Was sollte Belopolski den Venusianern antworten? Natürlich waren sie willkommen! Sollten sie ruhig das Schiff besichtigen, wenn sie Lust dazu verspürten.
Ihm kam der Gedanke, daß es schön wäre, könnten sie einen Venusianer zur Erde mitnehmen. Aber er verwarf ihn entrüstet im selben Augenblick. Das wäre eine ganz gemeine Vergewaltigung, eines Sowjetmenschen unwürdig. Wie konnte ihm dergleichen einfallen? Er wiederholte die Bewegung des Venusianers, um zu zeigen, daß er einverstanden sei.
Alle drei kehrten zu dem Geländewagen zurück.
„Was werden sie auf unserem Schiff atmen?“ fragte Romanow, als Belopolski von der Absicht der Venusianer berichtete.
„Ganz einfach — Venusluft“, antwortete Konstantin Jewgenjewitsch.
Belopolski stieg ein. Durch Handbewegungen forderte er die beiden Venusianer auf, ihnen zu folgen, aber sie lehnten ab.
Wollten sie damit sagen, daß sie allein kommen würden?
Oder hatte Belopolski sie wieder nicht richtig verstanden? Beides war möglich.
Die Reptile hoben den Geländewagen auf und trugen ihn hinaus. Die Venusianer folgten.
Einsam wie zuvor wirkte die „Stadt“. Aber die Menschen wußten nun, daß dieser Eindruck trog.
Schade, daß wir ihre Wohnungen nicht gesehen haben! dachte Belopolski. — Die Häuser, in denen wir gewesen sind, dienen offenbar nicht als Wohnhäuser. Sie müssen auch Werkstätten besitzen, in denen beispielsweise Schüsseln hergestellt werden.!
Die beiden Menschen wurden an ihrem nur allzu vertrauten „Gefängnis“ vorübergetragen. Schon dachten sie erregt, die Reptile würden sie wieder dorthin zurückbringen und damit endgültig dem sicheren Tod ausliefern. Aber die Tiere gingen an der gefährlichen Stelle vorüber.
Endlich stapften sie in den rosaroten Tunnel und schließlich ins Wasser hinein.
Die beiden Venusianer, die das Raupenfahrzeug begleitet hatten, waren abgebogen und verschwunden.
Fast dreimal vierundzwanzig Stunden hatten die Menschen in der unterirdischen Stadt in Gefangenschaft der Venusianer verbracht. Was war ihnen in dieser Zeit zu Gesicht gekommen? Man könnte sagen — nichts! Was hatten sie von den Venusianern erfahren? Sehr wenig! Das Abenteuer, das sie beinahe das Leben gekostet hatte, brachte ihr Wissen um die Bewohner des Planeten keinen Schritt vorwärts. Das Rätsel war nur noch größer geworden.
Da… Sie erreichten den Grund des Sees, der von dem matten Licht der rätselhaften Bäume erhellt wurde …
Das Ufer…
Die Waldschneise…
Abermals tauchten die Venusianer auf. Sie hatten die Höhle offenbar auf einem anderen Wege verlassen und waren um den See herumgegangen. Konnten sie sich überhaupt nicht unter Wasser aufhalten?
Das Flußufer zeichnete sich ab.
Und endlich erhob sich vor ihnen in der nächtlichen Finsternis ein schwarzer Koloß, ihre zweite Heimat — das Raumschiff.
Der Gefangenschaft Ende
Minutenlang standen die acht Männer wie erstarrt vor dem flimmernden Bildschirm. Freude und Schmerz, Hoffnung und Verzweiflung rangen in ihnen, wechselten einander ab. Sie trauten ihren eigenen Augen nicht und wünschten doch nichts sehnlicher, als daß es wahr wäre.
Was sie sahen, war zu unwahrscheinlich. Daß dort unten der Geländewagen stehen sollte, der unter den Augen von drei Mitgliedern der Schiffsbesatzung in den See getragen worden war, glich einem Märchen.
Noch wenige Minuten zuvor hatte Melnikow gesagt, die Venusianer würden die Toten selber bringen, wenn sie es für nötig erachteten. Und nun stand gleichsam als Antwort auf seine Äußerung der Wagen vor der einen Luftschleuse. In ihm mußten die drei Toten liegen.
Aber die Geräte des Steuerpultes widerlegten eine solche Schlußfolgerung. Das Filtergerät arbeitete, und niemand außer Belopolski, Balandin oder Romanow konnte es eingeschaltet oder auch nur die Luftschleuse betreten haben.
Doch wie war es möglich, daß auch nur einer von ihnen noch lebte, wenn der Sauerstoffvorrat in den Reservoirs des Geländewagens bereits einen Tag zuvor hätte verbraucht sein müssen? Unter Wasser, wo keine Außenluft genutzt werden konnte, war es unmöglich, Sauerstoff zu sparen.
„Vielleicht ist nur einer zurückgekehrt?“ flüsterte Melnikow.
Es war die einzige, zweifellos einleuchtende Erklärung. Für einen Menschen allein hätte der Sauerstoff vierundzwanzig Stunden länger reichen können.
Wer von den dreien kehrte zum Raumschiff zurück?
Von Ungewißheit gepeinigt, verharrten alle auf ihrem Platz, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.
Vor lauter Aufregung war keiner darauf gekommen, einen Scheinwerfer einzuschalten und das Kettenfahrzeug anzustrahlen. Im Halbdunkel der Venusnacht hob es sich nur wie ein verschwommener Schatten ab. Und neben ihm bewegten sich andere Schatten.
Die Schatten von drei Gestalten waren zu erkennen! Drei!
Aber ein Mann befand sich doch schon in der Luftschleuse?
Neben dem Fahrzeug konnten nicht mehr als zwei Männer stehen!
Trotzdem waren es drei Schatten.
Die Sternfahrer beugten sich weit vor zum Bildschirm, und ihre Augen tasteten angestrengt das Halbdunkel ab.
Der eine Schatten… Jetzt erkannten sie in ihm die hochgewachsene Gestalt ihres Kommandanten. Neben ihr bewegte sich etwas. Zwei Lebewesen, deren verschwommene Silhouetten seltsam und ungewöhnlich aussahen.
„Was ist das?“
„Licht an!“ befahl Melnikow.
„Nicht nötig!“ rief Knjasew. „Es sind Venusianer!“
„Ja, stimmt!“ bestätigte Korzewski erregt.
Eine neue Überraschung! Wer hätte das gedacht?
War es den Kameraden etwa gelungen, sich mit den Seebewohnern zu verständigen? Besaßen diese gar eine hochentwickelte Technik, und hatten sie die Menschen mit Sauerstoff versorgt? Sonst könnten doch die Männer in dem Geländewagen gar nicht mehr leben! In der Luftschleuse stand anscheinend Balandin, während Belopolski einstweilen draußen den Fremden Gesellschaft leistete.
Zwei von den drei Männern lebten also. Und obwohl alle Wassili Romanow aufrichtig zugetan waren und bei dem Gedanken an seinen Tod echten Schmerz empfanden, fühlten sie sich ungeheuer erleichtert.
„Wir haben also richtig vermutet“, sagte Toporkow, „das Funkgerät des Geländewagens hat nicht funktioniert, und eine individuelle Sprechfunkanlage besaß keiner.“
„Anders kann es wohl nicht gewesen sein“, antwortete Melnikow seufzend. „Auch am Tod des Genossen Romanow dürfte nicht mehr zu zweifeln sein; denn er hatte Sprechfunk bei sich.“ Alles deutete auf diese traurige Wahrheit hin. Wäre Romanow noch am Leben, hätte er längst gefunkt. Sein Schweigen schloß jeden Zweifel aus. Ein sinnloser Tod. Denn die beiden Menschen, um derentwillen Romanow verunglückt war, lebten.
„Warum legen wir die Hände in den Schoß und grübeln?“ sagte Igor Dmitrijewitsch. „Warum verbinden wir uns nicht über Sprechfunk mit der Luftschleuse?“ Sogar daran hatte bisher keiner gedacht.
„Balandin könnte doch selber die Zentrale anrufen. Warum macht er das nicht?“ Toporkow legte den Hebel herum und drückte auf einen Knopf. Der Steuerbordbildschirm leuchtete auf und zeigte das Innere der Luftschleuse.
Da entrang sich allen ein Schrei der Verwunderung und der Freude.