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Am nächsten Morgen erschien Steve absichtlich eine Viertelstunde zu früh und betrat schon um neun Uhr fünfundvierzig den Vorraum zum Amtszimmer Capitaine Durers. Der Sergeant saß nicht an seinem Schreibtisch, und die Tür zum anstoßenden Büro stand einen Spaltbreit offen. Steve schob sie auf und ging hinein. Der Polizeihauptmann wechselte soeben seine Uniform, um sich für die morgendliche Pressekonferenz zurechtzumachen. Bei Steves Eintreten hob er unwirsch den Kopf.

«Qu'est-ce que vous faires ici? C'est un bureau prive! Allez-vous-en!«

«Ich bin von der New York Times«, erklärte Steve Sloane, und sofort hellte sich Durers Gesicht auf.»Ach so, treten Sie doch ein, treten Sie ein. Sie sind… wie haben Sie doch gesagt?«

«Jones. John Jones.«

«Darf ich Ihnen vielleicht etwas anbieten? Einen Kaffee? Kognak?«

«Nein, vielen Dank.«

«Bitte. Bitte, nehmen Sie doch Platz. «Durers Stimme wurde feierlich.»Sie sind natürlich wegen der schrecklichen Tragödie gekommen, die sich auf unserer kleinen Insel zugetragen hat. Der arme Monsieur Stanford.«

«Wann gedenken Sie seinen Leichnam freizugeben?«fragte Steve.

Capitaine Durer ließ ein Seufzen vernehmen.»Ach, das wird noch viele, viele Tage dauern, fürchte ich. Im Fall eines so bedeutenden Menschen wie Monsieur Stanford gibt es ja so viele Formalitäten auszufüllen. Die Formalitäten müssen eingehalten werden, Sie verstehen.«

«Ich denke schon«, räumte Steve ein.

«Eventuell zehn Tage. Möglicherweise auch zwei Wochen.«Dann, dachte Durer, wird das Medieninteresse abgeflaut sein.

«Hier, meine Visitenkarte«, sagte Steve und reichte sie Durer.

Der Capitaine streifte sie mit einem flüchtigen Blick; dann schaute er gründlicher hin.»Sie sind Anwalt. Sie sind kein Reporter?«

«Nein, ich bin Harry Stanfords Anwalt. «Steve Sloane erhob sich.»Ich verlange Ihre Autorisierung zur Freigabe seiner Leiche.«

«Ach, ich würde sie Ihnen ja gern geben«, erklärte Capitaine Durer mit einem Ausdruck tiefsten Bedauerns.»Leider sind mir jedoch die Hände gebunden. Ich wüßte nicht, wie…«

«Bis morgen.«

«Ausgeschlossen! Es besteht keinerlei Möglichkeit…«

«Dann mache ich Ihnen den Vorschlag, daß Sie sich mit Ihren Vorgesetzten in Paris in Verbindung setzen. Es ist so: Zum Stanford-Konzern gehören mehrere große Fabriken in Frankreich, und ich hielte es für bedauerlich, wenn unser Vorstand beschließen sollte, sie allesamt zu schließen und statt dessen in anderen Staaten neu zu investieren.«

Der Capitaine musterte ihn befremdet.»Ich… in dergleichen Dingen bin ich ohne jeden Einfluß, Monsieur.«

«Ich dagegen«, versicherte ihm Steve,»verfüge gerade in diesen Dingen über großen Einfluß. Sie sorgen jetzt dafür, daß Mr. Stanfords Leiche für morgen freigegeben wird, oder Sie befinden sich in Schwierigkeiten von einem Ausmaß, das Sie sich momentan noch gar nicht vorzustellen vermögen. «Er wollte gehen.

«Warten Sie! Monsieur! In einigen Tagen könnte ich eventuell… «

«Morgen. «Und Steve war auf und davon.

Es dauerte genau drei Stunden, bis Steve in seinem Hotel einen Anruf entgegennahm.

«Monsieur Sloane? Ich habe eine wunderbare Nachricht für Sie! Es ist mir gelungen, es zu bewerkstelligen, daß Mr. Stanfords Leichnam Ihnen unverzüglich übergeben wird. Ich hoffe, Sie wissen die Bemühungen zu würdigen, welche…«

«Danke. Die Maschine, die Mr. Stanfords Leichnam in die Vereinigten Staaten fliegen wird, startet morgen früh um acht Uhr. Ich gehe davon aus, daß alle notwendigen Formalitäten bis dahin erledigt sind.«

«Selbstverständlich, machen Sie sich keine Sorgen, ich werde…«

«Gut. «Steve legte auf.

Capitaine Durer blieb lange unbeweglich am Schreibtisch sitzen. Merde! Was für ein Pech! Ich hätte noch mindestens eine weitere Woche berühmt bleiben können.

Bei der Landung der Maschine auf dem Logan International Airport von Boston stand ein Leichenwagen bereit. Die Begräbnisfeierlichkeiten waren für drei Tage später angesetzt.

Steve Sloane meldete sich unverzüglich bei Simon Fitzgerald.

«Jetzt ist der Alte also endlich heimgekehrt«, meinte Fitzgerald.»Das wird eine schöne Familienfeier.«

«Eine Familienfeier?«

«Richtig, und sie dürfte wirklich recht interessant werden«, antwortete er.»Harry Stanfords Kinder werden sich versammeln, um den Tod ihres Vaters zu feiern. Tyler, Woody und Kendall.«

Kapitel 8

Richter Tyler Stanford erfuhr es zuerst durch eine Sendung im Chicagoer Regionalfernsehen WBBM. Er war plötzlich wie hypnotisiert, sein Blick saugte sich am Bildschirm fest, sein Herz begann wild zu schlagen — tatsächlich, es war die Jacht Blue Skies, und dann hörte er die Meldung des Nachrichtensprechers:»… während eines Sturms im Meer vor Korsika, als es zu dem Unfall kam. Harry Stanfords Leibwächter Dmitri Kaminski wurde Augenzeuge des Geschehens, ohne jedoch seinen Arbeitgeber retten zu können. Harry Stanford galt in Finanzkreisen als einer der klügsten…«

Tyler saß wie erstarrt da, und die Erinnerungen wurden wieder lebendig…

Es waren die Stimmen gewesen, das Geschrei, das ihn mitten in der Nacht aufgeweckt hatte. Vierzehn Jahre alt war er gewesen, er hatte dem erregten Stimmengewirr ein paar Minuten lang zugehört und sich dann im oberen Flur zum Treppenaufgang geschlichen — unten, im Foyer, gingen seine Eltern aufeinander los. Seine Mutter kreischte, und er sah, wie sein Vater ihr ins Gesicht schlug.

Auf dem Bildschirm hatte die Szene gewechselt, Harry Stanford war jetzt im Oval Office des Weißen Hauses zu sehen, wo er Präsident Reagan die Hand schüttelte.»… Als eine tragende Säule der neuen Taskforce, die der Präsident zur Lösung von Finanzproblemen begründete, erwies Harry Stanford sich als bedeutender Ratgeber für…«

Sie spielten Football im hinteren Hof, sein Bruder Woody warf den Ball in Richtung des Hauses, Tyler rannte hinter dem Ball her und fing ihn, da hörte er die Stimme seines Vaters auf der anderen Seite der Hecke.»Ich liebe dich, das weißt du doch!«

Tyler blieb stehen und war glücklich, daß seine Eltern sich einmal nicht stritten, doch dann hörte er die Stimme der Frau, und es war die Stimme der Gouvernante — es war Rosemary.»Sie sind ein verheirateter Mann. Lassen Sie mich bitte in Ruhe.«

Tyler wurde übel. Er hatte seine Mutter lieb, und Rosemary hatte er auch lieb, aber der Vater war ihm fremd, der Vater machte ihm angst.

Auf dem Bildschirm flimmerten andere Bilder von Harry Stanford vorbei — wie er sich mit Margaret Thatcher der Kamera stellte… an der Seite des französischen Präsidenten Mitterrand… neben Michail Gorbatschow —, und der Nachrichtensprecher kommentierte:»Der legendäre

Wirtschaftskapitän war gleichermaßen bei Fabrikarbeitern und Weltpolitikern zu Hause.«

Er kam an der Tür zum Arbeitszimmer des Vaters vorbei, als Rosemarys Stimme nach draußen drang.

«Ich kündige.«

«Ich nehme deine Kündigung aber nicht an, du darfst nicht gehen. Du mußt jetzt vernünftig sein, Rosemary! Das ist die einzige Möglichkeit, für dich wie für mich…«

«Darauf laß ich mich nicht ein, und das Baby werde ich behalten.«