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«Was hat die Autopsie ergeben?«

«Meine Herren, Korsika ist eine kleine Insel. Wir verfügen nicht über die nötigen Einrichtungen zur Durchführung einer vollen Autopsie. Unser Leichenbeschauer hat jedoch festgestellt, daß Monsieur Stanfords Tod durch Ertrinken eingetreten ist, wir haben in seinen Lungen Meereswasser entdeckt. Prellungen oder irgendwelche Anzeichen von fremdem Einwirken sind an keiner einzigen Stelle des Körpers festzustellen gewesen.«

«Wo befindet sich die Leiche jetzt?«

«Wir bewahren sie in einem kalten Lagerraum auf, bis die Genehmigung für den Transport in die Heimat erteilt wird.«

«Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir von Ihnen ein Foto aufnähmen, Capitaine?«fragte ein Fotoreporter.

Eine dramatische Sekunde lang zögerte Capitaine Durer die Antwort hinaus, bevor er sich in das Unabänderliche schickte:»Nein. Bitte, meine Herren, tun Sie Ihre Pflicht.«

Und die Blitzlichter der Kameras zuckten.

Das Colomba war ein bescheidenes, aber sauberes Hotel, und das Zimmer zufriedenstellend. Als erstes rief Steve bei Simon Fitzgerald an.

«Die Sache wird leider längere Zeit in Anspruch nehmen, als ich dachte«, sagte Sloane.

«Wo liegt das Problem?«

«Bürokratie. Ich habe morgen früh einen Termin bei dem zuständigen Beamten, dann werde ich alles klären. Am morgigen Nachmittag sollte ich auf dem Rückflug nach Boston sein.«

«Ausgezeichnet, Steve, wir sprechen uns morgen.«

Im Restaurant La Fontana an der Rue Notre Dame aß er zu Mittag, und weil er sich irgendwie die Zeit vertreiben mußte, besichtigte er anschließend die Stadt.

Ajaccio ist eine farbenfrohe Mittelmeerstadt, die sich noch immer in dem Ruhme sonnt, der Geburtsort Napoleons zu sein. Harry Stanford hätte sich hier bestimmt zu Hause gefühlt, dachte Steve.

Auf Korsika war Hochsaison, und die Straßen wurden von Touristen aus England, Frankreich, Italien und Japan bevölkert.

Abends speiste Steve italienisch im Restaurant Le Boccaccio und kehrte dann ins Hotel zurück.

«Irgendwelche Nachrichten?«fragte er nach der Rückkehr ins Hotel an der Rezeption erwartungsvoll.

«Nein, Monsieur.«

Später fand er lange keinen Schlaf, da ihm das Gespräch mit Simon Fitzgerald über Harry Stanford einfach nicht aus dem Kopf ging.

«Hat sie eine Abtreibung durchgeführt?«

«Nein. Harry hat sie natürlich dazu gedrängt abzutreiben, aber sie hat sich geweigert. Es kam zwischen den beiden zu einem schrecklichen Streit. Er gab vor, sie zu lieben und sie heiraten zu wollen — was er bereits Dutzenden von Frauen erklärt hatte, doch diesmal hat Emily seine Beteuerungen mitgehört und sich noch in dergleichen Nacht das Leben genommen.«

Steve überlegte, auf welche Art Emily Stanford Selbstmord begangen hatte.

Schließlich sank er in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen erschien Steve Punkt zehn Uhr wieder auf der Prefecture, wo der Sergeant vom Vortag Dienst hatte.

«Guten Morgens, sagte Steve.

«Bonjour, Monsieur. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

Steve reichte dem Sergeanten eine zweite Visitenkarte.»Ich bin da, um Capitaine Durer zu sprechen.«

«Einen Augenblick. «Die gleiche Prozedur: Der Sergeant erhob sich, verschwand im Amtszimmer seines Chefs und zog die Tür fest hinter sich zu.

Capitaine Durer — in einer eindrucksvollen neuen Uniform — wurde soeben von einem italienischen Fernsehteam für RAI interviewt und sprach in die Kamera.»Als ich den Fall übernahm, habe ich mich als erstes vergewissert, daß Monsieur Stanfords Tod in keiner Weise als Folge eines Verbrechens eingetreten sein konnte.«

«Und Sie waren hundertprozentig davon überzeugt, daß hier kein Verbrechen vorliegt?«fragte der Interviewer.

«Hundertprozentig. Es gibt gar keinen Zweifel daran, daß es sich um einen bedauerlichen Unglücksfall gehandelt hat.«

«Bene«, sagte der Regisseur zum Kameramann.»Bitte eine neue Einstellung, eine Nahaufnahme.«

Diesen Moment nutzte der Sergeant, um Capitaine Durer Sloanes Visitenkarte in die Hand zu drücken.»Er wartet draußen.«

«Was ist bloß in Sie gefahren?«knurrte Durer.»Sehen Sie denn nicht, daß ich beschäftigt bin? Sagen Sie ihm, er soll morgen wiederkommen. «Er hatte gerade erfahren, daß ein weiteres Dutzend Reporter nach Korsika unterwegs war — darunter auch Journalisten aus Ländern wie Rußland und Südafrika. »Demain!«

«Oui.«

«Sind Sie soweit, Capitaine?«fragte der Regisseur.

Capitaine Durer setzte ein breites Lächeln auf.»Ich bin soweit.«

Unterdessen war der Sergeant ins Vorzimmer zurückgekehrt.»Es tut mir leid, Monsieur«, erklärte er in gebrochenem Englisch.»Aber Durer ist heute aus dem Geschäft.«

«Dann geht's ihm wie mir!«herrschte ihn Steve an.»Teilen Sie ihm mit, daß er lediglich das Formular unterzeichnen muß, das die Freigabe von Mr. Stanfords Leiche autorisiert, und er ist mich los. Das ist doch wohl nicht zuviel verlangt, oder?«

«Leider ja. Der Capitaine hat viiiele Verpflichtungen, und…«

«Kann ich diese Autorisierung denn nicht von jemand anderem erhalten?«

«O nein, Monsieur. Solche Autorisierung kann Ihnen nur der Capitaine erteilen.«

Steve Sloane kochte innerlich.»Und wann ist er zu sprechen?«

«Ich schlage vor, daß Sie es morgen noch einmal versuchen.«

Es war diese Wendung — noch einmal versuchen —, die Steve ins Ohr stach.»Das werde ich auch«, sagte er.»Übrigens — meines Wissens hat es bei dem Unfall einen Augenzeugen gegeben — Mr. Stanfords Leibwächter, ein gewisser Dmitri Kaminski.«

«Jawohl.«

«Ich möchte ihn gerne sprechen. Darf ich wissen, wo er sich aufhält?«

«Australien.«

«Ist das der Name eines hiesigen Hotels?«

«Nein, Monsieur. «Der mitleidige Ton seiner Stimme war nicht zu überhören.»Australien ist ein Land.«

Da wurde Steve um etliche Dezibel lauter.»Wollen Sie damit ausdrücken, daß der einzige Augenzeuge von Mr. Stanfords Tod mit Zustimmung der korsischen Polizei ausreisen durfte, bevor ihn jemand verhören konnte?«

«Capitaine Durer hat ihn verhört.«

Steve Sloane atmete einmal tief durch.»Ich danke Ihnen.«

«Keine Ursache, Sir.«

Vom Hotel aus erstattete Steve Sloane telefonisch Simon Fitzgerald Bericht.

«Sieht so aus, als ob ich noch eine weitere Nacht hierbleiben müßte.«

«Was ist los, Steve?«

«Der verantwortliche Beamte scheint überbeschäftigt. Hier ist touristische Hochsaison, und er fahndet vermutlich nach verlorenen Brieftaschen. Aber morgen sollte ich's schaffen, von hier wegzukommen.«

«Bis morgen!«

Trotz seiner Verärgerung konnte sich Steve dem Zauber der Insel nicht entziehen. Korsika hat eine Küste von über anderthalbtausend Kilometer Länge und Gebirge aus Granitstein, dessen Gipfel bis zum Juli schneebedeckt bleiben. Bis zur Übernahme durch die Franzosen hatte die Insel unter italienischer Herrschaft gestanden, und die Vermischungen beider Kulturen waren faszinierend.

Während des Abendessens in der Creperie U San Carlo fielen Steve erneut die Worte ein, mit denen Simon Fitzgerald Harry Stanfords Wesen charakterisiert hatte. »Ich bin in meinem ganzen Leben noch keinem Menschen begegnet, der so wie er ohne den leisesten Anflug von Mitgefühl war. Er war ein Sadist, er war ausgesprochen rachsüchtig.«

Nun ja, überlegte Steve, dieser Harry Stanford verursacht sogar noch als Toter jede Menge Ärger.

Auf dem Heimweg zum Hotel blieb Steve an einem Zeitungskiosk stehen, um sich die neueste Ausgabe der International Herald Tribune zu kaufen. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete: was wird aus dem stanfordimperium? Steve zahlte und wollte schon weitergehen, als sein Blick plötzlich auf die Schlagzeilen anderer ausländischer Zeitschriften fiel. Er nahm die Zeitungen in die Hand und las verdutzt. Es gab nicht eine einzige Zeitung ohne einen Bericht über den Tod von Harry Stanford auf der Titelseite, und auf allen Titelseiten prangte an prominenter Stelle ein Foto von Capitaine Durer — er strahlte Steve förmlich entgegen. Also war das der Grund, warum er so beschäftigt gewesen war und keine Zeit für mich hatte! Na, das wollen wir doch mal sehen!