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Statt ihm zu antworten, drehte sich Julia unsicher nach Steve um.»Haben Sie eine klare Vorstellung davon, warum Sie das tun?«

«Nein«, erwiderte Steve.

Sie betrachtete ihn zögernd, dann faßte sie einen Entschluß und zeigte auf einen Koffer im Laderaum des Busses.»Der da«, sagte sie zu dem Träger.

Der Mann holte ihn heraus.»Sollte ich vielleicht für Sie eine Ambulanz rufen?«fragte er.

«Nein, es geht schon. Aber vielen Dank.«

Steve nahm den Koffer, und sie steuerten auf den Ausgang zu.»Haben Sie schon gefrühstückt?«

«Ich habe keinen Hunger«, antwortete sie kühl.

«Sie sollten aber etwas essen. Sie müssen ja jetzt für zwei essen, nicht wahr?«

Sie gingen zu» Julien «frühstücken. Julia, vor Zorn und Verärgerung steif und verkrampft, saß Steve gegenüber.

«Eines hätte ich ja doch gern von Ihnen erfahren«, sagte Steve, nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten.»Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihren Anspruch auf ein Teil der Stanford-Erbschaft geltend machen zu können, ohne daß Sie einen Beweis dafür haben, daß Sie Stanfords Tochter sind?«

In Julias Blick zeigte sich ein Ausdruck von Entrüstung.»Ich bin überhaupt nicht hierhergekommen, weil ich einen Erbteil beanspruche — mein Vater hätte mich doch in seinem Testament sowieso nicht bedacht! Ich bin nach Boston gekommen, weil ich endlich meine Geschwister kennenlernen wollte, die allerdings allem Anschein nach kein Interesse an mir haben.«

«Besitzen Sie denn gar keine Urkunde… keine Papiere, die Ihre Herkunft dokumentieren?«

Sie dachte an all die Zeitungsausschnitte in ihrer Wohnung und schüttelte den Kopf.»Nein, gar nichts.«

«Ich hätte gern, daß Sie sich mit jemandem unterhalten.«

«Darf ich Ihnen Simon Fitzgerald vorstellen. «Steve zögerte.»Simon, und das ist — ähem…«»Julia Stanford.«

«Bitte, setzen Sie sich, Miss«, sagte Fitzgerald zurückhaltend. Julia nahm auf der Stuhlkante Platz, damit sie jederzeit rasch aufstehen und hinausgehen könnte.

Fitzgerald musterte sie nachdenklich. Sie hatte die gleichen tiefliegenden grauen Augen wie Harry Stanford — doch solche Augen hatten noch viele andere Menschen.»Sie behaupten also, Rosemary Nelsons Tochter zu sein.«

«Ich behaupte gar nichts. Ich bin Rosemary Nelsons Tochter.«

«Und wo befindet sich Ihre Mutter?«

«Sie ist vor ein paar Jahren gestorben.«

«Oh — das tut mir leid. Würden Sie uns von ihr erzählen?«

«Nein«, sagte Julia.»Das werde ich auf keinen Fall tun. «Sie erhob sich.»Und ich habe auch nicht die Absicht, noch länger hierzubleiben.«

«Hören Sie, wir versuchen doch nur, Ihnen zu helfen«, versuchte Steve sie zu beschwichtigen.

«Ach wirklich?«fuhr sie ihn verbittert an.»Meine Angehörigen wollen mich nicht sehen, und Sie wollen mich der Polizei übergeben — auf die Art von Hilfe kann ich verzichten.«

«Moment mal!«rief Steve.»Wenn Sie tatsächlich die Person sind, für die Sie sich ausgeben, dann müssen Sie doch im Besitz von irgend etwas sein, das Sie als Tochter Harry Stanfords ausweist.«

«Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich nichts dergleichen besitze!«empörte sich Julia.»Meine Mutter und ich — wir haben Harry Stanford aus unserem Leben verdrängt.«

«Wie hat Ihre Mutter eigentlich ausgesehen?«fragte Simon Fitzgerald leise.

«Sie war eine sehr schöne Frau«, antwortete Julia. Ihre Stimme hatte einen weicheren Ton angenommen.»Und sie war die Güte in Person…«Da fiel ihr plötzlich etwas ein.»Ich habe ein Bild bei mir. «Sie nahm ein kleines goldenes Medaillon vom Hals und reichte es Fitzgerald.

Als Fitzgerald es öffnete, sah er auf der einen Seite ein Foto von Harry Stanford und auf der anderen eines von Rosemary Nelson. Die Inschrift lautete: FÜR R. N. IN liebe H. S., datiert auf das Jahr 1969.

Simon Fitzgerald konnte den Blick lange Zeit nicht von dem Medaillon lösen, und seine Stimme klang betroffen, als er schließlich seinen Kopf hob.

«Wir müssen Sie um Verzeihung bitten, mein Kind«, sagte er zu ihr und gleich darauf zu Steve Sloane:»Sie ist Julia Stanford.«

Kapitel 26

Es war Kendall unmöglich gewesen, das Gespräch mit Peggy aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen, da sie den Eindruck gewonnen hatte, daß Peggy es allein niemals schaffen könnte. »Woody gibt sich große Mühe, wirklich… Ich hab ihn ja so lieb.«

Kendall dachte: Er braucht viel Hilfe und Unterstützung. Ich muß etwas für ihn tun. Er ist doch mein Bruder. Ich muß unbedingt mit ihm reden.

Kendall machte sich auf die Suche nach Clark.

«Ist Mr. Woodrow zu Hause?«

«Ja, Ma'am. Meines Wissens ist er in seinem Zimmer.«

«Ich danke Ihnen.«

Sie mußte an die Unterredung am Eßtisch denken, an Peggys geschwollenes Gesicht.

«Was ist passiert?«

«Ich bin gegen eine Tür gerannt…«

Wie hat sie das nur die ganze Zeit hinnehmen können? Kendall ging nach oben und klopfte an. Keine Antwort.»Woody?«

Sie machte die Tür auf und ging ins Zimmer, wo ein bittersüßer Mandelgeruch in der Luft hing. Kendall überlegte kurz und lief zum Badezimmer. Durch die offenstehende Tür konnte sie Woody sehen — auf einem Stück Alufolie erhitzte er Heroin, bis es sich verflüssigte und zu evaporieren begann, und er inhalierte es durch einen Strohhalm im Mund.

Kendall ging ins Bad hinein.»Woody…«

Er drehte sich zu ihr um, grinste, sagte:»Hallo,

Schwesterchen «und drehte sich wieder weg, um von neuem kräftig zu inhalieren.

«Um Gottes willen, hör auf!«

«Nun entspann dich mal! Weißt du, wie man so etwas nennt? Drachen jagen. Siehst du — wie der kleine Drache sich in dem Rauch zusammenkrümmt?«Über sein Gesicht zog ein glückliches Lächeln.

«Woody, bitte, ich möchte mit dir reden!«

«Klar, Schwester. Was kann ich für dich tun? Ich weiß ja, daß es nicht um Geld geht. Wir sind ja Milliardäre! Was machst du denn für ein trauriges Gesicht? An einem so schönen Sonnentag!«Seine Augen glänzten.

Kendalls Blick ruhte voller Mitleid auf ihm.»Ich habe mich mit Peggy unterhalten, Woody. Sie hat mir erzählt, wie das alles angefangen hat — während deines Aufenthalts im Krankenhaus.«

Er nickte fröhlich.»Genau, es war das Beste, was mir im Leben passiert ist.«

«Nein — das Allerschrecklichste. Ist dir eigentlich klar, was du da machst?«

«Klar doch, Schwesterchen. Ich hab was vom Leben — ich mach was draus, Schwesterchen!«

Sie schüttelte mißbilligend den Kopf.»Du brauchst Hilfe.«

«Ich? Ich brauche keine Hilfe. Mir geht's prima.«

«Nein, dir geht's überhaupt nicht prima! Hör mir zu, Woody. Es geht um dein Leben — aber nicht nur um deines. Denk doch mal an Peggy. Überleg mal, wie lange sie deinetwegen jetzt schon durch die Hölle muß, und aus Liebe zu dir hat sie's all die Jahre ertragen. Du zerstörst nicht nur dein eigenes Leben, du zerstörst auch ihres. Du mußt etwas unternehmen — und zwar sofort, bevor's zu spät ist. Die Vorgeschichte ist völlig unwichtig, es ist absolut egal, unter welchen Umständen du mit den Drogen angefangen hast. Wichtig ist nur, wie du jetzt wieder von ihnen loskommst.«

Woodys Lächeln verblaßte. Er sah Kendall in die Augen und wollte etwas sagen:»Kendall…«, brach aber sofort ab.

«Ja?«

Er leckte sich die Lippen.»Ich… ich weiß, daß du recht hast. Ich möchte ja auch damit aufhören. Ich hab's sogar versucht, mein Gott, und ob ich das versucht habe. Nur… ich kann nicht.«

«Aber natürlich kannst du!«widersprach ihm Kendall mit fester Stimme.»Du kannst es schaffen. Wir werden es gemeinsam angehen, wir halten zu dir, Peggy und ich. Wer verschafft dir das Heroin, Woody?«