Kaum war das Boot zum Schiff zurückgekehrt, da regnete es wieder in Strömen. Dieselbe Gewitterfront, die Toporkow per Sprechfunk angekündigt hatte, belagerte die Insel. Aber keiner stellte die Arbeit ein. Das Unterseeboot wurde im Innern des Raumschiffes mit allem Notwendigen ausgerüstet. Durch bittere Erfahrung belehrt, richteten sich die Sternfahrer auf die ärgsten Unglücksfälle ein. Es wurde ein doppelter Lebensmittelvorrat für fünf Personen, berechnet auf eine Woche, verladen, desgleichen ein dreifacher Satz Sauerstoffbehälter und zusätzliche Akkumulatoren; sorgfältig wurden die Mechanismen und die Funkanlage geprüft. Auch Taucher- und Kühlanzüge wurden nicht vergessen. Toporkow stellte sein Ionometer auf das Zentrale Steuerpult.
Die Männer beeilten sich, aber jede Anlage, jedes Teil wurde dreifach geprüft.
Das Unterseeboot, das man eigens für die Fahrt auf der Venus gebaut hatte, war nicht groß — acht Meter lang und zweieinhalb Meter im Durchmesser. Der Rumpf bestand aus Plasteguß, der hart wie Stahl und durchsichtig wie Glas war. Mit vier mächtigen Scheinwerfern konnte die ganze Umgebung des Bootes beleuchtet werden. Zwei Schrauben, die von Elektromotoren getrieben wurden, konnten ihm eine Geschwindigkeit von fünfzig Stundenkilometern verleihen. Fast alle Teile der Ausrüstung waren aus Plaste gefertigt, was das Fahrzeug leicht und wendig machte. Die Errungenschaften der Plaste-Industrie, die sich in den letzten Jahren stürmisch entwickelt hatte, waren die Voraussetzung dafür, daß dieses Wunderwerk der Technik entstehen konnte.
Sobald das Gewitter abgezogen war, wurde die Funkverbindung mit dem gestrandeten Flugzeug wiederaufgenommen. Melnikow präzisierte die Angaben über die Lage des neuentdeckten Festlandes. Es befand sich seiner Berechnung nach hundertfünfzig Kilometer südwestlich der Insel. Sein Ufer erstreckte sich von Horizont zu Horizont, so daß das Unterseeboot es gewiß nicht verfehlen konnte. ’ „Meiner Meinung nach ist es ein Festland“, erklärte Boris Nikolajewitsch. „Es könnte nichts schaden, wenn Sinowi Serapionowitsch auf dem Wege hierher das Ufer nördlich und südlich von uns näher untersuchte. Wir müssen genau feststellen, ob dies ein Festland oder eine Insel ist. Wir können mit bloßem Auge Wald sehen, und er besteht nicht aus Korallen.“
„In welchem Zustand befindet sich das Flugzeug?“ fragte Belopolski.
„Die Schwimmer sind abgebrochen, die Flügel weg. Ich fürchte, es ist völlig fluguntüchtig geworden.“
„Danach frage ich nicht. In welchem Zustand ist der Rumpf, in dem Sie sich aufhalten?“
„Er sackt allmählich ab. Wird anscheinend von dem sandigen Grund aufgesogen, und die Regengüsse tun das Ihrige.“
„Und da empfehlen Sie Balandin, er soll sich das Ufer ansehen!“ Melnikows Kaltblütigkeit begeisterte alle Besatzungsmitglieder.
Zwei Stunden später lag das Unterseeboot seeklar vor der hinteren Luftschleuse.
Balandin und Saizew kamen. Ein belebendes Sauerstoffbad, eine Stunde künstlicher Schlaf und Massage hatten sie erstaunlich verändert. Dank der helfenden Hand der Schiffsärzte war ihnen keine Spur von Müdigkeit anzumerken. Sie fühlten sich gekräftigt und energiegeladen.
„Sie fahren ohne Umwege zu Melnikow und Wtorow“, befahl ihnen Belopolski. „Halten Sie sich nirgends auf — was Ihnen unterwegs auch begegnen mag. Falls Boris Nikolajewitsch Ihnen nahelegt, Sie sollten sich mit irgendwelchen Untersuchungen abgeben, so verbiete ich, auf ihn zu hören.“
„Wer wird denn jetzt an Forschungsarbeit denken?“ staunte Balandin.
Die anderen schilderten ihm Melnikows Unterhaltung mit Belopolski. Der Professor schüttelte nur mit dem Kopf.
Die Befürchtung, es könne bald ein längeres Gewitter aufziehen, trieb die U-Boot-Fahrer zur Eile. Sie mußten wenigstens das Riff, das die Ausfahrt aus der Bucht verengte, bei klarem Wetter umschiffen. Wenn sie erst auf hoher See waren, konnten sie tauchen und brauchten die Unwetter nicht mehr zu fürchten.
Eine sorgfältig gezeichnete Karte von der Fahrrinne des Fjordes wurde Saizew übergeben.
Die Kosmonauten waren nun beinahe völlig beruhigt. An der Stabilität des Unterseebootes war nicht zu zweifeln. Es würde die hundertfünfzig Kilometer lange Strecke innerhalb von drei Stunden zurücklegen und sich unterwegs nach den Funksignalen des Flugzeuges orientieren. Selbst wenn man auf unvorhergesehene Hindernisse stoßen sollte, deren Überwindung drei Stunden zusätzlich kostete, würden Melnikow und Wtorow rechtzeitig aus dem Flugzeugwrack gerettet werden.
Auf Belopolskis Anfrage hin war ihm berichtet worden, der Rumpf sinke in der Stunde fünf bis sechs Zentimeter, aber das Wasser könne nicht in die hermetisch verschlossene Kabine eindringen.
Die außerordentliche Erschöpfung der Besatzung forderte nun mit Macht ihr Recht. Nachdem das Unterseeboot abgelegt hatte, suchten alle außer Belopolski und Toporkow ihre Kabinen auf, um sich auszuruhen: Im Schiff trat völlige Stille ein.
„Legen Sie sich auch ein bißchen aufs Ohr“, sagte Belopolski zu Toporkow. „Ich wecke Sie in drei Stunden.“
„Und Sie?“
„Ich bin nicht so müde wie die anderen.“ Eintönig summten im Lautsprecher die Orientierungssignale.
Von Zeit zu Zeit wechselte Belopolski einige Worte mit Melnikow oder mit Balandin, wenn nicht gerade Gewitter die Verbindung störten.
Vorerst verlief alles glatt. Das Boot näherte sich auf dem vorgesehenen Kurs seinem Ziel.
Das Unterseeboot hatte die gewundene Fahrrinne zwischen den Klippen hinter sich gelassen und wurde von der Dünung erfaßt. Je weiter es sich vom Ufer entfernte, desto mehr schlingerte das leichte Gefährt. Bald wurde es auf den Kamm einer Meereswoge hinaufgetragen, bald stürzte es wieder in die Tiefe.
Die Besatzung konnte sich, solange das Ufer nahe war, noch nicht zum Tauchen entschließen, weil sie fürchtete, auf ein Korallenriff zu stoßen. Erst als das Echolot große Tiefe anzeigte, öffnete Saizew, der am Steuerpult saß, die Tauchtanks.
Das Boot schlüpfte unter die Wasseroberfläche. Das trübe Tageslicht der Venus, an das die Männer sich schon gewöhnt hatten, wurde von undurchdringlicher Finsternis abgelöst. In einer Tiefe von zehn Metern hörte das Schlingern völlig auf.
Ein Scheinwerfer wurde eingeschaltet. Ein mächtiger Lichtstrahl bohrte sich in das Wasserdickicht vor ihnen. Durch die Plastewand hindurch waren huschende Schatten zu sehen, die spurlos verschwanden, sobald sich das Boot ihnen näherte.
„Das sind ganz bestimmt Fische!“ stieß Balandin erregt hervor. „Wenn wir doch wenigstens einen von nahem sehen könnten!“
„Maschinen stop!“ rief er, als er im Scheinwerferlicht ganz nahe einen langgestreckten Körper vorüberhuschen sah.
„Lassen wir uns durch nichts ablenken“, empfahl Saizew.
„Wenn es Seetiere sind, werden sie nachher auch noch da sein, und wir können sie auf der Rückfahrt genauer ansehen. Jetzt gibt es für uns nur eine Aufgabe: Wtorow und Melnikow retten.
Wir wissen nicht, was uns noch erwartet. Am besten erfüllen wir gewissenhaft unseren Auftrag. Wir dürfen uns unterwegs nicht aufhalten.“
„Sie haben recht, Konstantin Wassiljewitsch“, antwortete der Professor beschämt. „Ich war unbesonnen, entschuldigen Sie.
Geben Sie volle Fahrt voraus.“
„Dazu ist es noch zu früh.“ Kaum hatte das Unterseeboot die Südspitze der Koralleninsel umschifft, als auf dem Bildschirm des Lokators ein Nebelstreif auftauchte. Saizew legte das Ruder herum. Der Bug schwenkte mehr nach Westen. Der Streif auf dem Bildschirm wurde schmaler und durchsichtiger. Als er sich in einen dünnen Strich verwandelt hatte, der grünlich fluoreszierte, wurden die beiden Motoren auf äußerste Fahrt gebracht. Wie ein Pfeil schoß das Boot seinem Ziel entgegen.
Auf der Erde leitet das Wasser die Funksignale in der Regel schlechter als die Luft. Auf der Venus verhält es sich anders. Die Ionisation im Bereich der Gewitterfronten, die jeden Funkverkehr unterbricht, wirkt sich auf die Leitfähigkeit des Ozeans nicht aus. Daher hatte Melnikow auf Toporkows Anweisung die Antenne seines Flugzeuges ins Wasser getaucht, und die Orientierungssignale waren, wenn auch abgeschwächt, ständig auf dem Bildschirm des Bootes zu sehen. Das gleichzeitig ausgestrahlte akustische Orientierungssignal war dagegen kaum zu hören und verstummte zeitweilig vollends.