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Das Seidenzelt, welches das Dach der Halle Khal Drogos darstellte, war heute abend eingerollt, und der Mond folgte ihnen hinein. Flammen sprangen aus drei mächtigen, steinernen Feuerstellen jeweils drei Meter in die Luft. Dicht hing der Duft von brutzelndem Fleisch und geronnener, gegorener Stutenmilch in der Luft. In der Halle war es voll und laut, als sie eintrafen, auf den Kissen drängten sich jene, deren Rang und Name nicht genügte, der Zeremonie beizuwohnen. Während Dany durch den Eingangsbogen und den Gang hinauf ritt, waren alle Blicke auf sie gerichtet. Die Dothraki riefen ihr Bemerkungen über ihren Bauch und ihre Brust zu, grüßten das Leben, das darin ruhte. Sie konnte nicht alles verstehen, einen Satz hingegen hörte sie deutlich heraus.»Der Hengst, der die Welt besteigt«, wurde von tausend Stimmen gebellt.

Trommeln und Hörner schwangen sich in die Nacht auf. Halbnackte Frauen drehten sich und tanzten auf den flachen Tischen, inmitten von Bratenplatten und Tellern, auf denen sich Pflaumen und Datteln und Granatäpfel stapelten. Viele der Männer waren betrunken von gegorener Stutenmilch, aber Dany wußte, daß sich heute abend keine arakhs kreuzen würden, nicht hier in der heiligen Stadt, wo Klingen und Blutvergießen verboten waren.

Khal Drogo stieg ab und nahm seinen Platz auf der Hohen Bank ein. Khal Jommo und Khal Ogo, die mit ihren khalasars bereits in Vaes Dothrak gewesen waren, nahmen die Ehrenplätze links und rechts von Drogo ein. Die Blutreiter der drei khals saßen gleich darunter, und weiter unten Khal Jommos vier Frauen.

Dany stieg von ihrem Silbernen und überließ die Zügel einem der Sklaven. Während Doreah und Irri ihre Kissen ordneten, suchte sie nach ihrem Bruder. Selbst noch auf der anderen Seite der Halle wäre Viserys mit seiner hellen Haut, dem silbernen Haar und seinen Bettlerlumpen aufgefallen, doch sah sie ihn nirgendwo.

Ihr Blick wanderte umher, wo Männer, deren Zöpfe kürzer als ihre Männlichkeit waren, auf ausgefransten Teppichen um flache Tische saßen, alle Gesichter, die sie sah, hatten allerdings schwarze Augen und kupferfarbene Haut. Sie entdeckte Ser Jorah Mormont in der Mitte der Halle, nahe der mittleren Feuerstelle. Der Platz zeugte von hoher Achtung, wenn nicht von großer Ehre. Die Dothraki schätzten das Können des Ritters mit dem Schwert. Dany schickte Jhiqui, um ihn an ihren Tisch zu holen. Mormont kam eilig und sank vor ihr auf die Knie.»Khaleesi«, sagte er,»ich stehe zu Eurer Verfügung.«

Sie strich über das dicke Kissen aus Pferdeleder neben sich.»Nehmt Platz und unterhaltet Euch mit mir.«

«Ihr ehrt mich. «Der Ritter sank mit gekreuzten Beinen auf das Kissen. Ein Sklave kniete vor ihm, bot einen hölzernen Teller mit reifen Feigen an. Ser Jorah nahm eine und biß sie in zwei Hälften.

«Wo ist mein Bruder?«fragte Dany.»Er hätte längst da sein sollen, zum Fest.«

«Ich habe Seine Majestät heute morgen gesehen«, erklärte er.»Er sagte, er wolle zum Westlichen Markt, um sich Wein zu beschaffen.«

«Wein?«sagte Dany zweifelnd. Viserys konnte den Geschmack der gegorenen Stutenmilch nicht ertragen, welche die Dothraki tranken, das wußte sie, und in letzter Zeit war er oft auf den Basaren und soff mit den Händlern, die in großen Karawanen aus Ost und West kamen. Deren Gesellschaft schien er mehr zu genießen als die ihre.

«Wein«, versicherte Ser Jorah,»und er denkt daran, unter den Söldnern, die die Karawanen schützen, Männer für seine Armee zu rekrutieren. «Ein Dienstmädchen stellte einen Blutauflauf vor ihm ab, und er machte sich mit beiden Händen darüber her.

«Ist das klug?«fragte sie.»Er hat kein Gold, um die Soldaten zu bezahlen. Was ist, wenn er betrogen wird?«Karawanenwächter sorgten sich nur selten um Fragen der Ehre, und der Usurpator in King's Landing würde für den Kopf ihres Bruders gut bezahlen.»Ihr hättet mit ihm gehen sollen, damit er in Sicherheit ist. Ihr seid seine Leibwache.«

«Wir sind in Vaes Dothrak«, erinnerte er sie.»Hier darf niemand eine Klinge bei sich tragen oder das Blut eines anderen vergießen.«

«Dennoch sterben Menschen«, sagte sie.»Jhogo hat es mir erzählt. Einige Händler haben Eunuchen bei sich, hünenhafte Männer, die Diebe mit Seidenfetzen strangulieren. So wird kein Blut vergossen, und die Götter zürnen nicht.«

«Dann laßt uns hoffen, daß Euer Bruder klug genug ist, nichts zu stehlen. «Ser Jorah wischte sich das Fett mit dem Handrücken vom Mund und beugte sich weit über den Tisch.»Er plante, Eure Dracheneier zu stehlen, bis ich ihn gewarnt habe, ich würde ihm die Hand abhacken, sollte er sie auch nur anrühren.«

Einen Moment lang war Dany so schockiert, daß ihr die Worte fehlten.»Meine Eier… aber sie gehören mir. Magister Illyrio hat sie mir geschenkt, als Brautgabe, wieso sollte Viserys… es sind nur Steine…«

«Dasselbe könnte man auch von Rubinen und Diamanten und Feueropalen sagen, Prinzessin… und Dracheneier sind noch weit seltener. Diese Händler, mit denen er getrunken hat, würden sogar ihre Männlichkeit für einen dieser Steine geben, und mit allen dreien könnte Viserys so viele Söldner kaufen, wie er braucht.«

Das hatte Dany nicht gewußt, nicht einmal geahnt.»Dann… er soll sie bekommen. Stehlen muß er dafür nicht. Er hätte nur zu fragen brauchen. Schließlich ist er mein Bruder und mein wahrer König.«

«Er ist Euer Bruder«, räumte Ser Jorah ein.

«Ihr versteht nicht, Ser«, sagte sie.»Meine Mutter starb, als ich geboren wurde, und mein Vater und mein Bruder Rhaegar noch davor. Ich hätte nicht einmal ihre Namen gekannt, wenn Viserys nicht gewesen wäre und sie mir gesagt hätte. Er war als einziger noch übrig. Der einzige. Er ist alles, was ich habe.«

«Früher einmal«, entgegnete Ser Jorah.»Jetzt nicht mehr, Khaleesi. Ihr gehört zu den Dothraki. In Eurem Schoß reitet der Hengst, der die Welt besteigt. «Er hielt seinen Becher einer Sklavin hin, die ihn mit gegorener Stutenmilch, säuerlich mit dicken Klumpen, füllte.

Dany verscheuchte sie mit einer Handbewegung. Der bloße Geruch bereitete ihr Übelkeit, und sie wollte nicht riskieren, daß ihr das Pferdeherz, das sie sich mühsam hereingezwungen hatte, wieder hochkam.»Was bedeutet das?«fragte sie.»Was ist dieser Hengst? Alle rufen es mir zu, aber ich verstehe nicht.«

«Der Hengst ist der khal der khals, von dem in alten Prophezeiungen die Rede ist, mein Kind. Er wird die Dothraki zu einem einzigen khalasar einen und an die Enden der Welt reiten, so zumindest wird es vorhergesagt. Alle Völker dieser Welt werden seiner Herde angehören.«

«Oh«, sagte Dany mit leiser Stimme. Sie strich den Umhang auf der Wölbung ihres Bauches glatt.»Ich habe ihn Rhaego genannt.«

«Ein Name, bei dem das Blut des Usurpators gefrieren dürfte.«

Plötzlich zupfte Doreah an ihrem Ellbogen.»Mylady«, flüsterte die Magd dringlich,»Euer Bruder…«

Dany sah durch die lange, dachlose Halle, und dort kam er, strebte ihr entgegen. Am Schlurfen seiner Schritte erkannte sie, daß Viserys Wein gefunden hatte… und etwas, das wie Mut aussah.

Er trug rote Seide, verschmutzt und fleckig von der Reise. Sein Umhang und die Handschuhe waren aus schwarzem Samt, den die Sonne gebleicht hatte. Die Stiefel waren ausgetrocknet und brüchig, das silberblonde Haar matt und verfilzt. Ein Langschwert hing in einer ledernen Scheide an seinem Gürtel. Die Dothraki musterten das Schwert, als er an ihnen vorüberging. Dany hörte, daß sich um sie herum Flüche und Drohungen und wütendes Gemurmel erhoben wie ein Sturm. Die Musik erstarb.

Furcht schloß sich um ihr Herz.»Geht zu ihm«, befahl sie Ser Jorah.»Haltet ihn auf! Bringt ihn her! Sagt ihm, die Dracheneier gehören ihm, wenn er sie unbedingt haben will. «Eilig erhob sich der Ritter.

«Wo ist meine Schwester?«rief Viserys, und seine Stimme war belegt vom Wein.»Ich bin zu ihrem Fest gekommen. Wie könnt Ihr Euch erdreisten, ohne mich zu speisen? Niemand ißt, solange der König noch nicht gegessen hat. Wo ist sie? Die Hure kann sich vor dem Drachen nicht verstecken.«