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Alle zehn Meter wurde der Korridor durch ein Schott abgeteilt. Im Augenblick standen die Türen offen. Aber den Türrahmen bildete jeweils eine hohe Schwelle, über die man hinwegsteigen mußte. Es war ermüdend.

„Wie unbequem“, äußerte Olga.

„Dafür ist es beim Flug sehr bequem“, entgegnete Melnikow.

„Hier ist meine Kajüte“, setzte er hinzu. „Hineingehen können wir jetzt nicht, aber wir können sie uns ansehen.“ Die Tür war ebenso rund wie die Schotte im Korridor, aber sie war als Schiebetür gebaut. Der untere Rand des Türrahmens befand sich in Brusthöhe Olgas, und sie spähte wie durch ein Fenster in die Kajüte hinein.

Die Kajüte hatte Kugelgestalt und maß fünf Meter im Durchmesser. Ihre Wände waren ebenso gepolstert wie die des Korridors. Bloß waren die „Lederkissen“ hier nicht braun, sondern hellgrau. Die Einrichtung konnte nur mit Vorbehalt als solche bezeichnet werden. Gewöhnliche Gegenstände wie Stühle, Sessel oder eine Couch fehlten. Weder Bett noch Tisch standen in diesem Raum. Der Tür gegenüber befand sich eine große Schalttafel mit zahlreichen Vorrichtungen, drei Hähnen und mindestens dreißig Knöpfen und Hebeln. Dicht daneben hing ein großes Netz mit Metallspangen. Etwas, was entfernt an einen Schrank erinnerte, befand sich an der einen Seite der Schalttafel.

Der Gegenstand hatte ellipsoide Form und besaß eine Flügeltür, die ihn einem Schrank ähnlich machte. Ein fast gleicher Gegenstand stand auf der anderen Seite der Kajüte. Neben der Tür entdeckte Olga ein lackiertes Holzbrett, das in Lederschlaufen hing. Die Kajüte wurde von sechs Lampen erhellt, wie sie auch im Korridor hingen. Vom „irdischen“ Standpunkt aus waren sie völlig unsinnig installiert. Sie bedeckten in gleichen Abständen die ganze Oberfläche dieser Kugel, die sich Kajüte nannte, aber in nichts dem glich, was man sonst unter diesem Wort verstand. Hineingehen konnte man nicht, es sei denn, man hätte sich an der weichen Wand hinabgleiten lassen.

„Karg und ungemütlich.“ Olga warf ihrem Mann einen spöttischen Blick zu. „Erkläre mir doch bitte einmal, was das hier alles ist.“ „Wahrhaftig“, sagte Orlow, „vom Standpunkt eines Uneingeweihten wirkt dieser Raum ziemlich wunderlich.“ Melnikow lachte.

„Trotzdem gibt es darin nichts Wunderliches“, sagte er. „Es ist eine schöne und bequeme Kajüte. Freilich nur beim Flug, wenn die Schwerkraft entfällt. Man hat alles, was man braucht.

Verstehen Sie — in der Schwerelosigkeit gibt es weder unten noch oben. Man kann sich ganz bequem mitten in der Luft niederlassen, kann nirgendwohin fallen. Dieses Netz dort ist mein Bett, und darin werde ich bequemer als in einem Daunenbett ruhen. Denn wieviel Federn und Daunen man auch unter sich betten mag, der Körper wird dennoch auf ihnen lasten, im Bereich der Schwerelosigkeit aber drückt der Körper auf nichts.

Man kann sich auf spitze Nägel legen und wird nichts spüren.

Wir könnten auch einfach in der Luft schlafen, doch wenn sich das Schiff um die eigene Achse dreht, was in regelmäßigen Zeitabständen geschieht, damit der Schiffsrumpf von den Strahlen der Sonne gleichmäßig erwärmt wird, ließe die Zentrifugalkraft den Menschen durch die ganze Kajüte ‚wandern‘. Deshalb empfiehlt es sich, in den Netzen zu schlafen, die an der Wand befestigt sind. Die Möbelstücke, die ihr so verdutzt betrachtet, sind tatsächlich Schränke, und sie dienen zur Aufbewahrung von Kleidungsstücken. Die ungewöhnliche Form rührt daher, daß sie nicht Fächer, sondern weiche, mit Stoßdämpfern versehene Zellen besitzen. In diesen Zellen werden während des Starts, wenn die Schwerkraft das normale Maß weit übersteigt, die zerbrechlichen Gegenstände aufbewahrt. Ja, hier hat man alles wohl überlegt. Dieses Brett dort ist mein Tisch. Ich kann ihn Während des Fluges in jede beliebige Lage bringen, und er fällt nicht um. Gewöhnliche Tische, Stühle und dergleichen wären im Bereich der Schwerelosigkeit nutzlos. Allerdings haben wir einige dennoch an Bord.“ „Zu welchem Zweck?“ „Wir werden sie auf der Venus brauchen. Wenn das Raumschiff auf dem Planeten landet und eine bestimmte Lage einnimmt, werden in den Kajüten provisorische Regale angebracht und Möbel aufgestellt. Wir werden auf der Venus immerhin ziemlich lange Zeit bleiben — da müssen wir für eine gewisse Bequemlichkeit sorgen.“ „Und wozu dient diese Schalttafel in deiner Kajüte?“ fragte Olga.

„Es gibt an Bord eine Kommandozentrale“, antwortete Melnikow, „eine Kommandobrücke, wie wir das nennen. Dort befindet sich das Hauptsteuerpult. Ebensolche Pulte sind noch an drei anderen Stellen eingebaut: auf der Reservekommandobrücke, in der Kajüte des Kommandanten, das heißt Belopolskis, und in meiner. Wie du siehst, liegt meine Kajüte unten und Belopolskis oben. Die Hauptkommandobrücke liegt weiter vorn, die Reservebrücke im Achterschiff.“ Melnikow ereiferte sich bei seinen Erklärungen und vergaß alle Vorsicht seiner Frau gegenüber. „Das ist deswegen so eingerichtet, weil es bei einer Raumfahrt zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommen kann. Man muß das Schiff von verschiedenen Stellen aus steuern können.“ Olga sah ihren Mann unverwandt an. „Und du willst mir wie mein Vater immer einreden, die Fahrten in den Kosmos seien völlig ungefährlich. Das paßt schlecht zu dem, was du zuletzt gesagt hast.“ Orlow eilte seinem Kollegen, der sich verplappert hatte, zu Hilfe und entgegnete: „Darin liegt doch keinerlei Widerspruch!

Vernünftige Vorsicht ist nicht mit dem Vorhandensein von Gefahren gleichzusetzen. Meiner Meinung nach ist der Flug mit einem Raumschiff nicht gefährlicher als der Flug mit einem Flugzeug, in dem es immerhin auch Fallschirme gibt. Übrigens habe ich sogar Angst, mit einem Flugzeug zu fliegen“, schloß er lächelnd.

Aber Olga ging nicht auf den scherzhaften Ton ein. Schweigend wandte sie sich ab und setzte den Rundgang fort, Orlow und der über seinen Fehler untröstliche Melnikow folgten ihr.

Olga ärgerte sich über sich selbst. Was sie soeben gesagt hatte, war ihr gleichsam versehentlich, gegen ihren Willen, entschlüpft, und sie bedauerte es, weil sie wußte, daß ihr Mann nicht gern über die Gefahren seiner Arbeit sprach. Wozu auch darüber sprechen? Wußte sie etwa nicht, wen sie geheiratet hatte? Obwohl voller Erregung und Unruhe, war sie doch stolz auf seine Arbeit und liebte ihn wegen seiner ruhigen Unerschrockenheit und seiner Liebe zu seinem Beruf.

Die Besichtigung des Raumschiffes dauerte über zwei Stunden.

Sie gingen in das Observatorium, in die Messe und auf die Kommandobrücke. Sogar eine Rote Ecke gab es an Bord dieses Giganten.

An der Expedition auf die Venus sollten zwölf Personen teilnehmen, und jeder von ihnen hatte seine eigene Kajüte; sie waren nicht alle so groß wie die Belopolskis oder Melnikows, aber doch ziemlich geräumig. Außer den Wohnkajüten gab es Laboratorien, Lagerräume und verschiedenes Nebengelaß. Das Fassungsvermögen des Schiffes schien unermeßlich zu sein.

Melnikow zeigte ihnen „Hangars“, in denen zwei Düsenflugzeuge mit eingezogenen Tragflächen, mehrere geländegängige Kraftwagen verschiedener Größe und sogar ein kleines Unterseeboot standen.

Das Ausmaß der Expedition machte auf Olga einen großen Eindruck.

„Ich hätte nie gedacht, daß euer Raumschiff so reich ausgestattet ist“, sagte sie. „Wozu braucht ihr das U-Boot?“ „Zu unserem Plan gehört die Erforschung des Ozeans auf der Venus“, antwortete Melnikow. „Wir führen auch Taucheranzüge einer besonderen Konstruktion mit. Sie sind die neueste Erfindung und werden uns sehr nützen. Wenn du Lust hast, zeige ich sie dir.“ „Die Taucheranzüge sind für die Professoren Balandin, Korzewski und Romanow bestimmt“, erklärte Orlow. „Boris Nikolajewitsch und ich werden sie nicht benützen.“ Er sagte dies wie nebenbei, aber Melnikow merkte, daß der Astronom ein zweites Mal einen Fehler gutmachen wollte, der ihm unterlaufen war, und er schalt sich in Gedanken. Wie hatte er außer acht lassen können, daß diese für ihn interessanten Einzelheiten Olga in Aufregung versetzen mußten.