«Ich bin Khaleesi, Erbin der Sieben Königslande, das Blut des Drachen«, erinnerte Dany ihn.»Es ist nicht an Euch, mir zu sagen, was ich nicht tun kann. «Auf der anderen Seite der Stadt brach ein Gebäude unter einer mächtigen Wolke von Feuer und Rauch in sich zusammen, und sie hörte Schreie und das Weinen verängstigter Kinder aus der Ferne.
Sie fanden Khal Drogo sitzend vor einem eckigen, fensterlosen Tempel mit dicken Lehmwänden und einer wulstigen Kuppel, die wie eine mächtige, braune Zwiebel aussah. Neben ihm häuften sich Schädel höher, als er selbst war. Einer der kurzen Pfeile der Lämmermenschen steckte im Fleisch seines Oberarmes, und Blut klebte an der linken Seite seiner nackten Brust wie ein Spritzer Farbe. Seine drei Blutreiter waren bei ihm.
Jhiqui half Dany beim Absteigen. Sie war unbeholfener geworden, da ihr Bauch immer größer und schwerer wurde. Sie kniete vor dem khal.»Meine Sonne, meine Sterne, er ist verwundet. «Der Schratt des arakh war breit, aber nicht tief. Seine linke Brustwarze fehlte, und ein Stück von blutigem Fleisch hing wie ein feuchtes Tuch von seiner Brust.
«Ist nur Kratzer, Mond meines Lebens, vom arakh der Blutreiter Khal Ogos«, sagte Khal Drogo in der Gemeinen Zunge.»Ich habe ihn dafür getötet, und Ogo auch. «Er drehte den Kopf, und die Glöckchen in seinem Zopf klingelten leise.»Ist Ogo, den du hörst, und Fogo, sein khalakka, der khal war, als ich ihn erschlug.«
«Kein Mensch kann vor der Sonne meines Lebens bestehen«, sagte Dany,»der Vater des Hengstes, der die Welt besteigt.«
Ein berittener Krieger kam heran und sprang aus dem Sattel. Er sprach mit Haggo, ein Sturzbach von wütendem Dothrakisch, zu schnell, als daß Dany es verstehen konnte. Der mächtige Blutreiter sah sie mit schwerem Blick an, bevor er sich seinem khal zuwandte.»Dieser hier ist Mago, der im khas von Ko Jhaqo reitet. Er sagt, die Khaleesi hat ihm seine Beute genommen, eine Tochter der Lämmer, die zu besteigen ihm zustand.«
Khal Drogos Gesicht war still und hart, doch sein Blick ging voller Neugier zu Dany.»Sag mir, was Wahres daran ist, Mond meines Lebens«, befahl er auf dothrakisch.
Dany erzählte ihm, was sie getan hatte, in seiner eigenen Sprache, damit der khal sie besser verstand, mit einfachen und direkten Worten.
Als sie fertig war, sah Drogo sie fragend an.»So geht es im Krieg zu. Diese Frauen sind jetzt unsere Sklavinnen, und wir können mit ihnen tun, was uns gefällt.«
«Mir gefällt es, sie in Sicherheit zu wissen«, erwiderte Dany und fragte sich, ob sie zuviel wagte.»Wenn Eure Krieger diese Frauen besteigen wollen, laßt sie sanft vorgehen und sie zur Frau nehmen. Gebt ihnen einen Platz im khalasar und laßt Euch von ihnen Söhne schenken.«
Qotho war der grausamste unter den Blutreitern. Er war es, der lachte.»Paart sich das Pferd mit dem Schaf?«
Irgend etwas in seinem Tonfall erinnerte sie an Viserys. Zornig wandte Dany sich ihm zu.»Der Drache frißt Pferd und Schafe gleichermaßen.«
Khal Drogo lächelte.»Seht nur, wie wild sie sein kann!«sagte er.»Das ist mein Sohn in ihr, der Hengst, der die Welt besteigt; er erfüllt sie mit seinem Feuer. Reite langsam, Qotho… wenn die Mutter dich nicht versengt, wo du sitzt, wird der Sohn dich in den Schlamm treten. Und du, Mago, hüte deine Zunge und such dir ein anderes Lamm, das du besteigen kannst. Dieses hier gehört meiner Khaleesi. «Er wollte eine Hand zu Daenerys ausstrecken, doch als er seinen Arm hob, verzog Drogo vor plötzlichem Schmerz das Gesicht und drehte seinen Kopf.
Fast konnte Dany seine Qualen spüren. Die Wunden waren schlimmer, als Ser Jorah sie hatte glauben machen wollen.»Wo sind die Heiler?«verlangte sie zu wissen. Im khalasar gab es zwei Arten davon: unfruchtbare Frauen und Eunuchensklaven. Die Kräuterfrauen gingen mit Arzneien und Zaubersprüchen um, die Eunuchen mit Messer, Nadel und Feuer.»Warum kümmern sie sich nicht um den khal?«
«Der khal hat die haarlosen Männer fortgeschickt, Khaleesi«, versicherte ihr der alte Cohollo. Dany sah, daß der Blutreiter selbst eine Wunde davongetragen hatte, einen tiefen Schnitt in seiner linken Schulter.
«Viele Reiter sind verletzt«, sagte Khal Drogo halsstarrig.»Laßt sie zuerst behandelt werden. Dieser Pfeil ist nicht mehr als ein Fliegenbiß, dieser kleine Schnitt nur eine neue Narbe,
mit der ich mich vor meinem Sohn brüsten kann.«
Dany konnte die Muskeln an seiner Brust sehen, wo die Haut weggeschnitten war. Blut tropfte von dem Pfeil, der in seinem Arm steckte.»Ein Khal Drogo sollte nicht warten«, verkündete sie.»Jhogo, geh und suche die Eunuchen und bring sie augenblicklich her.«
«Silberdame«, sagte eine Frauenstimme hinter ihr,»ich kann dem Großen Reiter mit seinen Schmerzen helfen.«
Dany wandte sich um. Es kam von einer der Sklavinnen, die sie für sich beansprucht hatte, der schweren, flachnasigen Frau, die sie gesegnet hatte.
«Der khal braucht keine Hilfe von Frauen, die mit Schafen schlafen«, bellte Qotho.»Aggo, schneid ihr die Zunge raus.«
Aggo packte sie beim Haar und drückte ihr ein Messer an die Kehle.
Dany hob die Hand.»Nein, sie gehört mir. Laßt sie sprechen.«
Aggo sah von ihr zu Qotho. Er ließ das Messer sinken.
«Ich wollte nichts Böses, wilde Reiter. «Die Frau sprach gut Dothrakisch. Die Kleider, die sie trug, waren einst von leichtesten und feinsten Stoffen gewesen, reichverziert, doch nun waren sie lehmverkrustet und blutig und zerrissen. Sie hielt das zerfetzte Tuch ihres Oberteils an ihre schweren Brüste.»Ich habe etwas Erfahrung in der Heilkunst.«
«Wer bist du?«fragte Dany.
«Ich heiße Mirri Maz Duur. Ich bin das Götterweib dieses Tempels.«
«Maegi«, knurrte Haggo und griff nach seinem arakh. Seine Miene hatte sich verfinstert. Dany kannte dieses Wort aus einer schrecklichen Geschichte, die Jhiqui ihr eines Abends am Feuer erzählt hatte. Eine maegi war eine Frau, die mit Dämonen schlief und die schwärzeste aller Magien praktizierte, ein übles Weib, böse und seelenlos, die im Dunkel der Nacht zu Männern kam und ihnen Leben und Kraft aus den Leibern sog.
«Ich bin Heilerin«, sagte Mirri Maz Duur.
«Eine Schafsheilerin«, höhnte Qotho.»Blut von meinem Blut, ich sage, tötet diese maegi und wartet auf die haarlosen Männer.«
Dany überhörte den Ausbruch des Blutreiters. Diese alte, freundliche, dickleibige Frau sah in ihren Augen nicht wie eine maegi aus.»Wo hast du die Heilkunst erlernt, Mirri Maz Duur?«
«Meine Mutter war Götterweib vor mir, und sie hat mich alle Lieder und Sprüche gelehrt, die dem Großen Hirten gefallen, und wie man den heiligen Rauch und Salben aus Blättern und Wurzeln und Beeren macht. Als ich jünger und noch hübscher war, bin ich mit der Karawane nach Asshai gereist, um von den dortigen Magiern zu lernen. Schiffe aus vielen Ländern kommen nach Asshai, also blieb ich lange, um die Heilkünste ferner Völker zu erlernen. Eine Mondsängerin von den Jogos Nhai hat mir ihre Geburtslieder vermacht, eine Frau aus Eurem reitenden Volk hat mich den Zauber von Gras und Korn und Pferd gelehrt, und ein Maester aus den Abendländern hat eine Leiche für mich geöffnet und mir alle Geheimnisse gezeigt, die unter der Haut liegen.«
Ser Jorah Mormont meldete sich zu Wort.»Ein Maester?«
«Marwyn nannte er sich selbst«, antwortete die Frau in der Gemeinen Zunge.»Vom Meer. Von jenseits des Meeres. Die Sieben Länder, sagte er. Abendländer. Wo Männer aus Eisen sind und Drachen herrschen. Er hat mich diese Sprache gelehrt.«
«Ein Maester in Asshai«, überlegte Ser Jorah.»Sagt mir, Gottesweib, was trug dieser Marwyn um seinen Hals?«
«Eine Kette, die so eng war, daß sie ihn fast erwürgte,
Eisenlord, mit Gliedern aus mancherlei Metall.«
Der Ritter warf Dany einen Blick zu.»Nur jemand, der in der Citadel von Oldtown ausgebildet wurde, trägt eine solche Kette«, sagte er,»und solche Männer verstehen tatsächlich viel vom Heilen.«