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Danach erwies sich Belopolskis Entschluß als natürlich und folgerichtig. Aber was würde Kamow antworten?

Sie mußten lange warten. Kamow mußte erst telefonisch verständigt und zur Funkstation geholt werden. In Moskau war es jetzt fünf Uhr morgens.

Endlich übermittelte die deutliche Stimme des Funkers die Antwort des Direktors des Kosmischen Instituts und des Vorsitzenden der Regierungskommission: „Hier ist Kamowsk. An Melnikow. Gratulieren zur glücklichen Befreiung aus phaetonischer Gefangenschaft. Übermitteln Sie der Besatzung der ‚SSSR-KS 3‘ unseren Dank für ihre selbstlosen Bemühungen zur Rettung des Kommandanten und seines Begleiters. Die Entscheidung, daß Belopolski an Bord des,Phaetonen‘ geht, halten wir für richtig. Überdenken Sie noch einmal die Frage, ob das phaetonische Raumschiff auf der Erde landen soll. Vielleicht ist es besser, zunächst eine Probelandung auf einem Himmelskörper mit geringerer Anziehungskraft auszufuhren. Zum Beispiel auf dem Mond. Die endgültige Entscheidung überlassen wir Ihnen.,SSSR-KS 3‘ hat unmittelbar Kurs auf die Erde zu nehmen. Glückliche Heimkehr. Kamow. Woloschin. Achtung! Auf persönliche Bitte von Frau Melnikow übermittle ich folgenden Funkspruch:,Bin glücklich. Küsse dich. Olga.‘ Ende.“ „Habe verstanden“, antwortete Toporkow wie gewöhnlich.

„Es ist entschieden!“ sagte Melnikow nachdenklich. Er seufzte. „Na schön, vielleicht ist es besser so. Ich habe zwar davon geträumt, den ‚Phaetonen‘ selber zur Erde zu bringen. Aber es soll nicht sein!“ „Belopolski schafft es schon“, meinte Saizew.

„In welchem Ton Sie das sagen, Konstantin Wassiljewitsch.

Natürlich schafft er es, und weit besser als ich. Belopolski bleibt Belopolski, was auch geschehen sein mag. Das Ganze war das Ergebnis einer zweifellos vorübergehenden, wenn auch unbegreiflichen seelischen Depression bei ihm. Wir werden doch wieder unter seinem Kommando fliegen.“ Saizew und Toporkow wechselten einen stummen Blick. Melnikow begriff also noch immer nicht, daß Belopolski als Kommandant eines Raumschiffs nicht mehr tragbar war. Selbst Kamows Antwort hatte ihn nicht davon überzeugt.

„Hoffen wir, daß es so ist“, sagte Toporkow ausweichend.

„Zweifellos ist es so!“ Melnikow verließ den Funkraum. Es lag ihm schwer auf der Seele, wie er Belopolski die Antwort von der Erde beibringen sollte. Den schroffen Ton dieser Antwort zu mildern war unmöglich. Belopolski hatte jederzeit die Möglichkeit, den automatisch auf Tonband aufgenommenen Funkspruch abzuhören. Er mußte die Wahrheit sagen, wie schwer es ihm auch fiel.

Aber Belopolski machte es ihm leicht. Er stellte keine Fragen.

Offensichtlich war er sich über Kamows Antwort schon vorher im klaren gewesen.

„Siehst du!“ sagte er, als Melnikow wieder im Steuerraum erschien. „Der Funkspruch war unnötig. An Tatsachen läßt sich nun mal nicht rütteln. Und wie hast du hinsichtlich des,Phaetonen‘ entschieden?“ „Sergej Alexandrowitsch hat Ihrer Bitte entsprochen. Es ist ja auch bedeutend schwerer, den,Phaetonen‘ zur Erde zu bringen als die,KS 3‘“, fügte Melnikow hinzu, um den Urteilsspruch über den ehemaligen Kommandanten möglichst zu mildern. „Sie sind dieser Aufgabe besser gewachsen.“ „Danke für die gute Absicht“, erwiderte Belopolski mit einem bitteren Lächeln. „Aber ich brauche keinen Trost. An Kamows Stelle hätte ich genauso gehandelt. Doch kommen wir zur Sache.

Hältst du es für möglich, daß der,Phaetone‘ direkt zur Erde fliegt?“ „In dem Funkspruch empfehlen Sergej Alexandrowitsch und Woloschin…“ „… ein wenig zu trainieren“, unterbrach ihn Belopolski. „Ich habe gerade darüber nachgedacht. Wtorow muß unbedingt Erfahrungen im Landen sammeln.“ „Ob der Mond geeignet ist?“ „Ich fürchte, nein. Die Gravitationskraft auf seiner Oberfläche ist nur sechsmal geringer als auf der Erde. Das ist noch zu gefährlich. Wir brauchen einen kleineren Himmelskörper.“ „Einen Asteroiden?“ „Ja, das wäre das beste.“ „Welchen?“ „Die Ceres. Sie befindet sich gerade in einer günstigen Stellung. Bis zu ihr ist es verhältnismäßig nahe. Der ‚Phaetone‘ hätte etwa dreihundert Millionen Kilometer zu fliegen, ebensoviel auf dem Rückweg. Wir wissen, daß er eine Geschwindigkeit von fünfzig Kilometern in der Sekunde entwickeln kann, vielleicht auch noch mehr. Er brauchte also schlimmstenfalls zwei Monate und für den Flug von der Ceres zur Erde noch einmal genausolange. Die Gravitationskraft des Asteroiden beträgt nur ein Neunundzwanzigstel der irdischen. Das geht schon eher für den ersten Versuch. Nach der Ceres landen wir dann auf dem Mond. Und erst dann auf der Erde. Ich glaube, diesen Weg müssen wir einschlagen, wenn wir den ‚Phaetonen‘ erhalten wollen. Was meinst du?“ „Ich muß noch mal bei Kamow anfragen.“ „Du bist der Expeditionsleiter und kannst selbständig Entscheidungen treffen. Du mußt lernen, nach eigenem Gutdünken zu handeln.“ Außerstande, sich länger zurückzuhalten, umarmte Melnikow den alten Wissenschaftler.

„Wenn Sie wüßten“, sagte er, „welchen Kummer Sie mir mit Ihrem Entschluß bereitet haben.“ „Ich weiß, Boris. Aber ich kann dich trösten, indem ich dir ein kleines Geheimnis verrate. Noch auf der Erde ist entschieden worden, daß dieser Flug zur Venus deine letzte Prüfung sein sollte. Danach erwartet dich sowieso die offizielle Ernennung zu einem Ersten Kapitän der sowjetischen Raumflotte.

Nun ist das nur etwas früher passiert. Kamow und ich sind alt.

Die Prüfung hast du bestanden. Glänzend sogar. Du erinnerst dich, daß ich dir auf dem Weg zur Venus zeitweilig das Kommando überließ. Das geschah mit Absicht.“ Belopolski wandte sich ab und starrte eine Zeitlang auf den Bildschirm, als müsse er Kräfte sammeln für ein Letztes, das er seinem Schüler sagen hatte. „Denk stets daran, Bons: Der Kommandant eines Raumschiffes muß in allen Situationen Ruhe bewahren. Nichts darf ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Diese wichtigste Eigenschaff eines Kosmonauten entwickle unermüdlich in dir. Es fällt dir ja nicht schwer. Und nimm niemand mit an Bord, der dir besonders teuer ist. Sonst ergeht es dir so wie mir. Schlimm, sehr schlimm. Und nun leb wohl. Ich gehe gleich an Bord des,Phaetonen‘.“ Bald war die Arbeit in vollem Gange.

Das phaetonische Raumschiff für einen längeren Flug unter Leitung von Nichtphaetonen auszurüsten, stellte keine einfache Aufgabe dar. Seine Räume waren für die Aufnahme von irdischen Apparaten und Instrumenten schlecht geeignet. Saizew, Romanow, Knjasew und auch Belopolski selbst mußten viel Findigkeit und Einfallsreichtum beweisen, um die notwendigsten Navigationsinstrumente unterzubringen, ohne die sie den sechs-.

monatigen Flug unmöglich wagen konnten. Nur gut, daß sie kein Radargerat brauchten — das Raumschiff besaß ja Automaten, die für Flugsicherheit sorgten. Aber mit dem Teleskop gab es viel Schwierigkeiten. In den Ersatzteilkammern der „SSSR-KS 3“ fand sich ein kleineres Reserveteleskop, das in langer, muhseliger Arbeit in einem der Räume neben dem phaetonischen Steuerraum installiert wurde. Das Raumschiff selbst verfügte zweifellos auch über optische Geräte, aber niemand wußte, wo sie sich befanden, wie sie aussahen und vor allem, wie man damit arbeiten mußte. Und ohne optische Hilfsmittel zur Ceres zu fliegen war unmöglich. Auch wurde so etwas wie ein Befehlspult eingebaut, mit dessen Hilfe Belopolski Wtorow genaue Instruktionen geben konnte.

Die Kosmonauten ließen sich Zeit bei der Arbeit, da sie wußten, daß ein Fehler nicht wiedergutzumachende Folgen haben und zu einer Katastrophe fuhren konnte. Ein Zeitverlust war nicht zu befurchten, da beide Raumschiffe in der erforderlichen Richtung flogen.

Weder Korzewski noch Wtorow sagten etwas, als sie von dem überraschenden Auftrag horten, mit dem „Phaetonen“ zur Ceres zu fliegen. Er stimmte sie nur ein wenig traurig, da sie nun erheblich später zur Erde zurückkehren wurden. Doch sie wußten, daß es notwendig war. Und für Kosmonauten besaß das Wort „notwendig“ große Überzeugungskraft.