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„Ganz egal!“ sagte Andrejew. „Wir dürfen kein Risiko eingehen. Ich steige sofort aus und werde das Gelände erkunden.“

„Auf keinen Fall!“ erklärte Knjasew bestimmt. „Ich steige aus.“

„Oder ich!“ pflichtete ihm Wtorow bei.

Stepan Arkadjewitsch fuhr auf: „Ich bin der Leiter der Expedition.“

„Trotzdem werden nicht Sie gehen“, sagte der junge Mechaniker entschlossen wie zuvor. „Sie ebensowenig wie Wtorow.

Das fordert eine ganz einfache Rechnung. Wir eilen unseren Genossen zu Hilfe, die vielleicht ärztliche Hilfe brauchen. Sie sind hier der einzige Arzt, und Gennadi Andrejewitsch ist der einzige Kameramann, der überraschend auftauchende Motive filmen muß. Sie haben daher nicht das Recht, ihr Leben ohne zwingenden Grund aufs Spiel zu setzen. Ich werde aussteigen, kein anderer.“ Wahrend er das sagte, zog er hastig seinen Gummianzug an und setzte den Plastehelm auf, um anzudeuten, daß er nichts weiter hören wolle.

„Sascha hat recht!“ bestätigte Melnikow über den Sprechfunk.

Das Gerät war die ganze Zeit über eingeschaltet gewesen, und die Genossen an Bord hatten den Wortwechsel verfolgt.

„Also dann — meinetwegen!“ Andrejew gab nach.

Er und Wtorow setzten die Gasmasken auf, weil beim Öffnen der Tür zwangsläufig die Luft der Venus eindringen würde.

Knjasew stieg aus. Ohne zu zögern, ging er auf den Wasservorhang zu, trat unerschrocken in ihn hinein und entschwand tkn Blicken seiner Kameraden, die ihm besorgt nachsahen.

Sekundenlang war noch verschwommen der Umriß seiner Gestalt zu erkennen, die von den Scheinwerfern angestrahlt wurde.

Dann verschwand er…

Aber es war noch keine Minute vergangen, als Knjasew aus dem Vorhang buchstäblich wieder herausgeschossen kam. Mit einem Satz war er auf seinem Platz, schaltete die Motoren ein und riß den Regler bis zur Höchstgeschwindigkeit durch.

Der Geländewagen stürmte vorwärts, hatte, ehe die beiden anderen es sich recht versahen, die Wassersperre hinter sich gelassen und rollte geradewegs auf den See zu.

In voller Fahrt bog Knjasew scharf nach rechts ab. Die linke Raupenkette hob sich vom Boden, der Wagen legte sich bedenklich auf die Seite. Dann erfaßte der mächtige Lichtstrom der Scheinwerfer eine Szene, bei deren Anblick Andrejew und Wtorow vor Schreck für einen Augenblick das Herz stehenblieb.

Das elektrische Licht zitterte, brach sich in allen Farben an den Regenfäden, verwandelte sie in funkelnde Perlenketten.

Hinter diesem seltsam glitzernden Netz war ganz in der Nähe eine Gruppe erstarrt… Die Menschen der Neuzeit waren verdattert — plötzlich standen vor ihnen lebendig gewordene Ungeheuer der Vorzeit.

Im grellen Scheinwerferlicht verharrten fünf phantastische Gestalten, gewaltige „Schildkröten“, die sich auf die Hinterbeine erhoben hatten, mit grellroten Panzern und disproportional kleinen dreieckigen Köpfen, an denen wie gelbes Feuer je drei riesige kreisrunde Augen leuchteten. Die kahlen, faltigen Leiber glänzten blaßrosa, als wären sie aus Metall. Die dicken Beine schienen keine Zehen zu besitzen. Von oben bis unten waren sie gleich plump und mit fleischigen Hautfalten bedeckt.

Die Vorderbeine dienten ihnen offenbar als Arme. Sie waren ebenso dick und unförmig wie die Füße. An den Enden hatten sie vier Auswüchse, deren jeder so dick wie ein Menschenarm war. Zwischen diesen fingerähnlichen Greifern schimmerten dünne, durchsichtige Häute, was sie gigantischen Entenfüßen ähnlich machte.

Wtorow wußte sofort: Das sind die gleichen „Schildkröten“, die sie vom Unterseeboot aus beobachtet haben. Gerade nach ihnen hatten Balandin und Korzewski emsig gefahndet.

Doch nicht der Anblick dieser Ungeheuer erfüllte die Herzen der drei Tapferen mit Entsetzen. Sie hatten seit langem damit gerechnet, den Bewohnern der Venus Auge in Auge gegenüberzutreten, und nicht angenommen, daß ihre Körperformen denen des Menschen ähnelten. Sie wären beim Anblick selbst noch abscheulicherer und häßlicherer Geschöpfe nicht erschrocken. Aber das Blut erstarrte in ihren Adern, als sie erkannten, daß der große dunkle Gegenstand, den diese Vorzeitungeheuer in den Pranken hielten, nichts anderes als ihr Geländewagen war, an dessen Fenstern sie Belopolski und Balandin erkannten.

Die „Schildkröten“ stapften ins Wasser. An ihrer Absicht konnte nicht der geringste Zweifel bestehen. Sie wollten den Geländewagen mit auf den Grund des Sees nehmen.

Die drei Männer im zweiten Wagen begriffen, daß sie Augenzeugen vom letzten Akt eines Dramas waren, dessen Einzelheiten sie nicht kannten.

Das grelle Licht, das so unvermittelt die gewohnte Dunkelheit vertrieb, hatte die fünf Venusianer innehalten lassen. Einen Augenblick verharrten sie reglos, waren betroffen und vielleicht auch zu Tode erschrocken. Die erbarmungslosen Strahlen der Scheinwerfer mußten ihren auffallend großen, lichtempfindlichen Augen, weh tun.

Der zweite Geländewagen raste geradewegs auf sie zu. Knjasew wollte die ganze Gruppe samt der anderen Maschine anscheinend zermalmen.

All das geschah innerhalb von zwei, drei Sekunden.

Als der Wagen sich den Venusianern schon bis auf drei Schritte genähert hatte, stürmten diese auf einmal, ohne ihre Beute fallen zu lassen, ins Wasser und verschwanden in der Tiefe.

Außer sich vor Verzweiflung und seiner Sinne kaum noch mächtig, riß Knjasew den Bremshebel der linken Raupenkette an sich und — in voller Fahrt raste der Geländewagen aufs Wasser zu.

Zum Glück behielt Wtorow in diesem tragischen Augenblick einen klaren Kopf. Er schaltete blitzschnell beide Motoren aus, entriß Knjasew die Steuerungshebel und brachte das Fahrzeug zwei Meter vom Ufer entfernt zum Stehen. Die überragende Körperkraft des jungen Sportlers war die Rettung gewesen.

Das Raupenfahrzeug stand schon halb im Wasser. Das Ufer fiel hier sehr steil ab. Knjasew faßte sich, legte den Rückwärtsgang ein, und mühsam kletterte der Wagen wieder an Land.

Das Scheinwerferlicht tastete die spiegelglatte Oberfläche des Sees ab. Es hatte aufgehört zu regnen. Weder im Wasser noch an Land rührte sich etwas. Der schwere Wagen lastete wie ein Stein auf den drei Männern. Gleich einem flüchtigen Alptraum war das grausige Bild vom Untergang der beiden Kameraden an ihnen vorübergehuscht.

Langsam hob Wtorow die Hand und schaltete die Scheinwerfer aus.

Das war das Ende! Der Expeditionsleiter und sein Begleiter tödlich verunglückt!

Im Dunkel der Kabine brach Knjasew in Tränen aus. Mit weit aufgerissenen Augen starrten Andrejew und Wtorow immer noch dorthin, wo die widerlichen Reptilien Belopolskis Fahrzeug mit sich in die Tiefe genommen hatten.

Hier also war es dem berühmten Astronauten, dem nach Kamow zweiten „Sternenkapitän“ der Erde, beschieden, sein Leben auszuhauchen… Hier also hatte der berühmte Wissenschaftler Balandin den Tod gefunden!

Das furchtbare Ende war so überraschend gekommen, daß sie lange Zeit weder etwas Sinnvolles zu sagen noch zu tun vermochten. Eine Minute nach der anderen verging, aber die drei Männer rührten sich nicht. Sie waren verzweifelt — die Katastrophe ließ sich nicht wiedergutmachen.

Da leuchtete am Funkgerät das rote Anrufsignal auf.

„Wie steht es bei euch?“ fragte Melnikow ruhig. „Wo seid ihr? Warum laßt ihr so lange nichts von euch hören?“ Sollte man es ihm sagen? Es ging wohl nicht anders. Aber wer sollte dem Schiff die Unglücksbotschaft übermitteln?

Die drei Männer schwiegen.

„Antwortet!“ rief Melnikow, und seine Stimme verriet, daß er unruhig wurde. „Geländewagen! Geländewagen! Antworten!“ Wtorow überwand sich und antwortete: „Ich höre! Wir stehen am Ufer des Sees. Soeben haben…“ Sekundenlanges Schweigen.

„Was ist geschehen? So antwortet doch!“

„Soeben haben jene Schildkröten vor unseren Augen Belopolski und Balandin in ihrem Geländewagen in den See getragen.