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Lord Baelish strich über seinen kleinen, spitzen Bart und sagte:»Nicht? Sag mir, Kindchen, warum hättest du Ser Loras geschickt?«

Sansa blieb nur, ihm von Helden und Ungeheuern zu erzählen. Der Ratsmann des Königs lächelte.»Nun, das sind nicht die Gründe, die ich angeführt hätte, aber…«Er hatte ihre Wange berührt, wobei sein Daumen sanft an ihrem Unterkiefer entlangstrich.»Das Leben ist kein Lied, mein süßes Kind. Das wirst du zu deinem Bedauern eines Tages noch feststellen müssen.«

Sansa war nicht danach zumute, das alles Jeyne zu erzählen. Der bloße Gedanke daran machte sie ganz unruhig.

«Ser Ilyn ist der Henker des Königs, nicht Ser Loras«, wandte Jeyne ein.»Ihn hätte Lord Eddard schicken sollen.«

Ein Schauer durchfuhr Sansa. Jedesmal, wenn sie Ser Ilyn Payne sah, lief es ihr kalt über den Rücken. Dann war ihr, als glitte etwas Totes über ihre nackte Haut.»Ser Ilyn ist fast selbst ein Ungeheuer. Ich bin froh, daß Vater ihn nicht schicken wollte.«

«Lord Beric ist ein ebensolcher Held wie Ser Loras. Er ist nicht minder tapfer und galant.«

«Vermutlich«, sagte Sansa voller Zweifel. Beric Dondarrion war wirklich gutaussehend, hingegen war er schrecklich alt, fast schon zweiundzwanzig. Der Ritter der Blumen wäre viel besser gewesen. Natürlich hatte sich Jeyne in Lord Beric schon verliebt, als sie ihn zum ersten Mal beim Turnier sah. Sansa fand sie etwas albern. Schließlich war Jeyne nur eine Haushofmeisterstochter, und sosehr sie ihn auch anhimmelte, würde Lord Beric doch niemals jemanden auch nur eines Blickes würdigen, der so weit unter ihm stand, selbst wenn sie nicht erst halb so alt wie er gewesen wäre.

Allerdings wäre es unfreundlich gewesen, so etwas zu sagen, daher nahm Sansa einen Schluck Milch und wechselte das Thema.»Ich habe geträumt, Joffrey hätte den weißen Hirschen erlegt«, sagte sie. Eigentlich war es eher so etwas wie ein Wunsch gewesen, aber es klang besser, wenn man es als Traum bezeichnete. Jedermann wußte, daß Träume prophetisch waren. Weiße Hirsche sollten angeblich sehr selten sein und Zauberkraft besitzen, und in ihrem Herzen wußte sie, daß ihr galanter Prinz mehr wert war als sein Trunkenbold von einem Vater.

«Ein Traum? Wirklich? Ist Prinz Joffrey nur zu ihm gegangen, hat ihn mit seiner nackten Hand berührt und ihm nichts angetan?«

«Nein«, sagte Sansa.»Er hat ihn mit einem goldenen Pfeil erlegt und ihn mir gebracht. «In den Liedern haben die Ritter magische Tiere niemals getötet, sie traten nur an sie heran, berührten sie und taten ihnen nichts, aber sie wußte, daß Joffrey gern jagte und besonders gern tötete. Wenn auch nur Tiere. Sansa war sicher, daß ihr Prinz nichts mit dem Mord an Jory und diesen anderen armen Männern zu schaffen hatte. Es war sein böser Onkel, der Königsmörder, gewesen. Sie wußte, daß ihr Vater darüber nach wie vor erzürnt war, doch war es nicht fair, Joff die Schuld dafür zu geben. Es wäre das gleiche, als würde man ihr etwas zur Last legen, das Arya getan hatte.

«Ich habe deine Schwester heute nachmittag gesehen«, platzte Jeyne heraus, als hätte sie Sansas Gedanken gelesen.

«Sie ist auf Händen durch den Stall gelaufen. Warum tut sie so

etwas?«

«Ich begreife auch nicht, was Arya tut. «Sansa haßte Ställe, stinkende Löcher voller Mist und Fliegen. Selbst wenn sie reiten ging, war es ihr lieb, wenn der Stallbursche das Pferd sattelte und es ihr auf den Hof brachte.»Willst du vom Hofe hören oder nicht?«

«Will ich«, sagte Jeyne.

«Da war einer von den Schwarzen Brüdern«, sagte Sansa,»der um Männer für die Mauer bat, nur war er irgendwie alt, und er hat gestunken. «Das hatte ihr überhaupt nicht gefallen. Stets hatte sie sich vorgestellt, die Nachtwache bestünde aus Männern wie Onkel Benjen. In den Liedern nannte man sie die schwarzen Ritter von der Mauer. Dieser Mann jedoch war krumm und eklig gewesen, und er sah aus, als hätte er Läuse. Wenn die Nachtwache in Wirklichkeit so war, empfand sie Mitleid für ihren Halbbruder Jon.»Vater hat gefragt, ob Ritter im Saale seien, die ihrem Haus Ehre machen wollten, indem sie das Schwarz anlegten, aber keiner trat vor, also durfte Yoren ein paar Leute aus dem Kerker des Königs wählen. Und später traten diese beiden Brüder vor ihn, freie Ritter aus den Dornischen Marschen, und stellten ihre Schwerter in den Dienst des Königs. Vater nahm ihren Eid an…«

Jeyne gähnte.»Sind da noch Zitronenkekse?«

Sansa ließ sich nicht gern unterbrechen, doch mußte sie zugeben, daß Zitronenkekse auch bei ihr selbst mehr Interesse fanden als das meiste von dem, was im Thronsaal vor sich gegangen war.»Sehen wir nach«, sagte sie.

In der Küche gab es keine Zitronenkekse, dafür entdeckten sie die Hälfte eines kalten Erdbeerkuchens, und der schmeckte fast ebenso gut. Sie aßen ihn auf den Stufen des Turmes, kicherten, schwätzten und teilten Geheimnisse, und als Sansa an diesem Abend zu Bett ging, fühlte sie sich fast so unartig

wie Arya.

Am nächsten Morgen wachte sie noch vor der Sonne auf und schlich verschlafen zum Fenster, wo sie sah, daß Lord Belric seine Männer Aufstellung nehmen ließ. Sie ritten hinaus, während sich das Morgengrau über der Stadt ausbreitete, mit drei Bannern vornweg. Der gekrönte Hirsch des Königs flatterte am höchsten Stock, der Schattenwolf der Starks und Lord Belrics Standarte mit dem gegabelten Blitz an kürzeren Stangen. Das alles war so aufregend wie ein Lied, das Wirklichkeit wurde. Das Klappern von Schwertern, das Flackern des Fackelscheins, Banner tanzten im Wind, Pferde schnaubten und wieherten, der goldene Glanz der aufgehenden Sonne drang durch das Fallgitter, als dieses hochgezogen wurde. Die Männer von Winterfell sahen in ihren silbernen Kettenhemden und den langen, grauen Umhängen besonders edel aus.

Alyn trug das Banner der Starks. Als sie bemerkte, wie er neben Lord Belric ritt, um mit ihm ein paar Worte zu wechseln, wurde Sansa ganz stolz. Alyn war hübscher, als Jory je gewesen war. Eines Tages würde er ein Ritter sein.

Der Turm der Hand erschien verlassen, nachdem sie fortgeritten waren, so daß sich Sansa sogar freute, Arya zu treffen, als sie nach unten ging, um ihr Morgenbrot zu sich zu nehmen.»Wo sind die anderen?«wollte ihre Schwester wissen, wobei sie die Schale von einer Blutorange riß.»Hat Vater sie ausgesandt, um Jaime Lannister zu jagen?«

Sansa seufzte.»Sie sind mit Lord Belric geritten, um Ser Gregor Clegane zu köpfen. «Sie wandte sich Septa Mordane zu, die Porridge mit einem hölzernen Löffel aß.»Septa, wird Lord Belric Ser Gregor Cleganes Kopf an seinem eigenen Tor aufspießen oder ihn dem König bringen?«Darüber hatte sie am Abend zuvor schon mit Jeyne Poole gestritten.

Die Septa war starr vor Entsetzen.»Darüber spricht eine

Dame nicht beim Porridge. Wo bleiben deine Manieren, Sansa? Ich fürchte, in letzter Zeit bist du fast so schlimm wie deine Schwester.«

«Was hat Gregor denn getan?«fragte Arya.

«Er hat eine Festung niedergebrannt und eine ganze Menge Menschen ermordet, auch Frauen und Kinder.«

Arya zog eine finstere Miene.»Jaime Lannister hat Jory und Heward und Wyl ermordet, und der Bluthund Mycah war mit von der Partie. Irgend jemand sollte die beiden köpfen.«

«Das ist nicht dasselbe«, wandte Sansa ein.»Der Bluthund ist Joffreys Leibwache. Dein Schlachterjunge hat den Prinzen angegriffen.«

«Lügnerin«, sagte Arya. Ihre Hand schloß sich so fest um die Blutorange, daß roter Saft zwischen ihren Fingern hervorquoll.

«Nenn mich, wie du willst«, erwiderte Sansa blasiert.»Das wirst du nicht mehr wagen, wenn ich mit Joffrey verheiratet bin. Du wirst dich vor mir verneigen und mich >Eure Hoheit< nennen. «Sie kreischte, als Arya die Blutorange über den Tisch warf und sie an der Stirn traf. Dann fiel ihr das matschige Ding in den Schoß.

«Ihr habt Saft im Gesicht, Hoheit«, höhnte Arya.