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im Turm des Lord Commanders.«

«Und was werden meine Pflichten sein?«fragte Jon scharf.»Soll ich dem Lord Commander die Mahlzeiten servieren, ihm holen?«

«Selbstverständlich. «Marsh runzelte die Stirn angesichts Jons Tonfall.»Und du wirst Botengänge für ihn erledigen, das Feuer in seinen Gemächern schüren, seine Laken und Decken wechseln und alles andere tun, was der Lord Commander dir aufträgt.«

«Haltet Ihr mich für einen Diener?«

«Nein«, sagte Maester Aemon aus dem hinteren Teil der Septe Clydas half ihm aufzustehen.»Wir haben dich für einen Mann der Nachtwache gehalten… aber vielleicht haben wir uns getäuscht.«

Jon konnte sich nur gerade eben zurückhalten, einfach hinauszugehen. Sollte er bis ans Ende seiner Tage Butter rühren und Wämse nähen wie ein Mädchen?» Kann ich jetzt gehen?«fragte er steif.

«Wie du willst«, antwortete Bowen Marsh. Dareon und Sam verließen die Septe mit ihm zusammen. Schweigend nahmen sie die Stufen zum Hof. Draußen sah Jon zur Mauer auf, die dort in der Sonne glitzerte und deren schmelzendes Eis wie hundert Finger an ihr herunter krochen. Jons Zorn war derart ungestüm, daß er am liebsten alles zerschlagen hätte, und sollte die Welt verdammt sein.

«Jon«, sagte Samwell Tarly aufgeregt.»Warte. Verstehst du denn nicht, was sie vorhaben?«

Wutentbrannt fuhr Jon zu ihm herum.»Ich sehe Ser Allisers verdammtes Werk. Das ist alles, was ich sehe. Er wollte mich beschämen, und das ist ihm gelungen.«

Dareon warf ihm einen Blick zu.»Die Kämmerer sind gut genug für dich und mich, Sam, nur nicht für Lord Snow.«

«Ich bin mit Schwert und Pferd besser als ihr alle zusammen«, schrie Jon zurück.»Das ist nicht fair!«

«Fair?«höhnte Dareon.»Das Mädchen hat auf mich gewartet, nackt wie an dem Tag, als sie geboren wurde. Sie hat mich durchs Fenster zu sich hereingezogen, und du willst mir was von fair erzählen?«

«Es ist keine Schande, ein Kämmerer zu sein«, sagte Sam.»Glaubst du, ich will den Rest meines Lebens damit verbringen, einem alten Mann die Unterhosen zu waschen?«

«Der alte Mann ist Lord Commander der Nachtwache«, erinnerte ihn Sam.»Bei Tag und Nacht wirst du bei ihm sein. Ja, du wirst ihm Wein einschenken und dafür sorgen, daß er frische Bettwäsche hat, aber du wirst auch seine Briefe schreiben, ihn zu Besprechungen begleiten, ihm als Knappe in der Schlacht dienen. Du wirst ihm so nah wie sein Schatten sein. Du wirst alles wissen, an allem teilnehmen… und der Lord Haushofmeister sagte, Mormont hätte selbst um dich gebeten.

Als ich klein war, hat mein Vater stets darauf bestanden, das ich ihn zur Audienz begleite, wenn er zu Gericht saß. Ritt er nach Highgarden, um vor Lord Tyrell auf die Knie zu fallen, hat er mich mitgenommen. Später dann ließ er sich von Dickon begleiten und mich zu Haus, und es interessierte ihn nicht mehr, ob ich bei seinen Audienzen herumsaß, solange Dickon nur anwesend war. Er wollte seinen Erben an seiner Seite, verstehst du nicht? Damit der sah und hörte, was er tat, und daraus lernte. Ich vermute, das ist der Grund, wieso Lord Mormont dich erwählt hat, Jon. Was sonst sollte es sein? Er will dich zum Kommandanten aufbauen!«

Jon war sprachlos. Es stimmte, Lord Eddard hatte Robb oft zu seinen Beratungen auf Winterfell mitgenommen. Sollte Sam recht haben? Selbst ein Bastard konnte in der Nachtwache hoch aufsteigen, so sagte man.»Ich habe nicht darum gebeten«, sagte er halsstarrig.

«Keiner von uns ist hier, weil er darum gebeten hat«, erwiderte Sam.

Und plötzlich schämte sich Jon Snow.

Memme oder nicht, besaß Samwell Tarly doch den Mut, sein Schicksal wie ein Mann zu nehmen. Auf der Mauer bekommt ein Mann nur das, was er verdient, hatte Benjen Stark an jenem letztet Abend gesagt, an dem Jon ihn lebend gesehen hatte. Du bist kein Grenzer, Jon, nur ein grüner Junge, der noch den Duft des Sommers in sich hat. Er hatte gehört, daß man sagte, Bastarde wüchsen schneller als andere Kinder. Auf der Mauer wuchs man, oder man starb

Jon stieß einen tiefen Seufzer aus.»Du hast recht. Ich habe mich wie ein kleiner Junge benommen.«

«Dann bleibst du und sprichst deinen Eid mit mir?«

«Die alten Götter warten schon auf uns. «Er zwang sich zu einem Lächeln.

Am späten Nachmittag machten sie sich auf den Weg. Die Mauer hatte keine Tore, weder hier bei Castle Black noch sonst wo entlang ihrer dreihundert Meilen. Sie führten ihre Pferde durch einen schmalen Tunnel, der ins Eis gehauen war, und kalte, dunkle Mauern drängten sich um sie, während sich der Durchgang weiterschlängelte. Dreimal war ihr Weg von Eisenstangen versperrt, und sie mußten haltmachen, während Bowen Marsh seine Schlüssel zückte und die massiven Ketten aufschloß, mit denen sie gesichert waren. Jon spürte, wie das unermeßliche Gewicht auf ihm lastete, derweil er hinter dem Lord Haushofmeister wartete. Die Luft war kälter als in einer Gruft, und stiller noch. Er spürte eine seltsame Erleichterung, nachdem sie auf der Nordseite der Mauer wieder ins nachmittägliche Licht getreten waren.

Sam blinzelte im plötzlichen Sonnenschein und sah sich voller Sorge um.»Die Wildlinge… die würden doch nicht… sie würden nicht wagen, der Mauer so nah zu kommen. Oder?«

«Bis jetzt haben sie es noch nie getan. «Jon stieg in den Sattel. Als Bowen Marsh und ihre Eskorte aus Grenzern aufgesessen hatten, schob Jon zwei Finger in den Mund und pfiff. Mit federnden Schritten kam Ghost aus dem Tunnel gelaufen.

Der Klepper des Lord Haushofmeisters wieherte und scheute vor dem Schattenwolf.»Willst du das Vieh mitnehmen?«

«Ja, Mylord«, sagte Jon. Ghost hob den Kopf. Er schien die Luft zu schmecken. Einen Augenblick später war er unterwegs, rannte über das breite, im Unkraut erstickende Feld, um dann zwischen den Bäumen zu verschwinden.

Als sie den Wald erreichten, befanden sie sich in einer anderen Welt. Jon war oft mit seinem Vater und Jory und seinem Bruder Robb auf die Jagd gegangen. Er kannte den Wolfswald um Winterfell so gut wie kaum ein anderer. Der Verwunschene Wald war dem ganz ähnlich, doch fühlte er sich anders an.

Was er nur allzugut verstand. Sie waren über das Ende der Welt hinaus geritten. Irgendwie veränderte das alles. Die Schatten schienen dunkler, jedes Geräusch geheimnisvoller. Die Bäume standen dicht an dicht und sperrten das Licht der untergehenden Sonne aus. Eine dünne Schicht von Schnee knirschte unter den Hufen ihrer Pferde, mit einem Knacken, als würden Knochen bersten. Und wenn der Wind die Blätter rauschen ließ, suchte er sich wie ein kalter Finger den Weg über Jons Rückgrat. Die Mauer lag in ihrem Rücken, und nur die Götter wußten, was vor ihnen wartete.

Die Sonne versank hinter den Bäumen, als sie ihr Ziel erreichten, eine kleine Lichtung tief im Wald, wo neun Wehrholzbäume zu einem groben Kreis gewachsen waren. Jon atmete tief, und er sah, wie Samwell Tarly starren Blickes schwieg. Selbst im Wolfswald fand man nie mehr als zwei oder drei der weißen Bäume beieinander. Von einem Hain aus neun

Bäumen hatte er noch nie gehört. Der Waldboden lag voller Blätter, oben blutrot, dunkelrot darunter. Die dicken, weichen Stämme waren knochenweiß, und neun Gesichter stierten nach ihnen. Das getrocknete Harz, das in den Augen Krusten bildete, war rot und hart wie Rubin. Bowen Marsh befahl ihnen, die Pferde außerhalb des Zirkels zu lassen.»Dies ist ein heiliger Ort. Wir wollen ihn nicht schänden.«

Als sie den Hain betraten, sah Samwell Tarly aufmerksam von einem Gesicht zum anderen. Nur zwei davon ähnelten sich.»Sie beobachten uns«, flüsterte er.»Die alten Götter.«

«Ja. «Jon kniete nieder, und Samwell kniete neben ihm. Sie sprachen die Worte gemeinsam, während das letzte Licht im Westen schwand und grauer Tag zu schwarzer Nacht verging.»Hört meine Worte und bezeugt meinen Eid«, deklamierten sie, und ihre Stimmen erfüllten den dunklen Hain.»Die Nacht sinkt herab, und meine Wacht beginnt. Sie soll nicht enden vor meinem Tod. Ich will mir keine Frau nehmen, kein Land besitzen, keine Kinder zeugen. Ich will keine Kronen tragen und auch keinen Ruhm begehren. Ich will auf meinem Posten leben und sterben. Ich bin das Schwert in der Dunkelheit. Ich bin der Wächter auf den Mauern. Ich bin das Feuer, das gegen die Kälte brennt, das Licht, das den Morgen bringt, das Horn, das die Schläfer weckt, der Schild, der die Reiche der Menschen schützt. Ich widme mein Leben und meine Ehre der Nachtwache, in dieser Nacht und in allen Nächten, die da noch kommen werden.«