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«Offenbar jemand, der glaubt, sich ein Scheibchen von der Erbmasse der Familie herausschneiden zu können. Richter Stanford hat die Bitte geäußert, daß wir die junge Dame aus der Stadt schaffen sollen. Würdest du das übernehmen?«

«Soll mir ein Vergnügen sein«, antwortete Steve grimmig.

Als Julia etwa eine Stunde später die Tür ihres Hotelzimmers auf ein Klopfen hin öffnete und Steve sah, wies sie ihn schroff zurück.»Tut mir leid, aber mit Reportern spreche ich nicht mehr…«

«Ich bin aber kein Reporter. Darf ich eintreten?«

«Wer sind Sie?«

«Mein Name ist Steve Sloane. Ich bin Anwalt in der Kanzlei, die Harry Stanfords Hinterlassenschaft vertritt.«

«Ach so, verstehe. Kommen Sie herein.«

Steve betrat das Zimmer.

«Haben Sie der Presse erzählt, daß Sie Julia Stanford sind?«

«Ich bin leider von den Reportern überrumpelt worden. Sehen Sie, ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, daß sie…«

«Sie haben aber behauptet, Harry Stanfords Tochter zu sein?«

«Ja. Ich bin seine Tochter.«

Er musterte sie von oben bis unten und meinte zynisch:»Dafür haben Sie natürlich wasserdichte Beweise.«

«Also, nein«, erwiderte Julia gedehnt,»beweisen kann ich das nicht.«

«Hören Sie«, sagte Steve in provozierendem Ton,»irgendein Dokument als Beweis werden Sie ja wohl haben.«

«Ich habe keinerlei Dokumente«, sagte sie.

Er betrachtete sie erstaunt. Er hatte sie sich völlig anders vorgestellt — nicht so entwaffnend offen. Sie wirkt nicht unintelligent. Wie kann sie nur so dumm sein, ohne Beweise nach Boston zu kommen, um sich als Harry Stanfords Tochter vorzustellen?

«Zu dumm«, meinte Steve.»Richter Stanford hat nämlich die Absicht, Sie aus der Stadt zu jagen.«

Julia machte große Augen.»Wie bitte?«

«Sie haben richtig gehört.«

«Aber… das verstehe ich wirklich nicht. Ich habe ja noch nicht einmal meine zwei anderen Geschwister kennengelernt.«

Sie will den Bluff also weiter durchziehen, dachte Steve.»Hören Sie — ich habe keine Ahnung, wer Sie in Wirklichkeit sind oder was für ein Spiel Sie spielen, aber Sie riskieren eine Gefängnisstrafe. Was Sie hier machen, ist nämlich gegen das Gesetz. Falls Sie jedoch auf unseren Vorschlag eingehen, sind wir damit einverstanden, daß Sie straffrei aus dieser Geschichte herauskommen. Ich stelle Sie vor die Wahclass="underline" Entweder Sie verschwinden sofort aus Boston und belästigen nicht länger die Familie Stanford, oder wir können Sie festnehmen lassen.«

Julia war völlig schockiert.»Mich festnehmen lassen? Ich… ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.«

«Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.«

«Meine Geschwister wollen mich nicht einmal begrüßen?«fragte Julia wie benommen.

«Das könnte man so sagen.«

Sie atmete tief durch.»In Ordnung, wenn das ihre Einstellung ist, dann reise ich wieder nach Kansas City zurück. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß sie nie wieder etwas von mir hören werden.«

Kansas! Das ist aber eine weite Strecke, um es auf gut Glück mit einem kleinen Trick zu versuchen.»Ein weiser Entschluß. «Er rührte sich nicht, sah sie nur ratlos an.»Na dann — auf Wiedersehen.«

Sie schwieg.

Steve saß bei Fitzgerald im Büro.

«Hast du die junge Frau kennengelernt?«

«Ja. Sie fährt wieder nach Hause«, antwortete Steve, der allerdings ein wenig geistesabwesend wirkte.

«Gut. Ich werde Richter Stanford davon in Kenntnis setzen. Es wird ihn zweifellos freuen.«

«Weißt du, was mir keine Ruhe läßt, Simon?«

«Nun?«

«Daß der Hund nicht gebellt hat.«

«Wie bitte?«

«Du kennst doch die berühmte Sherlock-Holmes-Geschichte. Die Lösung des Rätsels lag gerade in dem Ereignis, das nicht eintrat.«

«Steve, bitte, was hat das mit…«

«Überleg doch einmaclass="underline" Sie ist ohne jeden Beweis nach Rose Hill gefahren.«

Fitzgerald warf ihm einen hilflosen Blick zu.»Jetzt versteh ich gar nichts mehr. Genau das hätte dich doch davon überzeugen müssen, daß es sich bei ihr nicht um Julia Stanford handelt.«

«Ganz im Gegenteil — warum sollte sie den weiten Weg von Kansas nach Boston zurücklegen und sich hier als Harry Stanfords Tochter ausgeben, wenn sie ihre Behauptung nicht mit dem kleinsten Beweis untermauern kann?«

«Es gibt genug Verrückte auf der Welt.«

«Sie ist aber nicht verrückt, du hättest sie erleben sollen. Und es gibt da auch noch ein paar andere Dinge, die mich nachdenklich stimmen, Simon.«

«Ja?«

«Harry Stanfords Leiche ist spurlos verschwunden… Als ich mit Dmitri Kaminski sprechen will, mit dem einzigen Augenzeugen des tödlichen Unfalls, ist Dmitri Kaminski spurlos verschwunden… Und jetzt scheint niemand zu wissen, wohin die erste Julia Stanford verschwunden ist.«

Simon Fitzgerald machte ein nachdenkliches Gesicht.»Was willst du damit sagen?«

«In dieser Geschichte gibt es ein paar Rätsel«, erwiderte Steve langsam,»die einer Aufklärung bedürfen. Ich werde mich wohl am besten noch einmal mit der jungen Dame unterhalten.«

Steve Sloane betrat das Foyer des Copley Square Hotels.»Könnten Sie bitte Miss Julia Stanford auf ihrem Zimmer anrufen?«fragte er an der Rezeption.

Der Mann hob den Kopf.»Bedaure, Miss Stanford ist abgereist.«

«Hat sie eine Adresse hinterlassen?«

«Nein, Sir, bedaure.«

Steve war frustriert, weil er ohne ihre Mithilfe keine Möglichkeit mehr sah, etwas für sie zu tun. Aber, so versuchte er sich zu trösten, es könnte natürlich sein, daß sie doch eine Hochstaplerin ist. Nur werden wir das eben nie mit Sicherheit wissen. Er drehte sich um, verließ das Hotel und trat auf die Straße, wo der Hotelportier einem Pärchen in ein Taxi half.

«Verzeihung«, sagte Steve.

Der Portier schaute zu ihm hin.»Ein Taxi?«wollte er wissen.

«Nein, danke. Ich möchte Ihnen nur gern eine Frage stellen. Haben Sie Miss Julia Stanford heute morgen aus dem Hotel kommen sehen?«

«Aber natürlich, Sir. Es haben doch alle die Augen nach ihr verdreht. Sie ist ja eine ziemliche Berühmtheit. Ich habe für sie ein Taxi besorgt.«

«Sie wissen nicht zufällig noch, wohin sie gefahren ist?«erkundigte sich Steve.

«Doch, ich habe dem Taxifahrer ja das Fahrtziel genannt.«

«Und wohin ging die Fahrt?«fragte Steve, den die Redseligkeit des Mannes langsam nervös machte.

«Zum Greyhound-Omnibus-Bahnhof an der South Station. Ich habe mir noch gedacht, daß es komisch ist, daß eine so reiche Frau…«

«Ich hätte jetzt doch gern bitte ein Taxi.«

Steve lief auf dem Greyhound-Omnibus-Bahnhof herum und schaute sich suchend um, doch Julia war nirgends zu sehen.

Sie ist schon abgereist, folgerte Steve verzweifelt, als er registrierte, daß die Stimme im Lautsprecher die unmittelbar bevorstehenden Abfahrten bekanntgab. Er hörte gerade noch»… und nach Kansas City «und raste zum entsprechenden Halteplatz.

Julia wollte gerade einsteigen.

«Warten Sie!«rief er.

Sie sah sich besorgt um.

Steve lief auf sie zu.»Ich muß mit Ihnen reden!«

Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu.»Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen!«

Er packte sie am Arm.»Einen Moment! Wir müssen unbedingt miteinander sprechen.«

«Mein Bus fährt gleich ab.«

«Es ist ja nicht der letzte Bus.«

«Mein Koffer ist aber bereits eingeladen.«

Steve ging schnurstracks auf einen Gepäckträger zu.»Diese Frau hier kriegt ein Baby! Holen Sie bitte ihren Koffer wieder aus dem Bus. Schnell!«

Der Blick des Mannes glitt, halb erstaunt, halb ungläubig, an Julias Körper entlang.»Na schön«, sagte er schulterzuckend und öffnete den Laderaum des Busses.»Und welcher Koffer gehört Ihnen, Madam?«