«Ausgezeichnet. Ihr lernt dazu. «Littlefinger beugte sich vor.»Allerdings gehe ich davon aus, daß Ihr mich nicht habt holen lassen, um mitten in der Nacht mit mir über den Eunuchen zu sprechen.«
«Nein«, gab Ned zu.»Ich kenne das Geheimnis, dessentwegen Jon Arryn ermordet wurde. Robert wird keinen Sohn hinterlassen. Joffrey und Tommen sind Jaime Lannisters Bastarde, geboren aus seiner inzestuösen Verbindung mit der
Königin.«
Littlefinger zog eine Augenbraue hoch.»Schockierend«, sagte er mit einem Tonfall, der andeutete, wie wenig er schockiert war.»Das Mädchen auch? Zweifelsohne. Wenn also der König stirbt…«
«Der Thron geht rechtmäßig an Lord Stannis über, den älteren von Roberts Brüdern.«
Lord Petyr strich sich durch den spitzen Bart, während er die Angelegenheit überdachte.»So scheint es wohl. Es sei denn…«
«Es sei denn, Mylord? Hier gibt es keinen Anschein. Stannis ist der Erbe. Daran ist nicht zu rütteln.«
«Stannis kann den Thron nicht ohne Eure Hilfe besteigen. Wenn Ihr klug seid, sorgt Ihr dafür, daß Joffrey die Nachfolge antritt.«
Mit steinernem Blick sah Ned ihn an.»Habt Ihr auch nur einen Funken Ehrgefühl?«
«Oh, einen Funken schon«, erwiderte Littlefinger salopp.»Hört mich an. Stannis ist nicht Euer Freund, und auch nicht der meine. Selbst seine Brüder können ihn kaum ertragen. Der Mann ist aus Eisen, hart und unnachgiebig. Er wird uns eine neue Rechte Hand und einen neuen Rat geben, soviel ist sicher. Zweifellos wird er Euch danken, daß Ihr ihm die Krone überreicht habt, doch wird er Euch dafür nicht lieben. Und sein Aufstieg wird Krieg bedeuten. Stannis wird auf dem Thron erst sicher sitzen, wenn Cersei und ihre Bastarde tot sind. Glaubt Ihr, Lord Tywin würde müßig zusehen, wenn der Kopf seiner Tochter auf einer Eisenstange steckt? Casterly Rock wird sich erheben, und das nicht allein. Robert hatte die Eigenheit, Männern zu verzeihen, die König Aerys gedient hatten, solange sie ihm Treue schworen. Stannis ist weniger versöhnlich. Er wird die Belagerung von Storm's End nicht vergessen haben, und die Lords Tyrell und Redwyne ganz sicher nicht. Jedermann, der unter dem Drachenbanner gefochten oder sich mit Balon Greyjoy erhoben hat, wird allen Grund haben, sich zu fürchten. Setzt Stannis auf den Eisernen Thron, und ich verspreche Euch, das Reich wird bluten.
Dann seht Euch die andere Seite der Münze an. Joffrey ist erst zwölf, und Robert hat Euch die Regentschaft übertragen, Mylord. Ihr seid die Rechte Hand des Königs und Protektor des Reiches. Die Macht liegt bei Euch, Lord Stark. Ihr müßt nur die Hand ausstrecken und danach greifen. Schließt Frieden mit den Lannisters. Befreit den Gnom. Vermählt Joffrey mit Sansa. Vermählt Euer jüngeres Mädchen mit Prinz Tommen und Euren Erben mit Myrcella. Es dauert noch vier Jahre, bis Joffrey mündig wird. Bis dahin wird er in Euch den zweiten Vater sehen, und wenn nicht, nun… vier Jahre sind eine ganze Weile, Mylord. Lang genug, sich Lord Stannis' zu entledigen. Dann, sollte sich Joffrey als schwierig erweisen, können wir sein kleines Geheimnis enthüllen und Lord Renly auf den Thron verhelfen.«
«Wir?«wiederholte Ned.
Littlefinger zuckte mit den Schultern.»Ihr werdet jemanden brauchen, der Eure Bürde mitträgt. Ich versichere Euch: Mein Preis wäre bescheiden.«
«Euer Preis. «Neds Stimme war eisig.»Lord Baelish, was Ihr mir vorschlagt, ist Verrat.«
«Nur wenn wir unterliegen.«
«Ihr vergeßt«, erklärte Ned.»Ihr vergeßt Jon Arryn. Ihr vergeßt Jory Cassel. Und Ihr vergeßt das hier. «Er zog den Dolch und legte ihn auf den Tisch zwischen ihnen. Ein Stück Drachenknochen und valyrischer Stahl, scharf wie der Unterschied zwischen falsch und richtig, zwischen wahr und unwahr, zwischen Leben und Tod.»Man hat einen Mann geschickt, der meinem Sohn die Kehle durchschneiden sollte, Lord Baelish.«
Littlefinger seufzte.»Ich fürchte, ich habe es tatsächlich vergessen. Verzeiht mir bitte. Einen Moment lang hatte ich vergessen, daß ich mit einem Stark spreche. «Sein Mund zuckte.»Dann heißt es also Stannis und Krieg?«
«Wir haben keine Wahl. Stannis ist der Erbe.«
«Es liegt mir fern, dem Lord Protektor zu widersprechen. Was also wollt Ihr von mir? Bestimmt nicht meine Weisheit?«
«Ich werde mein Bestes tun, Eure… Weisheit zu vergessen«, sagte Ned angewidert.»Ich habe Euch rufen lassen, um Euch um die Hilfe zu bitten, die Ihr Catelyn versprochen habt. Diese Stunde birgt für uns alle Gefahren. Robert hat mich zum Protektor ernannt, das stimmt, doch in den Augen der Welt ist Joffrey noch immer Sohn und Erbe. Die Königin hat ein Dutzend Ritter und hundert bewaffnete Männer, die alles tun, was sie befiehlt… genug, um den Rest meiner Leibgarde zu übermannen. Und nach allem, was ich weiß, dürfte ihr Bruder Jaime in diesem Augerblick bereits nach King's Landing reiten, mit einem Heer der Lannisters im Rücken.«
«Und Ihr ohne Armee. «Littlefinger spielte mit dem Dolch am Tisch herum, drehte ihn langsam mit einem Finger.»Es herrscht nur wenig Liebe zwischen Lord Renly und den Lannisters. Bronze John Royce, Ser Balon Swann, Ser Loras, Lady Tanda, die Redwyne-Zwillinge…sie alle haben ein Gefolge von Rittern und Bundesgenossen hier bei Hofe.«
«Renly hat dreißig Mann in seiner Leibgarde, die anderen weniger. Das genügt nicht, selbst wenn ich sicher sein könnte, daß sie alle mir Gefolgschaft schwören. Ich muß die Goldröcke für mich gewinnen. Die Stadtwache ist zweitausend Mann stark, darauf vereidigt, die Burg zu verteidigen, und den königlichen Frieden.«
«Ah, nur wenn die Königin einen König proklamiert und die Hand einen anderen, wessen Frieden schützen sie dann?«Lord Petyr tippte den Dolch mit einem Finger an, ließ ihn kreiseln. Immer wieder drehte er sich wankend um seine Achse. Als er schließlich zum Stehen kam, deutete die Klinge auf Littlefinger.»Nun, da habt Ihr Eure Antwort«, sagte er lächelnd.»Sie folgen dem Mann, der sie bezahlt. «Er lehnte sich zurück und sah Ned offen ins Gesicht, die graugrünen Augen leuchteten vor Spott.»Ihr tragt Euer Ehrgefühl wie eine Rüstung, Stark. Ihr glaubt, sie könnte Euch beschützen, aber sie zieht Euch nur zu Boden und erschwert Eure Bewegungen. Seht Euch an. Ihr wißt, wieso Ihr mich habt rufen lassen. Ihr wißt, worum Ihr mich bitten wolltet. Ihr wißt, daß es getan werden muß… doch ist es nicht ehrenhaft, und deshalb bleiben Euch die Worte im Halse stecken.«
Neds Hals war starr vor Anspannung. Einen Moment erfüllte ihn solcher Zorn, daß er nicht zu sprechen wagte.
Littlefinger lachte.»Ich sollte Euch zwingen, es zu sagen, allerdings wäre das grausam… fürchtet Euch also nicht, mein guter Lord. Um der Liebe willen, die ich für Catelyn empfinde, will ich noch in dieser Stunde zu Janos Slynt gehen und dafür sorgen, daß die Stadtwache Euch gehört. Sechstausend Goldstücke müßten genügen. Ein Drittel für den Kommandanten, ein Drittel für die Offiziere, ein Drittel für die Männer. Vielleicht können wir sie zur Hälfte des Preises bekommen, aber ich möchte lieber kein Risiko eingehen.«
Lächelnd nahm er den Dolch und hielt ihn, das Heft voran, Ned entgegen.
Jon
Jon frühstückte gerade Apfelkuchen und Blutwurst, als sich Samwell Tarly neben ihm auf die Bank fallen ließ.»Man hat mich in die Septe bestellt«, flüsterte Sam aufgeregt.»Sie holen mich aus der Ausbildung. Ich soll ein Bruder werden wie alle anderen. Kannst du das glauben?«
«Nein, wirklich?«
«Wirklich. Ich soll Maester Aemon in der Bibliothek und mit den Vögeln helfen. Er braucht jemanden, der Briefe lesen und
schreiben kann.«
«Da wirst du dich gut machen«, sagte Jon lächelnd. Ängstlich blickte Sam in die Runde.»Ob ich schon gehen muß? Ich sollte nicht zu spät kommen, sonst überlegen sie es sich vielleicht noch anders. «Fast hüpfte er, als er den mit Unkraut übersäten Burghof überquerte. Der Tag war warm und sonnig. Kleine Rinnsale von Wasser tropften an der Seite der Mauer herab, so daß das Eis zu funkeln und zu leuchten schien.