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Nach zehn Minuten etwa flammte in weiter Ferne ein Scheinwerfer auf — die Kameraden suchten die Schneise. Dann verschwand das Licht. Der Wagen war in den Wald gefahren.

Die fünf Männer gingen hinüber in die Funkkabine. Toporkow schaltete den Bildschirm ein. Sogleich erschien das Bild des Waldweges. Die Fernsehkamera, die auf dem Geländewagen montiert war, trat in Tätigkeit Deutlich zeichnete sich der langsam vorüberziehende Wald ab, der von dem grellen Scheinwerferlicht des Fahrzeuges angestrahlt wurde. Aus dem Lautsprecher erscholl das Gerassel der Raupenketten. Die Männer fühlten sich an der Seite ihrer Genossen. Sie horten jedes Wort, das im Wagen gewechselt wurde, und konnten sich, wenn sie wollten, an der Unterhaltung beteiligen.

Toporkow streckte den Arm aus, um sich in die Unterhaltung einzuschalten, aber Melnikow hielt ihn zurück.

„Wir wollen sie lieber nicht ablenken. Wenn nötig, werden sie selber anrufen.“ Er sprach so leise, als fürchtete er, die Besatzung des Gelandewagens könnte ihn hören. Aber die Sendeanlage war ausgeschaltet.

Schweigend saßen die fünf Männer in der verdunkelten Kabine vor dem hellen Bildschirm und nahmen an jeder Bewegung des mächtigen Raupenfahrzeugs Anteil. Sie schienen mit ihm verschmolzen. Saizew wiegte sich sogar auf seinem Stuhl hin und her, als die Landschaft auf dem Bildschirm erzitterte und schneller vorüberzog. Knjasew fuhr nun bedeutend schneller.

Plötzlich…

Die fünf Männer beugten sich ruckartig vor und unterdrückten einen Schrei.

Hinter einer Wegbiegung, der sich der Wagen schnell näherte, trat überraschend eine Gruppe der Seebewohner hervor. Es waren mindestens zwanzig…

Alle fünf spürten förmlich, wie scharf Knjasew bremste. Die Bäume auf dem Bildschirm kamen zum Stillstand. Ebenso reglos verharrten die Reptile.

Sekundenlang waren deutlich ihre roten Panzer, die faltigen blaßrosafarbenen Leiber und die kleinen dreieckigen Köpfe zu sehen…

Dann erloschen die Scheinwerfer des Wagens. Der Wald versank in völlige Finsternis.

Finsternis schlug auch den Männern in der Funkkabine des Raumschiffes vom Bildschirm her entgegen.

Die Begegnung mit den Venusbewohnern kam für Knjasew und seine Begleiter nicht überraschend. Sie waren jeden Augenblick darauf gefaßt gewesen und hatten sich sogar gewundert, als ihnen an den Stromschnellen keine einzige „Schildkröte“ begegnet war. Die Stapel sahen unberührt aus.

Fast einen Kilometer war der Wagen auf dem Waldweg gefahren, ohne daß sich ein Lebewesen hätte blicken lassen. Zweimal sahen sie ganz am Ende des Lichtkorridors etwas Lebendes hin und her huschen. Aber das ging so schnell und überraschend vor sich, daß keiner genau zu sagen wußte, ob es eine optische Täuschung oder Wirklichkeit war.

„Also gibt es doch eine Tierwelt auf der Venus?“ fragte Korrewski verständnislos. „Und die Lebewesen verlassen bei Nacht ihre Schlupfwinkel?“ Da tauchten plötzlich hinter einer Kurve die zwanzig Venusianer auf.

Knjasew hielt an.

Die Reptile blieben ebenfalls stehen. Sie waren etwa dreißig Schritt entfernt.

Aus dieser kurzen Entfernung konnte man gut Einzelheiten erkennen, die auf dem Bildschirm im Raumschiff nicht zu sehen waren.

An Bord sah man nur, daß „Schildkröten“ auf dem Weg standen. Korzewski, Wtorow und Knjasew aber beobachteten mehr. Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß ihre Augen nicht trogen und vor ihnen keine Gespenster geisterten, sondern etwas Wirkliches stand, frohlockten sie: Das große Geheimnis der Venus lüftete sich endlich.

Korzewski hatte recht gehabt — nicht die „Schildkröten“ waren die Herren des Planeten, nicht sie waren jene vernünftigen Lebewesen, deren Existenz die Astronauten vom ersten Tage an vermutet hatten.

Die riesigen rötlichen Leiber mit den häßlichen roten Panzern auf dem Rücken und den seltsam kleinen dreieckigen Köpfen standen wie eine Mauer quer über die Schneise fest und unerschütterlich. Die vorderen rührten sich nicht und äußerten auch keine feindlichen Absichten. Vielleicht blendete sie das Scheinwerferlicht.

Aber die drei Astronauten beobachteten nicht die Ungetüme, sondern drei sonderbare Geschöpfe, die vor der „Abteilung“ standen. Sie waren vor dem rosafarbenen Hintergrund nicht sogleich zu erkennen.

Kein Zweifel — dies waren die Menschen der Venus.

Sie wirkten neben den gigantischen „Schildkröten“ sehr klein.

Nicht größer als einen Meter. Ihr Körper war mit einer blaßrosafarbenen, fast weißen Haut überzogen und endete in einem kurzen dicken Schwanz. Die zwei Paar Gliedmaßen endeten in drei beweglichen Fingern und Zehen ohne Schwimmhäute. Der Kopf mit mächtig aufgestülpten Lippen und drei riesigen Augen, die nicht an den Seiten, sondern vorn in einer Reihe saßen, ruhte auf einem kurzen Hals. Nah beieinanderstehend, sahen die Augen von weitem wie eine schwarze Binde aus. Auf dem platten, glänzenden Schädel wuchs kein Haar.

Sie standen aufrecht, auf den Schwanz und die unteren Gliedmaßen gestützt, die man Beine nennen konnte. Diese Beine besaßen keine Fußsohlen, sondern nur lange, dicke Zehen.

Was die oberen Gliedmaßen betraf, so blieb kein Zweifel an ihrer Bestimmung. Es waren Arme, glatte, runde Arme, die in breiten Händen mit vier biegsamen Fingern endeten.

In ihren Händen hielten die Venusianer verschiedene Gegenstände.

Der eine hatte einen langen hölzernen Stock bei sich, der einer Lanze ohne Metallspitze glich, der zweite trug ein steinernes Gefäß in Form einer Schale und der dritte genauso ein Lineal, wie es die Astronauten aus der Bucht gefischt hatten.

Dieses Lineal hatte den Menschen die ganze Zeit keine Ruhe gelassen. Nun sahen sie es in den Händen seiner Besitzer.

Wortlos musterten die Menschen eine Weile die Herren des Planeten. Korzewski stellte mechanisch fest, daß ihre Stirn über den drei schwarzen Augen eine markante Wölbung aufwies.

Die Köpfe der „Schildkröten“ dagegen waren flach, ihre Augen funkelten im Dunkeln gelb, so wie sie bei Raubtieren der Erde im Dunkeln grün funkeln.

Obwohl er bislang weder die „Schildkröten“ noch ihre Gebieter gesehen hatte, war dem Biologen Korzewski gefühlsmäßig schon klar gewesen, daß die riesigen Panzertiere keine vernünftigen Wesen sein konnten. Alles, was er über sie gehört hatte, widersprach dem. Nun überzeugte er sich, daß er recht gehabt hatte.

Wtorow und Knjasew dachten das gleiche.

Die Menschen sahen, daß die Venusianer — nicht die „Schildkröten“- beim überraschenden Herannahen des Geländewagens wie angewurzelt stehenblieben. Dann hoben sie die Hände vor die Augen, um sich gegen das Licht zu schützen. Keiner wich einen Schritt zurück.

Die „Schildkröten“ drehten dem Fahrzeug wie auf Kommando den Rücken zu.

Da tat Knjasew, was ein anderer an seiner Stelle vielleicht nicht gewagt hätte: Er stellte die Scheinwerfer ab.

„Gefahr droht uns nicht“, sagte er ruhig und knipste die Kabinenbeleuchtung an. Er wollte die Venusianer gleichsam einladen, näherzutreten und sich die Eindringlinge anzusehen.

„Sie sind so zahlreich, daß sie unser Fahrzeug aufheben und tragen könnten“, sagte Wtorow.

„Das werden sie nicht tun“, entgegnete Knjasew bestimmt und dachte: Sie haben uns doch ihr „Brot“ gebracht.

Draußen war es stockfinster. Die drei Raumfahrer warteten schweigend.

Was die Venusbewohner im Augenblick taten, wußte keiner.

Vielleicht trauten sie sich nicht an die rätselhafte Maschine heran und berieten, was sie tun sollten. Vielleicht störte sie sogar das verhältnismäßig schwache Licht im Innern des Wagens.

Korzewski meinte, letzteres sei am wahrscheinlichsten, und schaltete das Licht aus. Nun wurde das Wageninnere nur vom Armaturenbrett matt bläulich erhellt.