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Rechnungen! Julia machte die Kuverts auf, drei der Rechnungen trugen den Vermerk ÜBERFÄLLIG, eine vierte die Notiz DRITTE MAHNUNG. Julia schaute sie einen Moment an.

«Sally, ob du mir wohl aushelfen könntest…?«

Sally musterte sie mit einem Ausdruck tiefsten Befremdens.»Ich verstehe dich nicht.«

«Was soll das heißen?«

«Du rackerst dich ab wie ein Galeerensklave, du hast kein Geld, um deine Rechnungen bezahlen zu können — und bräuchtest doch nur einen kleinen Finger zu heben, und schon hättest du ein paar Millionen Dollar.«

«Die gehören mir nicht.«

«Aber selbstverständlich gehören sie dir! Es ist dein Geld!«fuhr Sally sie an.»Harry Stanford war dein Vater, oder nicht? Na also — dann hast du, logischerweise, auch Anspruch auf einen Teil des Erbes. Und du weißt genau, daß ich im Leben nur selten etwas >logisch< finde.«

«Schlag's dir aus dem Kopf. Ich habe dir ja erzählt, wie er meine Mutter behandelt hat. Da hat er mir bestimmt nicht mal einen Cent vermacht.«

Sally stöhnte laut auf.»Verdammt! Und ich hatte mich schon drauf gefreut, meine Wohnung mit einer Millionärin zuteilen.«

Sie gingen nach unten zum Parkplatz, auf dem sie nachts ihre Autos abstellten. Julias Parkplatz war leer, und sie rief entsetzt:»Er ist weg!«

«Bist du auch absolut sicher, daß du ihn gestern abend hier geparkt hast?«

«Ja, absolut.«

«Dann ist er gestohlen worden!«

Julia schüttelte den Kopf.»Nein!«Sie sprach es langsam und gedehnt aus.

«Was denn sonst?«

Sie sah Sally an.»Der Verkäufer muß ihn sich zurückgeholt haben, denn ich bin mit drei Ratenzahlungen im Rückstand.«

«Wundervoll!«sagte Sally tonlos.»Einfach wundervoll.«

Sally ging die Situation ihrer Wohngenossin nicht mehr aus dem Kopf. Eine Geschichte wie im Märchen, dachte sie. Eine Prinzessin, die nicht weiß, daß sie eine Prinzessin ist. Nur daß sie es in diesem Fall eben doch weiß und zu stolz ist, es für sich zu nutzen. Das ist nicht fair! Ihre Verwandten besitzen haufenweise Geld, und sie ist völlig mittellos. Na schön, wenn sie nichts für sich selber tun will, dann tu's eben ich. Sie kann mir ja hinterher danken.

Als Julia am Abend außer Haus war, machte Sally sich noch einmal über den Karton mit den Zeitungsausschnitten her und nahm einen Artikel jüngeren Datums heraus, in dem berichtet wurde, daß Harry Stanfords Erben sich zu seiner Beerdigung in Rose Hill eingefunden hatten.

Wenn die Prinzessin sie nicht aufsuchen will, sagte sich Sally, dann müssen sie eben die Prinzessin aufsuchen.

Sally setzte sich an den Tisch und schrieb einen Brief, den sie an Richter Tyler Stanford adressierte.

Kapitel 21

Tyler unterzeichnete die Formulare, die die Einlieferung Margo Posners in die psychiatrische Abteilung des Reed-Hospitals besiegelten. Sie mußten zwar noch von drei Psychiatern bestätigt werden, aber das ließ sich, wie Tyler wußte, ohne größere Probleme arrangieren.

Er überprüfte die Angelegenheit von Anfang an noch einmal kritisch und kam zu dem Ergebnis, daß sein Plan keinerlei Schwachstellen aufwies: Dmitri war in Australien von der Bildfläche verschwunden, Margo Posner war aus dem Wege geräumt. Blieb nur noch Hal Baker, aber der war kein Problem. Einen wunden Punkt hat jeder, und bei Baker war es dessen Familie. Nein, Baker würde nie reden, weil er den Gedanken, sein Leben im Gefängnis und von seiner lieben Frau und den Kindern getrennt verbringen zu müssen, einfach nicht ertragen könnte.

Es lief alles ganz nach Plan.

Sobald das Nachlaßgericht das Testament meines Vaters für unbedenklich erklärt hat, werde ich nach Chicago zurückkehren und Lee abholen, und vielleicht werden wir uns in St-Tropez sogar ein Haus kaufen, und wir werden eine Weltreise machen auf meiner Jacht. Ich habe schon immer nach Venedig reisen wollen… und Positano… und Capri. In Kenia werden wir auf Safari gehen und in Indien im Mondschein das Taj Mahal bestaunen. Und wem habe ich das alles zu verdanken? Meinem Daddy, dem guten alten Daddy.»Du bist schwul, Tyler, und wirst schwul bleiben. Ich werde nie begreifen, daß einer wie du die Frucht meiner Lenden sein kann… «

Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten — und wer lacht hier wohl zuletzt, Vater?

Tyler ging nach unten, um seinen Geschwistern beim Mittagessen Gesellschaft zu leisten. Er hatte seinen Appetit wiedergefunden.

«Es ist wirklich ein Jammer, daß Julia so früh abreisen mußte«, sagte Kendall.»Ich hätte sie gern ein wenig besser kennengelernt.«

«Sie wird bestimmt bald wieder hierherkommen wollen«, meinte Marc tröstend.

Das ist zweifellos wahr, dachte Tyler, nur werde ich schon dafür sorgen, daß sie nie mehr frei herumläuft.

Dann sprachen sie über aktuelle Fragen.

«Woody wird sich eine Gruppe Polopferde kaufen«, warf Peggy schüchtern ein.

«Doch keine >Gruppe<, das heißt >Stall<!«verbesserte Woody sie irritiert.»Man spricht immer nur von einem Stall Polopferde.«

«Tut mir leid, Liebling. Ich wollte nur…«

«Ist ja egal.«

«Und welche Pläne hast du?«wollte Tyler von Kendall wissen.

«… rechnen wir weiterhin mit Ihrer Unterstützung. In diesem Sinne würden wir es gutheißen, wenn Sie innerhalb der nächsten zehn Tage eine Million Dollar auf unserem Nummernkonto deponieren könnten

«Kendall?«

«Ach ja. Ich werde… ich werde geschäftlich expandieren und in London und Paris eine Filiale eröffnen.«

«Das klingt schrecklich aufregend«, meinte Peggy.

«In zwei Wochen habe ich in New York eine Modenschau und muß bald abreisen, damit ich alle nötigen Vorbereitungen treffen kann.«

Kendall warf einen Blick hinüber zu Tyler.»Was wirst du eigentlich mit deinem Erbteil anfangen?«

«Ich werde das Geld hauptsächlich für karitative Zwecke einsetzen«, erwiderte Tyler scheinheilig.»Es gibt da ja so viele Organisationen, die finanzieller Unterstützung bedürfen.«

Er hörte den Gesprächen nur noch mit halbem Ohr zu, und sein Blick wanderte geistesabwesend über seine Geschwister. Wenn es mich nicht gegeben hätte, wärt ihr leer ausgegangen. Ohne mich hättet ihr zwei nicht mal einen Pfennig geerbt.

Er ließ seine Augen auf Woody ruhen. Drogensüchtig war sein Bruder geworden und hatte sein Leben verplempert. Dem wird das viele Geld überhaupt nicht guttun, schoß es Tyler durch den Kopf, damit kann er sich nur noch mehr Drogen kaufen.

Dagegen war seine Schwester, so fand Tyler, eine kluge, erfolgreiche Frau, die was aus sich gemacht und ihre Talente genutzt hatte.

Marc, der auf dem Stuhl neben ihr saß, erzählte Peggy gerade eine lustige Anekdote. Ein gutaussehender, charmanter Kerl, dachte Tyler, welch ein Jammer, daß er verheiratet ist.

Und dann gab es noch Peggy, die arme Peggy, wie er sie insgeheim nannte. Warum sie es mit Woody aushielt, war ihm schleierhaft. Sie muß sehr in ihn verliebt sein, denn diese Ehe bringt ihr doch rein gar nichts.

Was würden sie wohl für Gesichter machen, wenn er jetzt aufstünde und ihnen erklärte: »Ich besitze die Aktienmehrheit beim Stanford-Konzern. Ich habe unseren Vater ermorden lassen, und ich bin's auch gewesen, der seine Leiche ausgraben und verschwinden ließ. Und ich habe eine Frau angeheuert, die sich als unsere Halbschwester ausgegeben hat.« Bei diesem Gedanken konnte er ein Grinsen nicht unterdrücken und hatte Mühe, sein delikates Geheimnis für sich zu behalten.

Nach dem Mittagessen zog Tyler sich auf sein Zimmer zurück, um noch einmal Lee anzurufen, aber er war nicht da. Er ist mit jemandem ausgegangen, überlegte Tyler verzweifelt. Er glaubt mir das mit der Jacht nicht. Aber ich werde es ihm beweisen! Wann gibt das verdammte Nachlaßgericht endlich das Testament frei? Ich werde Fitzgerald noch einmal anrufen müssen oder diesen jungen Anwalt Steve Sloane.