den sie den Eisernen nannten?

Im Lautsprecher meldete sich eine Stimme. Ruckartig richtete Belopolski sich auf.

Eine Anfrage von Toporkow? … Nein, es war nicht Toporkows Stimme …

„Raumschiff! Raumschiff! Hier spricht Melnikow! Hier spricht Melnikow! Antwortet!“ Fassungslos ob des überraschenden Glücks schaltete Belopolski den Sender ein.

„Ich höre, Boris, ich höre! Wo bist du?“

„Unsere Maschine liegt vor einer unbekannten Küste, westlich von euch. Eine Blitzeinwirkung hat die Triebwerke zerstört.

Bei der Landung sind wir auf eine Sandbank aufgelaufen, wobei die Schwimmer abbrachen. Wtorow und ich haben keine Verletzungen. Durch den Aufprall war der Generator unserer Funkanlage unbrauchbar geworden, wir haben ihn soeben repariert. Mit eigener Kraft können wir die Maschine nicht bewegen.“

„Toporkow ist mit dem zweiten Flugzeug gestartet, um euch zu suchen. Nehmt mit ihm Verbindung auf, und zwar auf eurer Welle. Reichen Luft und Lebensmittel?“

„Ich habe mitgehört“, schaltete sich Toporkow selber ein.

„Boris Nikolajewitsch! Geben Sie mir Funkorientierungssignal!“

„Es hat keinen Zweck, mit dem Flugzeug zu kommen“, antwortete Melnikow.„Kehren Sie um! Konstantin Jewgenjewitsch, lassen Sie Igor Dmitrijewitsch sofort umkehren. Wenn Sie es für möglich halten, schicken Sie uns das Unterseeboot.“

„Was heißt ›Wenn Sie es für möglich halten‹?“ Belopolski war entrüstet. „Wir sind bereit, alles zu tun, um euch zu retten.

Aber habt ihr genug Sauerstoff?“

„Er reicht noch für vierzehn Stunden. Und ungefähr zwei Stunden können wir noch länger aushalten, wenn wir den Sauerstoff aus den Behältern der Gasmasken benutzen. Ich bin der Meinung, daß nur mit dem Unterseeboot…“ Jäh brach Melnikows Rede ab. Aufgeregt rief Belopolski ihn, aber vergebens. Die Verunglückten antworteten nicht mehr.

„Am westlichen Horizont steht wieder eine mächtige Gewitterfront“, meldete Toporkow.

„Kehren Sie sofort zurück! Brauchen Sie Funkorientierung?“

„Nein, ich sehe die Insel noch.“ Balandin trat ein. Der Professor sah erschöpft aus. Als er hereinkam, hörte er, wie der Kommandant Romanow und Knjasew die Weisung gab, sie sollten am Hangar Toporkow erwarten.

„Kommt das Flugzeug schon zurück? … So schnell?“ Nach Balandin traten Korzewski, Paitschadse, Andrejew und Saizew ein.

Belopolski schilderte den Genossen sein überraschendes Gespräch mit Melnikow. Dabei schaltete er die Sprechanlage ein, damit Romanow und Knjasew mithören konnten.

Die freudige Botschaft machte allen neuen Mut.

„Wird das Boot aus der Bucht auslaufen können?“ fragte Balandin besorgt.

„Das werden wir sofort feststellen“, antwortete Belopolski.

„Sascha!“ rief er. Den jungen Mechaniker nannten alle beim Vornamen.

„Ich höre“, antwortete Knjasew.

„Sobald die Maschine wieder im Hangar steht, fahren Sie zum Ausgang der Bucht und stellen fest, ob das Unterseeboot von hier aus in See stechen kann. Messen Sie die Tiefe.“

„Zu Befehl!“

„Wenn es aber nicht geht?“ fragte Korzewski.

„Dann sprengen wir die Felsen, die die Ausfahrt versperren“, antwortete Belopolski energisch, so wie ihn alle kannten. Von der Schwäche, die ihn soeben noch übermannt hatte, war nichts mehr zu spüren. „Mit dem Boot werden Sinowi Serapionowitsch und Konstantin Wassiljewitsch fahren.“

„Dann bitte ich die beiden Genossen mitzukommen“, sagte Andrejew. „Wie lange wird es dauern, bis das Boot seeklar ist?“

„Wenn wir keine Felsen sprengen müssen, anderthalb Stunden.“

„Das genügt, um sich etwas zu erholen. Kommen Sie, Stanislaw Kasimirowitsch! Wir werden uns bemühen, die U-BootFahrer wieder in einen normalen Zustand zu versetzen.“ Korzewski, Balandin und Saizew gingen mit Andrejew hinaus.

Toporkow landete glatt, und kaum stand das Flugzeug im Hangar, da fuhr das Motorboot schon zum Ausgang der Bucht.

Eine Fahrrinne für das Unterseeboot wurde gefunden und vermessen.