«Lord Hoster ist ans Bett gefesselt, Mylady«, erklärte der Haushofmeister ihres Vaters. Wann war der gute Mann so alt und grau geworden?» Er hat mich angewiesen, Euch sogleich zu ihm zu geleiten.«
«Ich bringe sie. «Edmure führte sie die Wassertreppe hinauf und über den unteren Burghof, auf dem Petyr Baelish und Brandon Stark einst um ihretwillen die Schwerter gekreuzt hatten. Die massiven Sandsteinmauern des Turmes ragten über ihnen auf. Als sie zwischen zwei Gardisten mit fischförmigem Helmschmuck durch eine Tür traten, fragte sie:»Wie schlimm steht es?«und fürchtete die Antwort schon, noch während sie die Frage stellte.
Edmures Miene war ernst.»Er wird nicht mehr lange bei uns sein, sagten die Maester. Der Schmerz ist… bleibend und quälend.«
Blinder Zorn erfüllte sie, ein Zorn auf alle Welt, auf ihren Bruder Edmure und ihre Schwester Lysa, auf die Lannisters, auf die Maester, auf Ned und ihren Vater und die ungeheuerlichen Götter, die ihr beide nehmen wollten.»Du hättest es mir sagen sollen«, sagte sie.»Du hättest mir Nachricht geben sollen, sobald du es wußtest.«
«Er hat es mir verboten. Seine Feinde sollten nicht wissen, daß er im Sterben lag. Da das Reich sich in so schwieriger Lage befand, fürchtete er, wenn die Lannisters vermuten sollten, wie gebrechlich er war..«
«… würden sie uns angreifen?«endete Catelyn harsch. Es war dein Werk, deines, flüsterte eine Stimme in ihr. Wenn du dich nicht bemüßigt gefühlt hättest, den Zwerg gefangenzunehmen…
Schweigend erklommen sie die Wendeltreppe.
Der Turm war dreieckig, wie Riverrun selbst auch, und ein Balkon ragte wie der Kiel eines großen, steinernen Schiffes gen Osten. Von diesem Punkt aus konnte der Burgherr über seine Mauern und Zinnen und darüber hinaus dorthin blicken, wo die Fluten einander begegneten. Man hatte das Bett ihres Vaters auf den Balkon hinausgestellt.»Er sitzt gern in der Sonne und betrachtet die Flüsse«, erklärte Edmure.»Vater, seht doch, wen ich Euch bringe. Cat ist gekommen, Euch zu besuchen…«
Hoster Tully war stets ein großer Mann gewesen, in seiner Jugend hochgewachsen und breitschultrig, dann stämmiger, je älter er wurde. Jetzt wirkte er geschrumpft, hatte kaum noch Muskeln und Fleisch auf den Knochen. Selbst sein Gesicht war eingefallen. Als Catelyn ihn zuletzt gesehen hatte, waren Haar und Bart braun gewesen, von Grau durchzogen. Nun waren sie weiß wie Schnee.
Beim Klang von Edmures Stimme schlug er die Augen auf.»Kleines Kätzchen«, murmelte er mit einer Stimme, die dünn war und von Schmerz gebrochen.»Mein kleines Kätzchen. «Ein zitterndes Lächeln huschte über sein Gesicht, als seine Hände nach den ihren griffen.»Ich habe auf dich gewartet…«
«Ich lasse euch allein«, sagte ihr Bruder und küßte ihren Hohen Vater sanft auf die Stirn, bevor er sich zurückzog.
Catelyn kniete nieder und hielt die Hand ihres Vaters. Es war eine große Hand, doch fleischlos, die Knochen lose unter der
Haut, alle Kraft daraus entschwunden.»Ihr hättet es mir sagen sollen«, sagte sie.»Ein Reiter, ein Rabe…«
«Reiter werden gefangen und verhört«, antwortete er.»Raben werden abgeschossen…«Ein Schmerzkrampf nahm von ihm Besitz, und seine Finger krallten sich fest in ihre.»Die Krebse sind in meinem Bauch… zwicken, dauernd zwicken sie. Bei Tag und Nacht. Sie haben große Scheren, diese Krebse. Maester Vyman macht mir Traumwein, Mohnblumensaft… ich schlafe viel… aber ich wollte wach sein, wenn du kommst. Ich fürchtete… als die Lannisters deinen Bruder gefaßt hatten, die Lager überall um uns… ich fürchtete, ich müßte gehen, bevor ich dich noch einmal sehen konnte… ich fürchte…«
«Ich bin hier, Vater«, sagte sie.»Mit Robb, meinem Sohn. Auch er wird Euch sehen wollen.«
«Dein Junge«, flüsterte er.»Er hatte meine Augen, ich weiß noch… «
«Hatte er und hat er noch. Und wir haben dir Jaime Lannister gebracht, in Ketten. Riverrun ist wieder frei, Vater.«
Lord Hoster lächelte.»Ich habe es beobachtet. Gestern abend, als es begann, ich habe ihnen gesagt… mußte es sehen. Sie haben mich zum Torhaus getragen.. hab von den Zinnen aus zugeschaut. Ach, es war wunderschön… die Fackeln wie eine Welle, ich konnte die Schreie über den Fluß hören.. süße Schreie… als dieser Belagerungsturm in Flammen aufging… hätte sterben können, froh, wenn ich nur deine Kinder vorher noch hätte sehen können. War es dein Junge, der es vollbracht hat? War es dein Robb?«
«Ja«, sagte Catelyn voller Stolz.»Es war Robb… und Brynden. Euer Bruder ist auch hier, Mylord.«
«Er. «Die Stimme ihres Vaters war ein schwaches Flüstern.»Blackfish… ist zurück? Aus dem Grünen Tal?«
«Ja.«
«Und Lysa?«Kühler Wind wehte durch sein dünnes, weißes Haar.»Steht mir bei, ihr Götter, deine Schwester… ist sie auch gekommen?«
Er klang so voller Hoffnung und Sehnsucht, daß es ihr schwerfiel, ihm die Wahrheit zu sagen.»Nein, es tut mir leid… «
«Oh. «Seine Miene brach in sich zusammen, und etwas von dem Licht in seinen Augen verging.»Ich hatte gehofft.. ich hätte sie gern gesehen, bevor…«
«Sie ist bei ihrem Sohn auf der Eyrie.«
Müde nickte Lord Hoster.»Lord Robert jetzt, der arme Arryn ist tot… ich erinnere mich… warum ist sie nicht mit dir gekommen?«
«Sie hat Angst, Mylord. Auf der Eyrie fühlt sie sich sicher. «Sie küßte seine faltige Stirn.»Robb wird schon warten. Wollt Ihr ihn sehen? Und Brynden?«
«Dein Sohn«, flüsterte er.»Ja. Cats Kind… er hatte meine Augen, ich erinnere mich. Als er geboren wurde. Bring ihn.. ja.«
«Und Euer Bruder?«
Ihr Vater blickte auf die Flüsse hinaus.»Blackfish«, sagte er.»Hat er inzwischen geheiratet? Sich ein… Mädchen zur Frau genommen?«
Selbst noch auf dem Totenbett, dachte Catelyn traurig.»Er hat nicht geheiratet. Das wißt Ihr, Vater. Und er wird es auch nie tun.«
«Ich habe es ihm gesagt… ihm befohlen. Heirate! Ich war sein Lord. Er weiß es. Mein Recht, seine Partie zu wählen. Eine gute Partie. Eine Redwyne. Altes Haus. Süßes Mädchen, hübsch… Sommersprossen.. Bethany, ja. Armes Kind. Wartet noch heute. Ja. Immer noch…«
«Bethany Redwyne hat vor Jahren schon Lord Rowan geheiratet«, rief Catelyn ihm in Erinnerung.»Sie hat drei Kinder von ihm.«
«Trotzdem«, murmelte Lord Hoster.»Trotzdem. Hat auf das Mädchen gespuckt. Die Redwynes. Hat auf mich gespuckt. Sein Lord, sein Bruder… dieser Blackfish. Ich hatte andere Angebote. Lord Brackens Mädchen. Walder Frey… eines von dreien, sagte er… Hat er geheiratet? Irgendeine? Irgendeine?«
«Keine«, sagte Catelyn,»aber er ist manche Wegstunde geritten, um Euch zu sehen, hat sich den Weg zurück nach Riverrun erstritten. Ich wäre jetzt nicht hier, wenn Ser Brynden uns nicht geholfen hätte.«
«Er war schon immer ein Krieger«, stellte ihr Vater mit rauher Stimme fest.»Das konnte er gut. Ritter des Tores, ja. «Er lehnte sich zurück und schloß die Augen, unaussprechlich müde.
«Schick ihn herein. Später. Ich will jetzt schlafen. Zu krank zum Streiten. Schick ihn später herauf, den Blackfish…«
Catelyn küßte ihn sanft, strich sein Haar glatt und ließ ihn dort im Schatten seines Turmes zurück, unter dem seine Flüsse rauschten. Er schlief, bevor sie sein Solar verlassen hatte.
Als sie wieder in den unteren Burghof kam, stand Ser Brynden Tully mit feuchten Stiefeln auf der Wassertreppe und unterhielt sich mit dem Hauptmann der Garde von Riverrun. Augenblicklich kam er zu ihr.»Ist er…?«
«Dem Tode nah«, sagte sie.»Wie wir es befürchtet hatten. «Das zerfurchte Gesicht ihres Onkels offenbarte deutlich seinen Schmerz. Er fuhr mit seinen Fingern durch das dicke, graue Haar.»Will er mich sehen?«
Sie nickte.»Er sagt, er ist zu krank, um sich zu streiten. «Brynden Blackfish lachte leise.»Und ich bin zu lange schon Soldat, als daß ich es ihm glauben würde. Hoster wird mich wegen dieses Redwyne-Mädchens noch tadeln, wenn wir bei seiner Beerdigung den Scheiterhaufen anstecken, verdammt