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Der Bootskörper erwärmte sich allmählich durch die hohe Geschwindigkeit, aber Saizew fuhr deswegen nicht langsamer.

Die Lokationsgeräte teilten beruhigend mit, daß keine Hindernisse voraus waren.

Das Fahrtempo machte es unmöglich, backbord oder steuerbord noch etwas zu erkennen. Professor Balandin war eigentlich froh darüber. Es fiel ihm schwer, achtlos an der Meereswelt der Venus vorüberzufahren, in die der Mensch zum erstenmal eingedrungen war. Wenn er nach vorn spähte, sah er, wie sich weit voraus am Ende des Lichtkorridors, den der Scheinwerfer erzeugte, manchmal etwas bewegte. Gestalten ließen sich nicht erkennen, aber es waren bestimmt Lebewesen; sie verschwanden augenblicklich wieder in der unbeleuchteten tiefen See. Durch die Bordwände spürte man geradezu, daß sich in dem finsteren Wasser etwas regte. Verschwommene Schatten kamen so nahe heran, daß ihre Umrisse beinahe zu erkennen waren. Verschiedenfarbige Punkte flammten auf und erloschen wieder.

Mühsam unterdrückte Balandin den Wunsch, alle Scheinwerfer einzuschalten und das Wasser ringsum zu beleuchten. Er durfte der Versuchung nicht nachgeben und sich von der Erfüllung des vordringlichen Auftrages nicht ablenken lassen.

Nach der Rettung der verunglückten Genossen würde Zeit genug sein, alles zu beobachten. Jetzt gab es nur eins: vorwärts!

Nichts als vorwärts!

An der mehrmaligen Unterbrechung der Funkverbindung mit dem Raumschiff merkten die U-Boot-Fahrer, daß ein Gewitter nach dem anderen über dem Ozean tobte. Sie beeinträchtigten aber nicht die Stille im tiefen Wasser.

Die erste Stunde war vergangen. Fünfzig Kilometer hatte das Boot bereits zurückgelegt. Die grüne Linie auf dem Bildschirm wurde allmählich immer klarer. Das Millimeterband des Radarprojektors zeigte an, daß seine Suchstrahlen noch nirgends auf Land gestoßen waren. Das Boot raste mit unverminderter Geschwindigkeit weiter.

Gespannt beobachteten Balandin und Saizew die vom Scheinwerfer beleuchtete Wasserwüste. Es war nicht ausgeschlossen, daß sie auf Hindernisse stießen, vor denen der Lokator sie nicht warnte. Beispielsweise auf Schlinggewächse, die für die Funkwellen sozusagen durchsichtig waren und sie deshalb nicht zurückwarfen. Wer konnte wissen, welche Überraschungen der fremde Planet dem Menschen noch zu bieten hatte?

Balandins Gedanken kamen nicht los von den Rätseln der Venus. Er mußte darüber sprechen.

„Die Venus“, sagte er, „hat längst das Stadium der ursprünglichen Entstehung des Lebens durchlaufen. Ebenso wie auf der Erde hat sich dabei das Leben auch hier im Meer entwickelt.

Die Teilung der Organismen in Pflanzen- und Tierreich ist abgeschlossen. Wir dürfen mit Recht annehmen, daß die Pflanzen bereits an Land gestiegen sind und sich den widrigen klimatischen Bedingungen angepaßt haben. Aber haben die Tiere ein Gleiches getan? Oder leben sie noch im Wasser? In Anbetracht der Länge von Tag und Nacht sowie der hohen Tagestemperatur auf dem Land neige ich zu der Auffassung, daß die Tiere im Ozean geblieben sind, wo sie gleichmäßigere Lebensbedingungen finden. Aber das Lineal, das wir gefunden haben, widerlegt eine derartige Folgerung. Ach, dieses vermaledeite Lineal!

Es läßt mir keine Ruhe. Es birgt das Geheimnis des Lebens auf der Venus, und solange dieses Geheimnis nicht gelüftet ist, können wir nichts als feststehend betrachten, so einleuchtend es auch erscheinen mag.“

„Sie lehnen also entschieden die Theorie ab, daß hier ein anderes Raumschiff gelandet ist?“ fragte Saizew.

Balandin maß ihn mit einem seltsamen Blick.

„Sagen Sie, Konstantin Wassiljewitsch“, fragte er nach kurzem Schweigen, „gehören zu Ihren Geräten auf dem Schiff Holzlineale?“

„Natürlich nicht!“

„Sie benutzen also vollkommenere Meßgeräte?“

„Selbstverständlich.“

„Weshalb sollen wir also annehmen, Astronauten eines anderen Planeten, deren Technik keinesfalls auf einem niedrigeren Stand als unsere sein könnte, benutzten solch ein primitives und ungenaues Meßgerät?“

„Wahrhaftig — ein richtiger Gedanke!“ sagte Saizew erstaunt.

„Warum hat bloß keiner beachtet, daß dieses Lineal ja äußerst primitiv ist?“

„Ich finde diesen Gedanken auch richtig. Übrigens hat ihn Arsen Georgijewitsch zuerst geäußert, und Sie selber haben ihn darauf gebracht.“

„Ich? Nicht daß ich wüßte…“

„Nicht direkt! Als wir heute das Flugzeug montierten, machten Sie zu Paitschadse eine Bemerkung, als der den Durchmesser einer Öffnung mit einem Lineal maß. Mit einem genauen Lineal, das aus Metall, nicht aus Holz gefertigt war. Sie sagten zu ihm, daß es für solche Zwecke doch einen Stangenzirkel gäbe.“

„Das stimmt.“ Saizew schmunzelte. „So war es.“

„Und darauf sagte Paitschadse zu mir, das Lineal habe allem Anschein nach niemand auf die Venus mitgebracht. Es sei hier hergestellt worden, von einem ›Menschen‹, einem Geschöpf also, das Vernunft besitzt, obwohl es uns vielleicht nicht ähnelt. Vernunft aber, die mathematischer Erkenntnis fähig sei, stelle eine sehr hohe Entwicklungsstufe in der Evolution der Materie dar.

Doch wo sind Spuren vom Wirken dieser Vernunft? Außer diesem einen Lineal sind keine zu finden.“

„Wir werden sie finden!“

„Ganz recht — sie müssen gefunden werden. Wie ich schon gesagt habe, liegt darin das Geheimnis des Lebens auf der Venus.“

Ein zweites Rätsel

Mit leichter Schlagseite und zur Hälfte im Wasser versunken, lag das Flugzeug sechzig Meter vom Ufer entfernt. Richtiger gesagt, nicht das Flugzeug, sondern sein Rumpf.

Als es aufklarte, schoben Melnikow und Wtorow das Plastedach auseinander und atmeten durch ihre Gasmasken die Außenluft. Das war sparsamer, als den kostbaren Sauerstoffvorrat aufzubrauchen, der so lange wie möglich aufgehoben werden mußte. Es blieb ungewiß, wann ihnen die anderen zu Hilfe eilen würden. Das Unterseeboot hatte auf seiner Fahrt zwar vorläufig nirgends Aufenthalt gehabt, aber keiner konnte sich dafür verbürgen, daß dies auch weiterhin so bleiben würde.

Jeden Augenblick konnte es auf unerwartete Hindernisse stoßen.

Eine Sandbank, von weitem nicht zu erkennen, hatte den beiden Fliegern das Leben gerettet. Die Schwimmer waren im letzten Augenblick auf die Sandbank aufgelaufen, als scheinbar nichts mehr den verhängnisvollen Zusammenstoß mit den Felsen verhindern konnte, die von drei Seiten die schmale Bucht um’ gaben.

Alles war innerhalb weniger Sekunden geschehen.

Die beiden Astronauten hatten schon Abschied vom Leben genommen, als sie ein schrecklicher Stoß gegen die Vorderwand der Kabine schleuderte. Melnikow schnitt sich die Stirn am Steuer auf, Wtorow schlug gegen die Instrumententafel, und der zersplitternde Helm zerschnitt ihm Kinn und Wangen.

Mit blutüberströmten Gesichtern standen sie wieder auf und verstanden immer noch nicht, was vor sich gegangen war. Sie wußten nur, daß sie lebten.

Nachdem sie sich gegenseitig verbunden hatten, hielten sie Umschau.

Regungslos lag das Flugzeug auf einer Sandbank im ruhigen Wasser der Bucht. Die Schwimmer hatten sich tief in den Sand gebohrt, und dadurch hatte sich die Maschine trotz des plötzlichen Abbremsens nicht überschlagen können. Das Schwimmergestänge war gebrochen, die Steuerung zerschellt, alle Trossen gerissen.

Die Felsen ringsum schienen aus Granit zu sein. Dunst, der vom Wasser aufstieg, verdeckte die Einzelheiten, aber die Astronauten sahen deutlich Gras oder etwas Grasähnliches, das gelbbraun gefärbt war und an den Steilhängen wuchs. Ein Stück weiter ins Land hinein erhoben sich die Wipfel von Bäumen, von richtigen Bäumen, keinen Korallen. Sie hatten Zweige und Blätter und wiegten sich im Wind. Die hohen Uferfelsen machten es unmöglich, Form und Farbe der Stämme zu erkennen.