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«Hat sie eine Abtreibung machen lassen?«

Fitzgerald schüttelte den Kopf.»Nein. Harry hat sie natürlich dazu gedrängt abzutreiben, aber sie hat abgelehnt. Es kam zwischen den beiden zu einem schrecklichen Streit. Er gab vor, sie zu lieben und sie heiraten zu wollen — was er natürlich bereits Dutzenden von Frauen erklärt hatte. Doch diesmal hatte Emily Harrys Beteuerungen mitgehört und hat sich noch in der gleichen Nacht das Leben genommen.«

«Wie gräßlich. Und was ist aus der Gouvernante geworden?«

«Rosemary Nelson ist von der Bildfläche verschwunden. Wir wissen, daß sie im St.-Josephs-Krankenhaus in Milwaukee eine Tochter zur Welt gebracht hat und ihr den Namen Julia gab. Sie hat Harry damals benachrichtigt, doch ich glaube, er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht zu antworten, denn zu der

Zeit hatte er sich längst mit einer anderen Frau eingelassen, und an Rosemary hatte er keinerlei Interesse mehr.«

«Wie reizend… «

«Die eigentliche Tragödie geschah später, denn die Kinder haben Harry, völlig zu Recht, für den Selbstmord ihrer Mutter verantwortlich gemacht. Zu dieser Zeit waren sie zehn, zwölf und vierzehn Jahre alt gewesen, alt genug, um Leid und Trauer zu empfinden, doch zu jung, um gegen den Vater vorzugehen. Sie haben ihn gehaßt. Harrys größte Sorge war, daß seine Kinder ihm eines Tages genau das antun würden, was er mit seinem Vater gemacht hatte. Also hat er alles getan, um zu verhindern, daß es dazu kommen könnte. Er hat sie von zu Hause weggeschickt, voneinander getrennt in verschiedenen Internaten untergebracht und es so einzurichten verstanden, daß sie sich möglichst selten sahen, und sie haben von ihm kein Geld bekommen. Sie lebten von einem kleinen Treuhandvermögen, das sie von der Mutter geerbt hatten. Er hat sie immer nur nach der Methode >Zuckerbrot und Peitsche< behandelt, hat ihnen sein Vermögen als Zuckerbrot vor die Nase gehalten und alle Versprechungen jedesmal sofort wieder zurückgenommen, wenn sie ihn ärgerten.«

«Was ist aus den Kindern geworden?«

«Tyler ist Richter am Bezirksgericht in Chicago. Woodrow macht gar nichts — ein Playboy, der sein Leben in Hobe Sound mit Polo- und Golfspielen verplempert. Vor ein paar Jahren hat er in einem Schnellrestaurant eine Kellnerin aufgelesen, die er geschwängert und dann zur allgemeinen Verblüffung geheiratet hat. Kendall ist mittlerweile eine erfolgreiche Modedesignerin und mit einem Franzosen verheiratet. Die beiden leben in New York. «Fitzgerald stand auf.»Steve — bist du schon einmal in Korsika gewesen?«

«Nein.«

«Ich wäre dankbar, wenn du hinfliegen würdest. Man hält dort Harry Stanfords Leiche fest, die Polizei verweigert die

Freigabe. Bitte, bring die Sache in Ordnung.«

«Selbstverständlich.«

«Falls du's einrichten könntest, heute noch…«

«Gut. Ich werde es möglich machen.«

«Danke, ich weiß deinen Einsatz zu schätzen.«

In der Linienmaschine der Air France von Paris nach Korsika las Steve Sloane einen Reiseführer — er hatte gar nicht gewußt, daß Ajaccio, die größte Stadt der überwiegend gebirgigen Insel, der Geburtsort Napoleons war. Das Buch enthielt überhaupt eine Menge interessanter Informationen und Statistiken; von der Schönheit der Insel war Steve dann trotzdem völlig überwältigt. Beim Anflug fiel ihm, tief unten, ein hoher, solider Wall weißer Klippen auf, der ihn an die englische Felsküste bei Dover erinnerte. Einfach atemberaubend.

Am Flughafen von Ajaccio stieg Steve in ein Taxi, das ihn über den Cours Napoleon, der Hauptstraße, die sich vom Place General-de-Gaulle in nördlicher Richtung bis zum Bahnhof erstreckt, ins Zentrum der Stadt brachte. Steve hatte alle nötigen Vorbereitungen getroffen; auf dem Flughafen stand eine Maschine bereit, die Harry Stanfords Leiche nach Paris fliegen würde, wo der Sarg in ein Flugzeug nach New York umgeladen werden sollte. Jetzt gab es für Steve nur noch eines zu tun: die Freigabe der Leiche zu erreichen.

Steve ließ sich am Cours Napoleon vor der Prefecture absetzen, ging eine Treppe hinauf und betrat den Empfangsraum, wo ein uniformierter Sergeant hinter dem Schreibtisch saß.

«Bonjour. Puis-je vous aider?«

«Wer ist hier verantwortlich?«

«Capitaine Durer.«

«Bitte, ich möchte ihn gern sprechen.«

«Und in welcher Angelegenheit?«

Steve zückte seine Visitenkarte.»Ich bin Harry Stanfords Anwalt und bin gekommen, um seine Leiche in die Vereinigten Staaten zu überführen.«

Der Sergeant zögerte.»Einen Augenblick, bitte. «Er verschwand in Capitaine Durers Amtszimmer und zog die Tür hinter sich zu, denn hier herrschte ein dichtes Gedränge; aus aller Welt waren die Fernsehreporter und Journalisten der Nachrichtenagenturen gekommen; und alle sprachen durcheinander.

«Capitaine — warum hat er sich in dem Sturm auf See befunden, obwohl doch… «

«Wie läßt sich das überhaupt erklären, daß er mitten in der Nacht von der Jacht ins Meer…«

«Gibt es irgendwelche Hinweise, daß es sich hier um ein Verbrechen handeln könnte?«

«Haben Sie eine Autopsie angeordnet?«

«Wer hat sich sonst noch auf dem Schiff…«

«Bitte! Meine Herrschaften. «Capitaine Durer hob die Hand.»Bitte, meine Herrschaften. Bitte!«Er ließ den Blick durch den Raum wandern, über die Gesichter der vielen Reporter, die ihm jedes Wort von den Lippen abzulesen suchten — und geriet vor lauter Begeisterung fast ins Schwärmen. Von solch einem Augenblick hatte er schon immer geträumt. Wenn ich mich jetzt richtig verhalte und alles unter Kontrolle behalte, müßte mir das eigentlich einen gewaltigen Karrieresprung sichern und…

Er wurde in seinen Gedanken von dem Sergeanten unterbrochen.»Capitaine…«, flüsterte ihm der Sergeant ins Ohr und überreichte ihm Steve Sloanes Visitenkarte.

Capitaine Durer musterte sie kurz und reagierte schroff.»Ich habe jetzt keine Zeit für ihn«, bellte er.» Sag ihm, daß er morgen früh um zehn wiederkommen soll.«

«Jawohl, mon Capitaine.«

Capitaine Durer schaute dem Sergeanten nach, der den Raum verließ. Er hatte nicht die Absicht, sich diesen Moment des

Ruhms nehmen zu lassen — von niemandem. Er wandte sich mit einem selbstzufriedenen Lächeln den Reportern zu.»Also, was haben Sie wissen wollen…?«

Im Vorraum mußte Steve Sloane hören:»Bedaure, aber Capitaine Durer ist momentan sehr beschäftigt. Er bittet Sie, sich morgen früh um zehn Uhr zur Verfügung zu stellen.«

Steve Sloane betrachtete den Sergeanten mit einem Ausdruck ungläubigen Entsetzens.»Morgen früh? Aber das ist doch lächerlich! So lange will ich nicht warten.«

Der Sergeant zuckte mit den Schultern.»Ganz wie Sie wünschen, Monsieur.«

Steve machte eine finstere Miene.»Na gut. Ich hatte kein Zimmer gebucht. Können Sie mir ein Hotel empfehlen?«

«Mais oui.« Er sprach plötzlich englisch.»Ich beärrre mich, Ihn' das Colomba empfohlen zu haben. Avenue de Paris, Nummer acht.«

Steve zögerte.»Gäbe es nicht vielleicht doch eine Möglichkeit…«

«Zehn Uhr, morgen früh.«

Steve drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Gebäude.

Inzwischen war Durer nur zu glücklich, sich den Fragen der Reporter stellen zu dürfen.

«Woher nehmen Sie die Gewißheit, daß es sich um einen Unglücksfall gehandelt hat?«wollte ein Fernsehjournalist wissen.

Durer richtete den Blick direkt in die Kamera.»Glücklicherweise haben wir einen Augenzeugenbericht über dieses furchtbare Ereignis. Die Kabine Monsieur Stanfords hat ein offenes Verdeck, und allem Anschein nach riß ihm der Wind wichtige Papiere aus der Hand, woraufhin er losgerannt ist, um sie wieder zurückzuholen. Als er die Hand nach ihnen ausstreckte, verlor er das Gleichgewicht und fiel ins Meer. Sein

Leibwächter hat es beobachtet und sofort Alarm ausgelöst, und das Schiff hat gestoppt. Auf die Weise konnte die Leiche geborgen werden.«