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Der Alte Bär schüttelte stur den Kopf.»Noch nicht. Ich will, daß Maester Aemon sie sich ansieht. Wir nehmen sie mit zurück zur Mauer.«

Manche Befehle sind leichter gegeben als ausgeführt. Sie wickelten die Toten in Umhänge, doch als Hake und Dywen versuchten, einen davon auf einem Pferd festzubinden, ging das Tier durch, schrie und schlug aus, trat mit den Hufen, biß sogar nach Ketter, als der heranlief, um zu helfen. Auch mit den anderen Kleppern hatten die Grenzer wenig Glück. Nicht einmal die Zahmsten wollten mit dieser Last zu schaffen haben. Am Ende waren sie gezwungen, Äste abzuhacken und grobe Schlingen zu binden, um die Leichen damit zu Fuß zu transportieren. Erst weit nach Mittag machten sie sich auf den Rückweg.

«Ich will, daß dieser Wald durchsucht wird«, befahl Mormont Ser Jaremy beim Aufbruch.»Jeder Baum, jeder Stein, jeder Busch, alles sumpfige Gelände innerhalb zehn Wegstunden von hier.

Nehmt alle Männer, die Ihr habt, und wenn Ihr nicht genug habt, nehmt Jäger und Förster von den Kämmerern. Falls Ben und die anderen da draußen sein sollten, tot oder lebendig, will ich, daß man sie findet. Und falls sonst noch jemand da draußen ist, so will ich davon erfahren. Spürt sie auf und nehmt sie in Gewahrsam, wenn möglich lebend. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

«Das habt Ihr, Mylord«, antwortete Ser Jaremy.»So wird es

sein.«

Danach ritt Mormont fort, schweigend und brütend. Jon hielt sich nah hinter ihm. Als Kämmerer des Lord Commanders war das sein Platz. Der Tag war grau, feucht, verhangen, einer dieser Tage, an denen man sich wünscht, es möge regnen. Kein Lüftchen regte sich im Wald, die Luft hing feucht und schwer, und Jons Kleider klebten ihm am Leib. Es war warm. Zu warm. Die Mauer weinte heftig, weinte schon seit Tagen, und manchmal bildete sich Jon schon ein, sie schrumpfte.

Die alten Männer nannten dieses Wetter Geistersommer und sagten, es bedeute, daß die Jahreszeit nun endlich ihre Geister aufgab. Danach käme die Kälte, warnten sie, und ein langer Sommer brächte stets einen langen Winter. Dieser Sommer hatte zehn Jahre gedauert. Jon war noch ein kleines Kind gewesen, als er begonnen hatte.

Ghost rannte eine Weile mit ihnen, dann verschwand er zwischen den Bäumen. Ohne den Schattenwolf fühlte sich Jon fast nackt. Er merkte, wie er voller Sorge die Schatten im Auge behielt. Ungebeten dachte er an die Geschichten, die Old Nan ihnen auf Winterfell oft erzählt hatte. Fast konnte er ihre Stimme wieder hören, das klick-klick-klick ihrer Nadeln dazu. In der Finsternis kamen die anderen herangeritten, hatte sie gesagt und dabei war ihre Stimme leiser und leiser geworden. Kalt und tot waren sie, sie haßten Eisen und Feuer und Berührung durch die Sonne und jedes Lebewesen mit Blut in seinen Adern. Festungen und Städte und Königreiche der Menschen fielen, wenn sie auf ihren blassen, toten Pferden gen Süden ritten und ganze Armeen Erschlagener anführten. Sie fütterten ihre toten Diener mit dem Fleisch der Menschenkinder…

Als er die Mauer hinter dem Wipfel einer uralten, knorrigen Eiche erblickte, war Jon zutiefst erleichtert. Plötzlich hielt Mormont an und wandte sich auf seinem Sattel um.»Tarly«, bellte er,»komm her.«

Jon sah die Angst auf Sams Gesicht, als dieser auf seiner Stute herantrabte. Zweifellos glaubte er, er sei in Schwierigkeiten.»Du bist fett, aber du bist nicht dumm, Junge«, sagte der Alte Bär barsch.»Du hast dich da drüben gut gemacht. Du auch, Snow.«

Sam nahm eine leuchtend dunkelrote Farbe an und stolperte über seine eigene Zunge, als er versuchte, eine höfliche Antwort hervorzustammeln. Jon mußte lächeln.

Sie kamen zwischen den Bäumen hervor und Mormont trieb seinen harten, kleinen Klepper zum Trab an. Ghost schoß aus dem Wald hervor, rannte ihnen nach und leckte sich die Lefzen, die Schnauze rot von seiner Beute. Hoch oben sahen die Männer auf der Mauer die Kolonne näher kommen. Jon hörte den tiefen, kehligen Klang des großen Wachhorns, das meilenweit zu hören war, ein einzelner, langer Ton, der zwischen den Bäumen bebte und vom Eis her hallte.

UUUUUUUUooooooooooooooooooooooooooooooooooooo oooo.

Langsam verklang der Ton zu Stille. Ein Ton bedeutete, daß Grenzwachen heimkehrten, und Jon dachte: Wenigstens für einen Tag war ich ein Grenzer. Was immer jetzt auch kommen mag, das kann mir keiner nehmen.

Bowen Marsh wartete am ersten Tor, als sie ihre Pferde durch den eisigen Tunnel führten. Der Lord Haushofmeister war aufgebracht und rotgesichtig.»Mylord«, rief er Mormont zu, während er die eisernen Schranken öffnete,»ein Vogel hat Nachricht gebracht. Ihr müßt sofort kommen.«

«Was gibt's, Mann?«verlangte Mormont barsch zu wissen.

Seltsamerweise sah Marsh zu Jon herüber, bevor er antwortete.»Maester Aemon hat den Brief. Er wartet in Eurem Solar.«

«Also gut, Jon, kümmere dich um mein Pferd und sag Ser Jaremy, er soll die Toten in einem Lagerraum verstauen, bis der Maester Zeit hat, sich ihrer anzunehmen. «Knurrend schritt Mormont von dannen.

Sie führten die Pferde zum Stall zurück, und Jon spürte auf unangenehme Weise, wie die Leute ihn anstarrten. Ser Alliser Thorne drillte seine Jungen auf dem Hof, doch hielt er inne, um Jon anzusehen, ein leises, schiefes Lächeln auf den Lippen. Der einarmige Donal Noye stand in der Tür der Waffenkammer.»Mögen die Götter mit dir sein, Snow«, rief er herüber.

Irgend etwas stimmt da nicht, dachte Jon. Irgend etwas stimmt da ganz und gar nicht.

Die Toten wurden in einen der Lagerräume am Fuß der Mauer gebracht, eine dunkle, kalte Zelle, die aus dem Eis gemeißelt war und in der Fleisch und Getreide, manchmal auch Bier verwahrt wurde. Mormonts Pferd bekam Futter und Wasser und wurde gestriegelt, bevor Jon sich um sein eigenes kümmerte. Danach suchte er seine Freunde auf. Grenn und Toad schoben Wache, nur Pyp fand er im Gemeinschaftssaal.»Was ist passiert?«fragte er.

Pyp sprach mit leiser Stimme.»Der König ist tot.«

Jon war verblüfft. Robert Baratheon hatte alt und dick ausgesehen, als er Winterfell besuchte, schien dennoch rüstig genug, und von einer Krankheit war nie die Rede gewesen.»Woher weißt du das?«

«Einer der Wachmänner hat belauscht, wie Clydas Maester Aemon den Brief vorgelesen hat. «Pyp beugte sich nah vor.»Jon, es tut mir leid. Er war der Freund deines Vaters, nicht?«

«Sie standen sich nah wie Brüder. Früher«, Jon fragte sich, ob Joffrey seinen Vater als Rechte Hand des Königs behalten wollte. Das war eher unwahrscheinlich. Es mochte bedeuten, daß Lord Eddard nach Winterfell heimkehrte, und seine Schwestern ebenso. Vielleicht würde man ihm sogar gestatten, sie zu besuchen, mit Lord Mormonts Erlaubnis. Es täte gut, Aryas Grinsen wiederzusehen und mit seinem Vater zu sprechen. Ich werde ihn nach meiner Mutter fragen, nahm er sich vor. Jetzt bin ich ein Mann, und es wird höchste Zeit, daß er es mir sagt. Selbst wenn sie eine Hure war, es ist mir egal, ich will es wissen.

«Ich habe gehört, wie Hake sagte, die toten Männer gehörten zu deinem Onkel«, sagte Pyp.

«Ja«, erwiderte Jon.»Zwei von den sechsen, die er mitgenommen hat. Sie waren schon lange tot, nur… die Leichen sind in einem seltsamen Zustand.«

«Seltsam?«Pyp war die Neugier selbst.»Wieso seltsam?«

«Sam wird es dir erzählen. «Jon wollte nicht darüber sprechen.»Ich will sehen, ob der Alte Bär mich braucht.«

Allein ging er zum Turm des Lord Commanders, erfüllt von einem eigentümlichen Gefühl der Sorge. Die Brüder, die dort Wache hielten, musterten ihn ernsten Blickes, als er sich ihnen näherte.»Der Alte Bär ist in seinem Solar«, erklärte einer.»Er hat nach dir gefragt.«

Jon nickte. Er hätte gleich vom Stall herüberkommen sollen. Eilig erklomm er die Stufen des Turmes. Er will Wein oder ein Feuer in seinem Kamin, mehr nicht, redete er sich ein.

Als er das Solar betrat, schrie Mormonts Rabe ihn an.»Korn!«kreischte der Vogel.»Korn! Korn! Korn!«