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Minuten vergingen, aber der Fluß kam noch immer nicht in Sicht. Da bemerkten die Männer, daß sich der Wald lichtete.

Ebenen dehnten sich, die von Bord des U-Bootes aus nicht zu sehen gewesen waren.

„Wir sind entweder bedeutend weiter südlich oder nördlich des Flusses“, erklärte Melnikow. „Die Gegend kenne ich nicht.“

„Eher wohl nördlich“, antwortete Belopolski. „Wenden wir.“ Melnikow zog die Ruder. Das Schiff beschrieb einen weiten Halbkreis und ging auf Gegenkurs.

Eine halbe Stunde etwa flogen sie an der Küste entlang, ohne auf ein einziges Gewitter zu stoßen. Zwar waren überall finstere Wolkengebirge zu sehen, aber diese schienen ebenfalls nach Süden abzuziehen.

Aus sechshundert Meter Höhe eröffnete sich ein weiter Rundblick, und Belopolski und Melnikow entdeckten zu gleicher Zeit den gesuchten Fluß. Er bog unweit der See scharf nach Nordwesten ab und verschwand hinter einem Waldmassiv. Der Horizont war von dieser Seite mit Gewitterwolken verhangen.

„Immer und überall diese Gewitter“, murrte Melnikow verdrießlich.

Das Landschaftsbild der Venus, ihm längst vertraut, regte ihn diesmal auf. Ähnlich empfanden auch die anderen Genossen.

Alle maßen den bleigrauen Himmel und den’’ orangeroten Küstenstreifen mit trübseligen Blicken. Sie sehnten sich nach etwas, was wenigstens entfernt an die Heimat erinnerte. Aber außer den Wassern des Ozeans war alles von fremder Art.

„Warten wir ab“, murmelte Konstantin Jewgenjewitsch ruhig.

„Wir haben ja keine Eile.“ Mit geringster Geschwindigkeit kreiste das Raumschiff in Küstennähe und wartete, daß die Gewitter abzögen. Bald wurde der Weg frei.

Noch zwanzig Minuten Flug, dann mußten sich in der Ferne die Stromschnellen abzeichnen, die aus der Höhe wie ein dünner weißer Strich aussahen.

„Sehen Sie dort — ein See!“ rief Belopolski plötzlich.

Melnikow warf einen Blick auf den Bildschirm. Tatsächlich war ganz in der Nähe der Stromschnellen inmitten der Bäume ein Waldsee zu erkennen, der, soweit man es aus dieser Entfernung schätzen konnte, einen Durchmesser von zwei Kilometern hatte. Als sie näher kamen, zeigte sich, daß das nördliche Ufer des Sees flach war, das südliche aber steil aus dem Wasser emporstieg. Der Wald reichte beinahe bis ans Wasser heran.

Das Raumschiff glitt hinab zu den Baumkronen. Die Triebwerke arbeiteten mit der für diese geringe Höhe minimalsten Geschwindigkeit, sie betrug aber immer noch über fünfzig Meter pro Sekunde.

Als die „SSSR-KS 3“ den See erreicht hatte, folgte Melnikow der Uferlinie.

„Ich sehe Balken am Nordufer“, teilte Paitschadse durch den Lautsprecher mit.

Er stand zusammen mit den anderen im Observatorium und konnte die Landschaft nicht nur durch den Bildschirm, sondern auch durchs Fenster beobachten.

In diesem Augenblick entdeckte auch Melnikow einen hohen Holzstapel — nicht nur einen, sondern mehrere. Sie lagen gleichweit voneinander entfernt und waren aus ebensolchen Stämmen geschichtet, wie Balandin und er sie an den Stromschnellen gesehen hatten. Aber das Schiff flog so schnell darüber hinweg, daß man sie nicht genau betrachten konnte.

„Ich sehe einen Staudamm aus Holz!“ Saizews Stimme zitterte vor Erregung. Das gleiche meldeten Balandin und Knjasew.

Das Raumschiff flog gerade auf den Westzipfel des Sees zu und drehte, über die linke Tragfläche geneigt, nach Süden.

Weder Belopolski noch Melnikow hatten den Staudamm sehen können.

„Wo sehen Sie einen Staudamm?“ fragte Konstantin Jewgenjcwitsch.

„Er liegt schon hinter uns“, antwortete ihm Balandin. „Aus dem See fließt ein kleiner Fluß ab, den ein Wehr aus fest zusammengefügten Balken absperrt.“

„Dieser See ist noch rätselhafter als die Stromschnellen“, sagte Melnikow. „Aber er ist lang genug. Wir werden hier landen.“

„Auf keinen Fall auf dem Wasser“, entgegnete Belopolski in ungewöhnlichem Tonfall. „Nur am Ufer.“

„Am Ufer ist kein Platz, es ist zu schmal.“

„Dann am Fluß, dort, wo wir ursprünglich landen wollten.“

„Aber warum denn nicht hier?“ fragte Melnikow, jedoch nach einem Blick auf den Kommandanten verstummte er. Solch einen Ausdruck wie in diesem Augenblick hatte er bei seinem Lehrer und Freund noch nie bemerkt. Sein Gesicht war mit tiefen Runzeln bedeckt, er wirkte strenger als sonst, und jeder Zug darin, der Glanz der Augen und das Zittern der Lippen verrieten, daß der Gelehrte zutiefst aufgewühlt war. Unablässig musterte er den spiegelglatten See, und auf seinem Gesicht verhärtete sich gespannte Erwartung.

Reglos lag der See. Nicht das geringste Lebenszeichen war zu erkennen. Ebenso tot lag das flache Ufer, auf dem riesige Bäume und orangefarbene Sträucher wuchsen. Nichts rührte sich. Nur das dichte Laub tanzte im Wind.

Ohne weitere Fragen zu stellen, steuerte Melnikow auf den Fluß zu. Er lag ganz in der Nähe des Sees. Nicht mehr als einen Kilometer entfernt.

Schon als sie das erstemal zu den Stromschnellen kamen, hatte Melnikow eine Stelle ausfindig gemacht, die sich zur Landung eignete. Es war ein langer und breiter Uferstreifen, ein Feld, auf dem das Schiff ungehindert landen und von dem es auch wieder starten könnte. Das Gelände war eben und schien völlig trocken zu sein; dort wuchs das gelbbraune Gras.

„Beeil dich!“ sagte Belopolski. „Ein Gewitter zieht auf!“ Melnikow verständigte die Besatzung durch ein Klingelzeichen von der bevorstehenden Landung.

Als die vorgesehene Stelle in Sicht kam, wurden die Triebwerke abgestellt. Das riesige Schiff glitt, rasch langsamer werdend, auf das Ufer zu. Das schwere Achterschiff sank tiefer.

Kamows Konstruktion, die eine Landung mit Hilfe von Stützarmen vorsah, verlangte vom Piloten äußerste Konzentration und Präzision jeder Bewegung. Das Landemanöver war so schwierig, daß der Autopilot trotz aller Anstrengungen der Konstrukteure den Menschen dabei nicht ersetzen konnte. Belopolski und Melnikow hatten lange Zeit gebraucht, um diese Kunst zu erlernen; denn es war keine Technik mehr, sondern Kunst. Mit außerordentlicher Genauigkeit mußte der Augenblick abgepaßt werden, in dem das Schiff im Zustand labilen Gleichgewichts gleichsam in der Luft stillzustehen schien. In einem kleinen Übungsraumschiff hatten sie Dutzende Male dieses Manöver auf der Erde ausgeführt.

Aber es war unvergleichlich schwieriger, solch ein gigantisches Schiff wie die „SSSR-KS 3“ mit Hilfe der Stützarme zu landen.

Der Kommandant übertrug diese verantwortungsvolle Aufgabe daher in Anbetracht seines Alters dem jüngeren Kollegen, dessen Hand sicherer war und der, wie man allgemein sagte, überhaupt keine Nerven besaß.

Melnikow sah nicht mehr auf den Bildschirm. Er konzentrierte sich ganz auf den Höhenmesser und das Tachometer. Die beiden Zeiger sanken rasch auf Null.

„Eins“, sagte Belopolski gepreßt.

Das hieß, daß das Achterschiff noch einen Meter über dem Erdboden hing. Noch eine Sekunde … zwei Sekunden …

„Die Stützarme“, kommandierte Melnikow.

Belopolski drückte auf einen Knopf.

Sie verspürten einen sanften Stoß — das Heck hatte den Boden berührt. Im selben Augenblick wurden die Stoßdämpfer ausgefahren. Zitternd kam das Raumschiff zum Stillstand. Mächtige Motoren fuhren die Stützarme schnell wieder ein. Die Tragflächen verschwanden in den entsprechenden Aussparungen, und das Schiff legte sich mit seinem ganzen Leib auf den Boden.

„Bravo!“ rief Paitschadse durch den Sprechfunk. „Boris, du bist ein Prachtkerl!“

„Scheint alles glatt gegangen zu sein“, sagte Melnikow zurückhaltend. „Sergej Alexandrowitschs Konstruktion hat die letzte und schwerste Prüfung bestanden.“ Die „SSSR-KS 3“ war genau in der Mitte zwischen Wald und Fluß gelandet. In etwa anderthalb Kilometer Entfernung stromaufwärts lagen die Stromschnellen.