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Gleichartige Vorstellungen von einem Gegenstand müssen unausweichlich auch gleichartige Begriffe über dessen Rolle in diesem oder jenem Falle hervorbringen.

Was Wunder also, daß die Venusianer genauso handelten, wie Menschen der Erde es an ihrer Stelle getan hätten. Nur die von Menschen gemachten Gesetze verändern sich und können unterschiedlich sein, die Gesetze der Natur sind überall gleich.

Die Bewohner der Venus wollten, als sie ihr „Brot“ zum Raumschiff brachten, den Fremden sagen, daß sie Frieden anböten.

Ihre Handlungsweise ließ sich gar nicht anders auslegen.

In diesem Sinne äußerte sich der Biologe Korzewski, als sich nach gründlicher Analyse herausstellte, daß die acht Fladen der Reptilien ein Fischgericht darstellten.

Niemand zweifelte, daß dies tatsächlich die Bedeutung des überraschenden Geschenks war. Es war ein Friedenszeichen.

Was dachten die Venusianer über das Raumschiff? Wofür hielten sie es?

„Da sie weder Sonne noch Sterne je gesehen haben, können sie nichts von der Existenz anderer Welten wissen“, sagte Paitschadse. „Sie halten uns für Bewohner ihres eigenen Planeten, die sie bislang nicht gekannt haben.“ Das war durchaus möglich. Auch die Eingeborenen abgelegener Inseln der Erde empfingen einst die ersten Schiffe der Europäer mit Früchten und selbstgefertigten Gegenständen.

Aber warum hatten die Venusianer neben ihr „Brot“ Belopolskis Uhr gelegt? Was bedeutete diese schreckliche Erinnerung an einen Menschen, den sie umgebracht hatten? Die Uhr stand.

Alle Expeditionsmitglieder wußten, daß Konstantin Jewgenjewitsch nie vergaß, sie aufzuziehen. Was bedeutete die Uhr?

Eine Warnung oder ein Zeichen der Reue?

Paitschadse sprach einen Gedanken aus, der allen zugleich kam.

„Sie haben Konstantin Jewgenjewitsch die Uhr abgenommen“, sagte er, „und hierhergebracht, um uns so mitzuteilen, daß die Leichname unserer Genossen bei ihnen liegen. Warum sie allerdings nicht die Leichname mitgebracht haben, weiß ich nicht.

Sie bieten uns an, sie zu holen. Die Fischfladen beweisen, daß sie Frieden wollen und unsere Fahrzeuge nicht mehr angreifen werden. Ich glaube, wir sind verpflichtet, sie ein zweites Mal zu besuchen. Natürlich am Seeufer. Wenn sie herauskommen und uns einladen, können wir ihnen mit dem Schwimmwagen folgen.“ Eine Weile blieb es still in der Messe, in der das Gespräch stattfand. Niemand wagte seine Meinung über eine so verantwortungsvolle Sache zu sagen, ehe sich Melnikow geäußert hatte.

Aber dieser schwieg. Er schien ganz in Gedanken versunken.

„Ich schließe mich Arseni Georgijewitsch an“, sagte Toporkow endlich. „Es ist nicht die Art sowjetischer Wissenschaftler, sich vor Gefahren zu fürchten.“

„Es geht nicht um die Gefahren“, sagte Melnikow und wurde wieder nachdenklich. „Warum sind es acht Fladen?“ fragte er auf einmal. „Kann man das als reinen Zufall betrachten?“ Alle in der Messe sahen sich an. Wahrhaftig! Niemand war aufgefallen, daß die Venusianer genausoviel Fladen geschickt hatten, wie Männer an Bord waren. Für jeden einen!

„Woher können sie das erfahren haben?“ fragte Korzewski unsicher.

„Das ist es ja — woher?“ Melnikow sah die Genossen mit blitzenden Augen an. „Sie haben es erfahren können von…“ Er beendete den Satz nicht, aber alle wußten, was er meinte.

Das rätselhafte Auftauchen der goldenen Uhr, die Belopolski, wie alle wußten, nie liegenließ, konnte etwas ganz anderes bedeuten als das, was sie zunächst gedacht hatten. Er selber hatte sie den Venusianern gegeben. Das konnte heißen: „Zu Hilfe!“ Lebten Belopolski und Balandin etwa noch?

„Auf, zum See!“ rief Paitschadse leidenschaftlich.

„Ja!“ antwortete Melnikow. „Wir müssen sofort zum See fahren. Es kann sein, daß wir uns geirrt haben, aber es kann auch sein, daß unsere Vermutung zutrifft. Zu zögern wäre verbrecherisch.“ Die Entscheidung des Kommandanten war eine Freude für alle. Nur Korzewski zog eine finstere Miene und schüttelte mit dem Ausdruck ernsten Zweifels den Kopf.

„Mit wem könnte Konstantin Jewgenjewitsch über uns gesprochen haben?“ fragte er. „Mit den ›Schildkröten‹? Wie denn?“

„Sascha hat ein Lebewesen gesehen, das wahrscheinlich ein richtiger Venusianer ist“, entgegnete Melnikow. „Wie dem auch sei — wir können nicht am Auftauchen der Uhr vorübergehen, was immer es auch bedeuten mag.“

„Das bestreite ich nicht“, pflichtete ihm der Biologe bei.

Nachdem die Sternfahrer ihren Entschluß gefaßt hatten, holten sie sogleich den größten Geländewagen aus seinem Hangar.

Es war ein robustes Ganzmetallfahrzeug mit zwei Motoren von zweieinhalbtausend PS und zwei getrennten Steuervorrichtungen. Er konnte vorwärts und rückwärts mit gleichhoher Geschwindigkeit fahren und legte hundertzwanzig Kilometer in der Stunde zurück. Die schmalen Fenster, die einen Rundblick nach allen Seiten ermöglichten, waren nicht mit Glas, sondern mit drei Zentimeter dicker Plaste verschalt. Mit seinen auffallend breiten Raupenketten konnte der Wagen sich auch auf sumpfigem Boden bewegen. An der Vorder- und Rückwand waren spitze, seitlich gerichtete Rammsporen angebracht, die die Raupenketten schützten. Der Geländewagen konnte sich durch das dickste Dickicht, das für die anderen Wagen unbefahrbar blieb, einen Weg bahnen. Seine große Länge, acht Meter, bewahrte ihn an Steilhängen davor, sich zu überschlagen, und sein Gewicht, zweiunddreißig Tonnen, schützte ihn vor einem Mißgeschick, wie es Belopolskis Wagen ereilt hatte. Eine derartige Last würden die Reptile schwerlich tragen können.

Das Werk, in dem dieses Fahrzeug gebaut worden war, hatte auch für Bequemlichkeit gesorgt. Im Innern befanden sich sechs Polstersitze, die in Ruhebetten verwandelt werden konnten.

Eine automatische Klimaanlage reinigte und temperierte die Luft. Die Einstiege besaßen Doppeltüren mit eingebauter Luftschleuse. Drei Funkeinrichtungen — ein Hauptgerät, ein Reservegerät und ein Fernsehgerät — sorgten für eine zuverlässige drahtlose Verbindung.

Im Gegensatz zu den bisher auf Raumfahrten verwendeten Geländewagen war dieser bewaffnet. Aus einem besonderen Turm, der sich über dem vorderen Teil des Wagens erhob, ragte ein großkalibriges Maschinengewehr.

Kamow hatte Belopolski dazu bewogen, dieses bewaffnete Fahrzeug „für alle Falle“ mitzunehmen.

„Wer weiß, vielleicht haben wir grundsätzlich falsche Vorstellungen von den Bewohnern der Venus“, hatte er gesagt.

„Nehmen Sie es zu unserer Beruhigung mit.“

„Das sind zweiunddreißig Tonnen überflüssige Last.“

„Einen großen Geländewagen brauchen Sie sowieso.“ Neben dem Maschinengewehr waren auch die Raupenketten in Anbetracht der starken Motoren eine furchtbare Waffe. Wäre das Fahrzeug nicht so robust gewesen, hätte Melnikow die gefährliche Exkursion vielleicht gar nicht gewagt.

Als die Besatzung beriet, wer an der Fahrt teilnehmen solle, entbrannte ein heftiger Streit. Jeder wollte dabeisein. Schließlich mußte Melnikow von seinen Rechten als Kommandant Gebrauch machen.

„Knjasew wird den Wagen fahren“, bestimmte er. „Ihn begleiten Korzewski als Arzt und Wtorow als Kameramann. Die Befehlsgewalt übertrage ich Knjasew.“ Laut Erdkalender war es der 25. Juli, halb acht Uhr morgens, laut Venuskalender aber tiefe Nacht, als der schwere Geländewagen das Raumschiff verließ. Er fuhr langsam zu den Stromschnellen, nachdem er den im Scheinwerferlicht liegenden Uferstreifen hinter sich gelassen hatte. Die an Bord zurückgebliebenen Männer versammelten sich im Observatorium und blickten ihm so lange nach, bis seine Umrisse in der Finsternis der Nacht verschwammen. Aber auch dann blieben sie noch am Fenster stehen und spähten angestrengt in die Ferne.