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Wtorow sah Melnikow fassungslos an. Er war frappiert. Sein Wunsch, den er so quälend geäußert hatte, war sofort und präzise in Erfüllung gegangen.

„Die Wände“, wiederholte Melnikow.

Wie Wtorow fühlte auch er sich plötzlich neu belebt, achtete jedoch nicht darauf. Er wurde von Ungeduld verzehrt. Er wollte sehen! So schnell wie möglich sehen, was draußen vorging!

Das Klopfen hatte wieder aufgehört.

Plötzlich aber ertönte es ganz nahe. Lang, kurz, lang.

Jemand schlug mit einem metallenen Gegenstand gegen die Wandung des Raumes, in dem sie sich befanden.

Lang, kurz, lang. Die Schläge waren deutlich und abgehackt.

Sie wiederholten sich stets in derselben Reihenfolge.

Jetzt bestand kein Zweifel mehr! Dort, ganz nahe, hinter der Wand, war ein Mensch!

„Die Wände, Gennadij“ Wtorow schien nicht zu hören. Er lauschte gespannt, und seine blaß gewordenen Lippen flüsterten: „Wo — seid — ihr. Wo — seid — ihr. Wo — seid — ihr. Das sind Morsezeichen.,Wo seid ihr?‘ heißt das.“ Melnikow schlug mit der Faust gegen die Wand. Sofort hörte das Klopfen auf. Dann ertönte es wieder, fieberhaft schnell.

„Seid ihr noch am Leben?“ übersetzte Wtorow. „Antwortet!“ „Die Wände, Gennadi!“ wiederholte Melnikow flehentlich zum viertenmal.

Gleich darauf verschwand die gelbgraue Wand. Vor ihren Augen tat sich wieder die unendliche Sternenwelt auf, und einen Meter vor sich erblickten sie, hell angestrahlt, einen Menschen im Raumanzug. Unter dem durchsichtigen Helm erkannten sie Knjasews Gesicht.

„Sascha!“ Wtorow stürzte vorwärts, als wollte er den Freund umarmen.

„Er sieht uns nicht“, sagte Melnikow. „Du vergißt, daß die Wände des Raumschiffs nur einseitig durchsichtig sind.“ Tatsächlich zeigte das Gesicht des jungen Mechanikers keine Spur von Freude. Er schien sie zwar anzusehen, klopfte aber immer wieder dieselbe Frage: „Seid ihr am Leben? Antwortet!“ Nicht ein eigens ihretwegen von der Erde ausgeschicktes Raumschiff, sondern die „SSSR-KS 3“ hatte ihnen also Hilfe gebracht. Wie war das möglich?

Melnikow und Wtorow wandten den Kopf fast gleichzeitig in jene Richtung, aus der das grelle Scheinwerferlicht herüberstrahlte.

Ganz nahe, gleichsam eng an den äußersten Ring des „Phaetonen“ gepreßt, erblickten sie den riesenhaften Rumpf der „SSSR-KS 3“ als dunklen, die Sterne verdeckenden Schatten.

Hinter den Fenstern des erleuchteten Observatoriums erkannte man die Gesichter mehrerer Männer, die Knjasew augenscheinlich beobachteten.

Die ungestüme Aufregung, die sich der beiden Gefangenen der Phaetonen bemächtigt hatte, wich ruhiger Freude — jetzt hatten alle Qualen ein Ende.

Das Raumschiff der Phaetonen ist gerettet, dachte Melnikow.

„Antworte!“ befahl er Wtorow mit gewohntem Gleichmut.

„Antworte, sonst wechselt er zu einer anderen Stelle.“ Antworten! Knjasew war ganz nahe. Zwischen ihm und der Wandung des Raumschiffs lagen nur wenige Zentimeter, aber das waren Zentimeter luftleeren Raums. Selbst wenn man mit Kanonen schösse, würde er nichts hören.

Melnikow schien Wtorows Gedanken zu erraten.

„Siehst du denn nicht, daß Sascha die Hand an der Wand hat?“ sagte er. „Er wird die Geräusche spüren. Das genügt vollauf.“ „Womit soll ich denn klopfen?“ Melnikow holte seine Pistole hervor.

„Hiermit.“ Wtorow kannte die Morsezeichen recht gut.

„Wir leben“, klopfte er. Schon beim ersten Schlag sahen sie Knjasew zusammenzucken — er „hörte“. „Wir leben und sind gesund. Wir sehen dich. Habt Dank, liebe Freunde.“ Knjasew wandte den Kopf ein wenig. Seine Lippen bewegten ‘| sich, er sprach mit der „SSSR-KS 3“.

„Kann man zu euch reinkommen?“ Die schnelle Folge der Klopfzeichen verriet die Aufregung des jungen Kosmonauten.

Melnikow überlegte.

Die Tür der zentralen Kugel ließ sich von außen öffnen.

Natürlich würde dabei alle Luft aus ihr entweichen. Ob sie sich erneuerte, wenn der Eingang wieder geschlossen war? Auf jeden Fall jedoch würde sich die Kugel mit Luft aus dem Innern des Raumschiffs füllen, sobald man die Tür zur radialen Röhre öffnete. Es schien also keine Gefahr zu bestehen.

Er selbst morste: „Ja.“ „Paitschadse und Andrejew kommen gerade“, erfolgte rasch die Antwort. „Habt noch ein wenig Geduld. Andrejew bringt Wasser mit.“ Wasser!

Ganz plötzlich verspürten sie heftigen Durst. Ihre Kehlen schienen wie ausgedörrt, und die wenigen Minuten, die sie warten mußten, dünkten ihnen unerträglich lang.

Weshalb hatten sie bisher den Durst nicht so quälend empfunden?

Wasser! Welch herrliches Getränk!

Sie sahen, wie durch die rechteckige Tür der Luftschleuse trübes Licht aus dem dunklen Leib der „SSSR-KS 3“ fiel. Zwei Gestalten kamen heraus und näherten sich rasch im Licht des Scheinwerfers. Ein grünlicher Gasstrahl bezeichnete ihren Weg.

Im luftleeren Raum pflegten sich die Kosmonauten mit Hilfe des Ruckstoßes von Gaspistolen vorwärts zu bewegen.

Wtorow sah das phantastische Schauspiel zum erstenmal in seinem Leben. Die beiden Raumschiffe rasten nach wie vor mit kaum vorstellbarer Geschwindigkeit dahin. Zwischen ihnen aber bewegten sich frei und ungesichert, ohne zurückzubleiben, drei Menschen in großen, unförmigen Raumanzügen.

Wtorow kannte natürlich das eiserne Gesetz der Trägheit. Er hätte jedem erschöpfend darüber Auskunft geben können, wie es sich auswirkt und weshalb Menschen, die sich von ihrem Raumschiff gelöst haben, dennoch mit ihm weiterfliegen.

Aber es ist ein großer Unterschied, ob man etwas weiß oder ob man mit eigenen Augen sieht, wie sich ein wohlbekanntes physikalisches Prinzip in der Realität auswirkt. Kann man das Gesetz der Trägheit doch auf der Erde nie in so reiner Form beobachten.

So verfolgte der junge Ingenieur denn mit angehaltenem Atem die Bewegungen seiner Kameraden. Nicht daß er befürchtete, sie könnten plötzlich zurückbleiben und im All verschwinden.

Er wußte, daß das im absolut luftleeren Raum unmöglich war.

Dennoch hatte er ein wenig Angst. Es war eben sehr schwer, sich von den gewohnten Vorstellungen zu lösen.

Melnikow und Wtorow begaben sich zur inneren Wandung des Ringes. Von hier aus war das Zentrum des Phaetonenraumschiffs gut sichtbar. Die „SSSR-KS 3“ leuchtete mit ihren grellen Scheinwerfern den Kosmonauten Paitschadse, Andrejew und Knjasew, die sich an der Kugel eingefunden hatten. Sie sahen aus wie Falter, die um eine brennende Lampe herumflattern.

„Gehen wir ihnen entgegen“, schlug Wtorow vor.

„Ja, natürlich“, erwiderte Melnikow. „Ohne deine Hilfe bekommen sie ja die Tür zur radialen Röhre nicht auf. Ich nehme an, daß sich die Luft in der Röhre beim Öffnen nicht allzusehr verdünnt, weil ihr Rauminhalt bedeutend größer ist als der des Zentrums.“ „Aber vielleicht öffnet sich die Tür überhaupt nicht, sobald das Zentrum luftleer ist.“ „Das glaube ich nicht. Die Phaetonen müssen ein Verlassen des Schiffs im luftleeren Raum vorgesehen haben. Die zentrale Kugel spielt hier wahrscheinlich die Rolle unserer Luftschleuse.

Ich nehme an, daß sie sich nach Schließung der Außentür sofort wieder mit Luft füllt.“ „Gehen wir.“ Zum erstenmal seit dem Start entfernten sich Wtorow und Melnikow vom Steuerraum. Die Kameraden waren in der Nähe, jetzt brauchten sie nichts mehr zu befürchten.

Gehorsam und präzise öffneten sich auf Wtorows nun schon erfahrenen und sicheren Befehl die Türen. Die Wandung der ladialen Röhre wurde durchsichtig, sobald sie sie betraten.

Vor der letzten Zwischenwand machten die Freunde halt. ‘ Dahinter lag nun das Zentrum. Es ohne Raumanzug zu betreten, hätte Selbstmord bedeutet. Bei geöffneter Außentür herrschte in der Kugel Luftleere, und ein ungeschützter menschlicher Körper mußte kraft seines inneren Druckes sogleich explodieren.