Выбрать главу

Sie lachte laut auf.»Du meine Güte — ganz bestimmt nicht. Was genau hätte ich eigentlich zu tun?«

«Etwas total Einfaches. Wir liefern Ihnen ein Blatt mit einer kompletten Programmübersicht, und Sie müssen nur das von Ihnen jeweils eingeschaltete Programm ankreuzen — das ist alles. Auf der Basis kann unser Computer dann die Einschaltquote aller Programme errechnen, da die NielsenTestfamilien über das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten verteilt sind, so daß wir ein klares Bild von der Popularität der Programme nach Regionen und Bevölkerungsschichten erhalten. Hätten Sie Interesse an einer Mitarbeit?«

«O ja.«

Er zog Formulare und einen Stift aus der Tasche.»Wie viele Stunden sehen Sie täglich fern?«

«Nicht besonders viel. Ich habe eine Ganztagsstelle.«

«Aber Sie sehen fern?«

«Klar. Ich schaue mir immer die Abendnachrichten an, manchmal auch einen alten Film. Ich bin ein Fan von Larry King.«

Er machte sich eine Notiz.»Verfolgen Sie das Bildungsfernsehen?«

«An den Sonntagen.«

«Und Sie wohnen hier allein?«

«Ich teile die Wohnung mit einer Freundin, sie ist aber zur Zeit nicht da.«

Also war er jetzt mit ihr allein.

Seine Hand begann wieder zu jucken. Er wollte gerade in die Tasche greifen, um das Klebeband vom Messer zu lösen, als er draußen im Flur Schritte hörte.

«Und dafür bekäme ich jährlich fünftausend Dollar? Das haben Sie doch gesagt.«

«Richtig. Übrigens habe ich ganz vergessen zu erwähnen, daß Sie außerdem einen neuen Farbfernseher erhalten würden.«

«Das ist ja fantastisch!«

Die Schritte waren verhallt, und er griff erneut in die Tasche und spürte den Handgriff des Messers.»Könnte ich wohl bitte ein Glas Wasser bekommen? Es war ein langer Tag.«

«Selbstverständlich. «Als sie zu der kleinen Bar in der Ecke des Zimmers gegangen war, klappte er das Messer auf und trat von hinten an sie heran.

«Meine Wohngenossin schaut die Bildungsprogramme im Fernsehen viel öfter an als ich«, hörte er sie sagen.

Er hielt das Messer hoch und war bereit zuzustechen.

«Aber Julia ist überhaupt stärker an kulturellen Dingen interessiert.«

Bakers hoch erhobene Hand verharrte plötzlich unbeweglich in der Luft.

«Julia?«

«Meine Wohngenossin, sie war zumindest meine Wohngenossin, sie ist nämlich fort. Als ich heute von der Arbeit heimkam, fand ich einen Zettel mit der Nachricht, daß sie verreist und nicht weiß, wann sie wieder…«Sie drehte sich um, das Glas Wasser in der Hand, und bemerkte das Messer in der erhobenen Hand des Mannes, der hinter ihr stand.»Was…«

Sie begann gellend zu schreien.

Hal Baker drehte sich um und floh.

Hal Baker sprach mit Tyler Stanford am Telefon.»Ich bin in Kansas City, aber die junge Frau ist verschwunden.«

«Was meinen Sie damit — verschwunden?«

«Ihre Wohngenossin behauptet, sie sei verreist.«

Tyler schwieg einen Moment.

«Ich habe das Gefühl, daß sie nach Boston gefahren ist. Kommen Sie bitte sofort hierher.«

«Ja, Sir.«

Tyler Stanford knallte den Hörer auf die Gabel und begann im Raum auf und ab zu laufen. Bisher war alles reibungslos und perfekt gelaufen! Diese junge Frau mußte unbedingt gefunden und aus dem Weg geräumt werden. Sie war unberechenbar und stellte eine Gefahr für ihn dar. Und selbst wenn er den Konzern einmal übernommen hatte, würde er sich von ihr bedroht fühlen, solange sie am Leben war. Ich muß sie einfach finden! dachte Tyler. Auf alle Fälle! Aber wo?

Clark betrat den Raum.»Verzeihung, Richter Stanford. Draußen vor der Tür steht eine Miss Julia Stanford, die Sie sprechen möchte.«

Kapitel 23

Auf die Idee, nach Boston zu reisen, war Julia gekommen, als sie auf dem Rückweg vom Mittagessen an einer exklusiven Damenboutique vorbeiging, in dessen Schaufenster ein Originalmodell von Kendall ausgestellt war. Von meiner Schwester! schoß es Julia durch den Kopf. Ihr darf ich für das, was meiner Mutter passiert ist, eigentlich keine Schuld geben, und meinen zwei Brüdern auch nicht. Und in diesem Augenblick war sie plötzlich von einer überwältigenden Sehnsucht nach ihren Geschwistern erfaßt worden, so daß sie sie unbedingt kennenlernen, mit ihnen sprechen und endlich Geborgenheit bei ihrer Familie finden wollte.

Im Büro hatte sie Max Tolkin mitgeteilt, daß sie für ein paar Tage verreisen müßte, und ihn etwas verlegen gebeten:»Wäre es wohl möglich, daß ich einen Vorschuß auf mein nächstes Monatsgehalt bekommen könnte?«

«Selbstverständlich«, hatte Tolkin freundlich erwidert.»Für Sie stehen ja bald Ferien an. Hier — mit den besten Wünschen für ein paar schöne Tage.«

Ob es wohl schöne Tage werden? überlegte Julia. Oder mache ich einen schrecklichen Fehler?

Als Julia nach Hause gekommen und Sally noch nicht von der Arbeit zurück gewesen war, hatte Julia gedacht: Ich darf nicht auf sie warten. Wenn ich nicht sofort hinfahre, werde ich nie fahren. Also hatte sie gepackt und Sally eine Nachricht hinterlassen.

Auf dem Weg zum Busbahnhof wurde Julia unsicher. Was mache ich eigentlich? Wie bin ich überhaupt zu diesem plötzlichen Entschluß gekommen? Und sie sagte sich leicht amüsiert: Ein plötzlicher Entschluß? Vierzehn Jahre habe ich dafür gebraucht! Sie war schrecklich aufgeregt. Was mochten das wohl für Menschen sein, ihre Halbgeschwister? Was wußte sie denn schon über sie: Ein Bruder war Richter, der zweite ein berühmter Polospieler und die Schwester eine bekannte Modedesignerin. Eine Familie von Erfolgsmenschen also, überlegte Julia. Und was bin ich? Hoffentlich blicken sie nicht von oben auf mich herab. Beim Gedanken an die Begegnungen, die ihr bevorstanden, und als sie in den Greyhound-Überlandbus einstieg und die Reise wirklich begann, bekam sie Herzklopfen.

In der South Station in Boston nahm Julia ein Taxi.

«Und wohin soll's gehen, Lady?«fragte der Taxifahrer.

Julia verließ der Mut.»Nach Rose Hill «hatte sie sagen wollen und erwiderte statt dessen:»Ich weiß es nicht.«

Der Fahrer drehte sich zu ihr nach hinten um und sagte freundlich:»Oje, und was machen wir jetzt — ich nämlich auch nicht.«

«Könnten Sie mich nicht einfach ein bißchen durch die Stadt fahren? Ich bin heute zum ersten Mal in Boston.«

Er nickte.»Natürlich.«

Er fuhr über die Summer Street bis zum Boston Common.

«Das ist hier der älteste öffentliche Park der Vereinigten Staaten«, erklärte der Taxifahrer.»Hier fanden früher die öffentlichen Hinrichtungen statt.«

Julia fielen Worte ihrer Mutter ein: »Im Winter bin ich mit den Kindern zum Schlittschuhlaufen zum Common gefahren. Woody war der geborene Sportler, du hättest ihn sehen sollen, ein süßer Junge. Ich hab immer gedacht, daß er der Erfolgreichste von den drei Geschwistern würde.« Es war fast so, als ob die Mutter neben ihr säße und diesen Augenblick miterlebte.

Mittlerweile hatten sie Charles Street und den Eingang zu den

Gärten erreicht.»Sehen Sie dort drüben, die Entchen aus Bronze?«sagte der Taxifahrer.»Ob Sie's glauben oder nicht — von denen hat jedes einen Namen.«

«Im öffentlichen Garten haben wir damals oft Picknick gemacht, und gleich am Eingang stehen richtig süße kleine Enten aus Bronze, und sie heißen Jack, Kack, Lack, Mack, Nack, Ouack, Pack und Quack.« Julia hatte es so lustig gefunden, daß ihre Mutter die Entennamen unablässig wiederholen mußte.

Julia warf einen vorsichtigen Blick auf den Taxameter — es wurde langsam teuer.»Könnten Sie mir ein günstiges Hotel empfehlen?«

«Selbstverständlich. Wie war's mit dem Copley Square Hotel?«

«Einverstanden.«

Ein paar Minuten später hielt das Taxi vor dem Hoteleingang.

«Viel Vergnügen in Boston, Lady.«