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Binnen einer Stunde hatte er das Haus verlassen.

Am nächsten Morgen ließ sich Kendall um Punkt neun Uhr mit Steve Sloane verbinden.

«Guten Morgen, Mrs. Renaud, was kann ich für Sie tun?«

«Ich komme heute nachmittag nach Boston zurück«, entgegnete Kendall.»Ich muß ein Geständnis ablegen.«

Blaß und sichtlich erschöpft saß sie Steve gegenüber. Sie wußte einfach nicht, wie sie beginnen sollte.

Steve half ihr.»Sie haben erwähnt, daß Sie ein Geständnis ablegen müssen.«

«Ja. Ich… ich habe einen Menschen umgebracht. «Sie begann zu weinen.»Es war ein Unfall, aber… ich bin von der Unfallstelle geflüchtet. «Ihr Gesicht war von Qualen verzerrt.»Ich bin geflüchtet… und habe die Frau auf der Straße liegenlassen.«

«Nun mal ganz ruhig«, beschwichtigte Steve.»Jetzt erzählen Sie mir mal alles der Reihe nach.«

Und Kendall erzählte.

Ihr Bericht dauerte eine gute halbe Stunde, und als sie geendet hatte, sah Steve nachdenklich aus dem Fenster.

«Und Sie wollen mit dieser Geschichte jetzt zur Polizei gehen?«

«Ja. Ich hätte es damals gleich tun sollen. Ich… es ist mir inzwischen gleichgültig, was mit mir geschieht.«

«Da Sie sich freiwillig stellen«, meinte Steve langsam,»und da es sich um einen Unfall handelte, wird das Gericht meiner Meinung nach beim Urteil Milde walten lassen.«

Sie hatte Mühe, die Fassung zu wahren.»Ich möchte die Sache endlich hinter mich bringen.«

«Und was ist mit Ihrem Mann?«

Sie hob den Kopf.»Was soll denn mit ihm sein?«

«Erpressung ist ein Verbrechen. Sie kennen die Schweizer Kontonummer, auf die Sie das Geld überwiesen haben, das er Ihnen gestohlen hat. Sie brauchen nur Anzeige zu erstatten…«

«Nein!«rief sie mit wilder Entschlossenheit.»Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Soll er in Zukunft doch sein eigenes Leben führen. Ich werde mich meinem Leben widmen.«

Steve nickte zustimmend.»Ganz wie Sie wollen. Ich werde Sie zum Polizeipräsidium begleiten. Es kann sein, daß Sie die Nacht im Gefängnis verbringen müssen, aber ich werde Sie sehr rasch auf Kaution herausholen.«

Kendall lächelte schwach.»Da kann ich endlich mal etwas gänzlich Neues tun.«

«Und das wäre?«

«Ein Kleid aus gestreiftem Stoff entwerfen.«

Als Steve abends nach Hause kam, berichtete er Julia von den Ereignissen des Tages.

Julia war entsetzt.»Sie ist von ihrem eigenen Mann erpreßt worden? Das ist ja furchtbar. «Sie betrachtete Steve eine Weile.»Ich finde es wunderbar, daß Sie Ihr Leben damit verbringen, Menschen in Not zu helfen.«

Steve Sloane wachte von dem Geruch frisch gekochten Kaffees und gebratenen Specks auf. Wieso ist heute denn die Haushälterin da? Er hatte ihr doch mitgeteilt, vorläufig nicht zu kommen. Er schlüpfte in Morgenmantel und Pantoffeln und rannte in die Küche.

Es war Julia, die Frühstück machte, und bei Steves Eintreten den Kopf hob.

«Guten Morgen!«rief sie fröhlich.»Und wie hätten Sie gern die Eier?«

«Ach… als Rührei.«

«In Ordnung. Rührei mit Speck ist sowieso meine Spezialität, das heißt, um ehrlich zu sein, meine einzige Spezialität. Wie ich schon sagte: Ich bin eine schreckliche Köchin.«

Steve mußte lächeln.»Sie haben es doch gar nicht nötig zu kochen. Sie könnten ganze Scharen von Köchen bei sich anstellen, wenn Sie wollen.«

«Werde ich wirklich soviel Geld erben, Steve?«

«Allerdings. Ihr Erbteil beträgt über eine Milliarde Dollar«, erwiderte er.

Sie hatte Mühe, es zu fassen.»Eine Milliarde?… Das kann ich nicht glauben.«

«Es stimmt aber.«

«So viel Geld gibt's doch auf der ganzen Welt nicht, Steve!«

«Na ja, Ihrem Vater hat eben ein großer Teil des Geldes dieser Welt gehört.«

«Ich… ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«

«Darf dann vielleicht ich eine Bemerkung machen?«

«Selbstverständlich.«

«Das Rührei brennt an.«

«Oje! Entschuldigung. «Sie nahm die Pfanne vom Herd.»Ich werde ein neues machen.«

«Lassen Sie nur. Der angebrannte Speck tut's völlig.«

Sie lachte.»Entschuldigung.«

Steve ging zum Schrank und holte eine Schachtel

Frühstücksflocken heraus.»Wie war's mit einem kalten Frühstück?«

«Perfekt«, sagte Julia.

Er schüttete Frühstücksflocken in zwei Schalen, holte die Milch aus dem Kühlschrank, und die beiden setzten sich an den Küchentisch.

«Haben Sie denn niemanden, der für Sie kocht?«fragte Julia.

«Sie meinen — ob ich fest liiert bin?«

Sie wurde rot.»So in die Richtung.«

«Nein. Ich hatte zwei Jahre lang eine feste Beziehung, aber es hat nicht wirklich funktioniert.«

«Tut mir leid.«

«Und was ist mit Ihnen?«fragte Steve.

Sie mußte an Henry Wessen denken.»Ich glaube nicht.«

Er musterte sie neugierig.»Sie sind sich nicht sicher?«

«Es ist schwer zu erklären. Einer von uns beiden möchte gern heiraten«, sagte sie taktvoll,»und der andere möchte nicht.«

«Verstehe. Wenn hier in Boston alles geklärt ist, werden Sie vermutlich nach Kansas City zurückkehren?«

«Ich weiß nicht. Ich bin ein wenig verwirrt, wissen Sie — meine Mutter wurde in Boston geboren, sie hat ihre Heimatstadt geliebt und mir oft und viel von hier erzählt, so daß ich irgendwie das Gefühl habe, als ob ich nach Hause gekommen wäre. Wenn ich doch nur meinen Vater kennengelernt hätte.«

Besser nicht, dachte Steve.

«Haben Sie ihn gekannt?«wollte Julia wissen.

«Nein, er hat nur mit Simon Fitzgerald Kontakt gehabt.«

Über eine Stunde saßen sie so da und unterhielten sich. Steve informierte Julia über den Stand der Dinge — von der Ankunft der Unbekannten, die sich als Julia Stanford ausgegeben hatte, vom leeren Grab Harry Stanfords und vom spurlosen Verschwinden Dmitri Kaminskis.

«Das ist ja unglaublich!«rief Julia.»Aber wer könnte dahinterstecken?«

«Weiß ich nicht, aber ich tue, was ich kann, um es herauszufinden«, versicherte Steve.»Sie befinden sich hier bei mir jedenfalls fürs erste in Sicherheit. Sie können wirklich ganz unbesorgt sein.«

«Ich fühle mich hier vollkommen sicher«, bekannte Julia mit einem warmen Lächeln.»Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.«

Er wollte etwas sagen, ließ es dann aber sein und warf einen Blick auf seine Armbanduhr.»Ich sollte mich jetzt besser ankleiden und ins Büro fahren. Es gibt ja noch ziemlich viel zu tun.«

Steve saß bei einer Besprechung im Büro des Seniors.

«Irgendwelche Fortschritte?«erkundigte sich Fitzgerald.

Steve schüttelte den Kopf.»Man fischt nur im trüben. Wer sich das alles ausgedacht hat, muß ein Genie sein. Ich versuche Dmitri Kaminski aufzuspüren. Er ist von Korsika nach Paris geflogen, und von dort weiter nach Australien. Ich habe mit der Polizei in Sydney telefoniert, und die war sprachlos, als sie erfuhr, daß Kaminski sich bei ihnen aufhält, denn er wird von Interpol steckbrieflich gesucht. Ich habe den dunklen Verdacht, daß Harry Stanford sein eigenes Todesurteil unterschrieb, als er bei dir anrief und sein Testament ändern wollte, und daß irgend jemand die Absicht hatte, genau das zu verhindern. Aber für die Vorgänge auf der Jacht während der fraglichen Nacht gibt es nur einen einzigen Augenzeugen, nämlich Dmitri Kaminski. Wenn wir ihn finden könnten, würden wir mehr wissen.«

«Ob wir die Polizei in unsere Überlegungen und Nachforschungen einbeziehen sollten? Was meinst du?«fragte Fitzgerald.

Steve schüttelte den Kopf.»Wir haben keinerlei handfeste Beweise, Simon, nur Vermutungen, die sich auf Indizien stützen. Das einzige nachweisbare Verbrechen ist das

Ausbuddeln von Stanfords Leiche — ohne daß wir den Täter kennen.«