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«Was hat Stanford denn jetzt schon wieder angestellt?«fragte Steve.

«Er hat sich ums Leben gebracht.«

«Er hat was?«stieß Steve entsetzt hervor.

«Ich habe soeben von der Polizei in Korsika ein Fax erhalten, demzufolge Stanford offenbar gestern von seiner Jacht ins Meer gestürzt und ertrunken ist.«

«O mein Gott!«

«Du hast ihn nie kennengelernt, aber ich bin über drei Jahrzehnte lang der Anwalt seines Vertrauens gewesen — er war ein schwieriger Mensch. «Fitzgerald lehnte sich im Sessel zurück und dachte an die Vergangenheit.»Im Grunde hat es immer zwei ganz und gar verschiedene Harry Stanfords gegeben — den Stanford, wie ihn die Öffentlichkeit kannte, der es auf geniale Weise verstand, die Vögel vom Baume des Kapitals in seine Netze zu locken, und der Schweinekerl, dem es einen Heidenspaß machte, andere Menschen zu zerstören. Er war ein unglaublicher Charmeur, der sich jedoch urplötzlich in eine Kobra verwandeln und sich gegen jeden wenden konnte. Er war eine gespaltene Persönlichkeit — er war beides in einem,

Schlangenbeschwörer und Schlange.«

«Klingt interessant.«

«Es ist gut dreißig Jahre her — einunddreißig Jahre, um genau zu sein —, daß ich in diese Kanzlei eingetreten bin, und damals hat ihn der alte Renquist betreut. Du kennst ja das Klischee von der >Überlebensgröße< bestimmter Menschen — nun ja, Harry Stanford war wirklich überlebensgroß. Wenn es ihn nicht gegeben hätte — den hätte bestimmt keiner erfunden. Er war ein Gigant, besaß eine unvorstellbare Tatkraft sowie unbändigen Ehrgeiz, er war ein großer Sportler, als Student Boxchampion seines Colleges und ein hervorragender Polospieler. Als Mensch war Harry Stanford aber bereits in jungen Jahren unmöglich. In meinem langen Leben bin ich niemandem begegnet, der so wie er ohne den leisesten Anflug von Mitgefühl war. Er war ein Sadist und ausgesprochen rachsüchtig — er hatte den Instinkt eines Aasgeiers. Es machte ihm ungeheuren Spaß, seine Konkurrenten in den Bankrott zu treiben, und wenn man den Gerüchten glaubt, hat er mehr als einen Selbstmord auf dem Gewissen.«

«Klingt ja ganz so, als ob er ein wahres Ekel gewesen wäre.«

«War er auch — einerseits, aber er hatte auch eine andere Seite: In Neu-Guinea hat er ein Waisenhaus, in Bombay ein Krankenhaus gestiftet, und er hat Millionen für wohltätige Zwecke gespendet, und zwar anonym. Er war ein Mensch, bei dem niemand wissen konnte, was er im nächsten Augenblick tun würde.«

«Und wie ist er zu seinem Reichtum gekommen?«

«Kennst du dich in der griechischen Mythologie aus?«

«In diesem Bereich sind meine Kenntnisse leicht eingerostet.«

«Die Geschichte von Ödipus ist dir aber vertraut?«

Steve nickte zustimmend.»Hat seinen Vater umgebracht, damit er an die Mutter herankam.«

«Richtig, und genauso war's bei Harry Stanford, nur daß der seinen Vater umbrachte, damit er ans Stimmrecht seiner Mutter herankam.«

Steve war sprachlos.»Wie bitte?«

Fitzgerald lehnte sich vor.»Harrys Vater hat als Lebensmittelhändler in Boston angefangen. Das Geschäft ging so gut, daß er bald einen zweiten Laden aufmachte, und es dauerte gar nicht lange, bis er Eigentümer einer hübschen kleinen Kette von Filialen war. Nach Harrys Collegeabschluß hat er ihn zum Teilhaber und Mitglied der Geschäftsführung gemacht. Aber wie ich schon sagte — Harry hatte einen unbändigen Ehrgeiz, und er hatte Visionen. Er wollte nicht bei Fleischfabriken und Gemüsegroßhändlern einkaufen, sondern plädierte dafür, daß die Lebensmittel-Ladenkette ihr eigenes Gemüse anbaute und Ländereien zur Aufzucht eines eigenen Viehbestands für die Fleischversorgung erwarb, mit dem man auch den Konservenbedarf selber decken konnte. Der Vater war dagegen, und es kam zwischen den beiden häufig zu Streitereien.

Dann hatte Harry die größte Idee aller Zeiten. Er entwickelte den Plan zur Gründung einer Supermarktkette, wo schlichtweg alles verkauft werden sollte — von Automobilen und Möbeln bis zu Lebensversicherungen, und das alles zu Discountpreisen; finanzieren wollte er das Ganze hauptsächlich über die Kunden, die durch Beitragszahlungen als Mitglieder sozusagen Kleinaktionäre ohne Stimmrecht würden. Der Vater hielt Harry für übergeschnappt und lehnte den Plan ab. Harry war jedoch nicht bereit, zu akzeptieren, daß sich ihm jemand oder etwas in den Weg stellte — also beschloß er, sich den alten Herrn vom Halse zu schaffen. Er überredete ihn zu einem langen Urlaub, und während der Abwesenheit des Vaters machte Harry sich daran, die Mitglieder des Aufsichtsrats von seiner Idee zu überzeugen.

Er war ein brillanter Verkäufer und hat es geschafft, ihnen sein Konzept zu verkaufen. Seine Tante und seinen Onkel, die beide im Aufsichtsrat saßen, hat er überredet, für ihn zu stimmen. Danach hat er die anderen Aktionäre mit Sitz und Stimme im Aufsichtsrat becirct, hat sie mittags zum Gespräch in Luxusrestaurants eingeladen, und mit einem ist er zur Fuchsjagd ausgeritten, mit einem anderen zum Golfspielen gegangen. Einer stand unter dem Pantoffel seiner Frau — also hat Harry mit der Frau geschlafen, und sie hat ihren Mann für ihn herumgekriegt. Allerdings befanden sich die meisten Firmenanteile im Besitz seiner Mutter, deren Votum folglich entscheidend war. Und Harry hat seine Mutter tatsächlich dahin gebracht, daß sie ihre Stimmrechte an ihn abtrat — damit er ihren Mann ausbooten konnte.«

«Unglaublich!«

«Als Harrys Vater dann aus den Ferien zurückkehrte, mußte er feststellen, daß seine Verwandten ihm in seiner eigenen Firma das Ruder aus der Hand genommen hatten.«

«Großer Gott!«

«Das ist aber noch nicht alles, denn das war Harry noch lange nicht genug. Als sein Vater in sein eigenes Büro wollte, mußte er feststellen, daß er Hausverbot hatte. Und vergiß eines nicht: Harry war damals gerade erst Anfang Dreißig. Kein Wunder, daß man ihm im Betrieb den Spitznamen >der Eismensch< verpaßt hatte. Doch Ehre, wem Ehre gebührt, Steve. Er hat es aus eigener Kraft geschafft, Stanford Enterprises zu einem der größten Mischkonzerne der Welt aufzubauen. Die Firma expandierte, bis sie Bauholz, Chemie, Kommunikation, Elektronik und einen atemberaubenden Immobilienbesitz umfaßte. Und am Ende war er auch noch einziger Aktionär.«

«Er muß ja wirklich unvorstellbare Erfolge gehabt haben«, kommentierte Steve.

«Hatte er auch, im Umgang mit Männern — wie bei Frauen.«

«Ist er verheiratet gewesen?«

Simon Fitzgerald schwieg nachdenklich und erklärte schließlich:»Harry Stanford war verheiratet — mit einer der schönsten Frauen, die ich je kennengelernt habe — mit Emily Temple. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, zwei Jungen und ein Mädchen. Emily entstammte einer Familie der oberen Gesellschaftsschicht in Hobe Sound, Florida. Sie hat Harry angebetet, und sie hat sich Mühe gegeben, seine außerehelichen Eskapaden zu ignorieren, doch eines schönen Tages war das Maß voll. Sie hatte eine Gouvernante für die Kinder eingestellt, eine gewisse Rosemary Nelson, eine reizende junge Frau, und für Harry noch reizvoller, als sie sich weigerte, mit ihm ins Bett zu gehen. Das hat ihn schier wahnsinnig gemacht, denn er war es nicht gewöhnt, abgewiesen zu werden. Da hat Harry Stanford seinen ganzen Charme aufgeboten, er konnte unwiderstehlich sein, und zu guter Letzt hat er's eben doch geschafft, Rosemary ins Bett zu kriegen. Sie wurde schwanger und ist zum Arzt gegangen. Aber leider hatte dieser Arzt einen Schwiegersohn, der Klatschkolumnist war, und als der von der Sache Wind bekam, hat er sie in die Presse gebracht, und es gab einen furchtbaren Skandal. Du kennst ja Boston. Die Zeitungen waren voll davon. Ich habe mir damals alle Artikel ausgeschnitten.«