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«Warum solltest du meinem khal helfen wollen?«

«Alle Menschen sind eine Herde, das zumindest lehrt man uns«, erwiderte Mirri Maz Duur.»Der Große Hirte hat mich auf die Erde gesandt, um seine Lämmer zu heilen, wo immer ich sie finde.«

Qotho versetzte ihr eine brennende Ohrfeige.»Wir sind keine Schafe, maegi.«

«Hör auf damit«, sagte Dany zornig.»Sie gehört mir. Ich will nicht, daß man ihr etwas antut.«

Khal Drogo murrte.»Der Pfeil muß entfernt werden, Qotho.«

«Ja, Großer Reiter«, antwortete Mirri Maz Duur und berührte ihr schmerzendes Gesicht.»Und Eure Brust muß gewaschen und genäht werden, damit die Wunde nicht eitert.«

«Dann tu es«, befahl Khal Drogo.

«Großer Reiter«, sagte die Frau,»meine Instrumente und Arzneien befinden sich im Gotteshaus, wo die Heilkräfte am stärksten sind.«

«Ich werde Euch tragen, Blut von meinem Blut«, bot Haggo ihm an.

Khal Drogo winkte ab.»Man muß mir nicht helfen«, sagte er mit stolzer, harter Stimme. Er stand auf, ohne Beistand, ragte über allen auf. Frisches Blut lief über seine Brust, dort wo Ogos arakh ihm die Brustwarze abgeschnitten hatte. Eilig trat Dany an seine Seite.»Ich bin kein Mann«, flüsterte sie,»also kannst du dich auf mich stützen. «Drogo legte ihr die mächtige Hand auf die Schulter. Sie nahm ihm etwas von seinem

Gewicht, während sie dem großen Lehmtempel entgegengingen. Die drei Blutreiter folgten. Dany befahl Ser Jorah und den Kriegern ihres khas, den Eingang zu bewachen.

Sie kamen durch eine Reihe von Vorkammern in den hohen Mittelraum unter der Zwiebel. Schwaches Licht fiel von oben durch verborgene Fenster. Ein paar Fackeln brannten qualmend in Halterungen an den Wänden. Schaffelle lagen über den erdigen Boden verteilt.»Dort«, sagte Mirri Maz Duur und deutete auf den Altar, einen massiven, blau geäderten Stein, in den Bilder von Schafhirten und ihren Herden gemeißelt waren. Khal Drogo legte sich darauf. Die alte Frau warf eine Handvoll getrockneter Blätter auf einen flachen Rost, was den Raum mit duftendem Rauch erfüllte.»Am besten wartet Ihr draußen«, sagte sie den anderen.

«Wir sind das Blut von seinem Blut«, erwiderte Cohollo.»Wir warten hier.«

Qotho trat nah an Mirri Maz Duur heran.»Wisse, Frau des Lämmergottes, wenn dem khal etwas geschieht, geschieht dir dasselbe. «Er zog sein Messer und zeigte ihr die Klinge.

«Sie wird ihm nichts tun. «Dany spürte, daß sie dieser alten Frau mit der flachen Nase und dem offenen Gesicht vertrauen konnte. Schließlich hatte sie die Frau aus den mehr als groben Händen ihrer Vergewaltiger gerettet.

«Wenn Ihr bleiben müßt, dann helft«, erklärte Mirri den Blutreitern.»Der Große Reiter ist zu stark für mich. Haltet ihn fest, wenn ich den Pfeil aus seinem Fleisch ziehe. «Sie ließ die Fetzen ihres Kleides bis auf die Hüften fallen, als sie eine geschnitzte Truhe öffnete, und war mit Flaschen und Kästen beschäftigt, mit Messern und Nadeln. Damit fertig, brach sie die mit Widerhaken versehene Pfeilspitze ab und zog den Schaft heraus, wobei sie einen Singsang in der Sprache der Lhazareen von sich gab. Sie erhitzte Wein auf dem Rost, bis er kochte, und goß ihn über die Wunden. Khal Drogo verfluchte sie, doch zuckte er nicht. Sie verband die Pfeilwunde mit einem Pflaster aus feuchten Blättern und wandte sich dem Schnitt an seiner Brust zu, verschmierte eine hellgrüne Paste darauf, bevor sie den Hautlappen wieder an Ort und Stelle brachte. Der khal knirschte mit den Zähnen und schluckte einen Schrei herunter. Das Götterweib nahm eine Silbernadel und eine Spule mit Seidenfaden und begann, das Fleisch zu nähen. Anschließend bestrich sie die Haut mit roter Salbe, bedeckte sie ebenfalls mit Blättern und verband die Brust mit einem Fetzen Lammfell.»Ihr müßt die Gebete sagen, die ich Euch nenne, und das Lammfell zehn Tage und zehn Nächte dort behalten«, sagte sie.»Ihr werdet Fieber bekommen und Juckreiz und eine große Narbe, wenn die Heilung vollendet ist.«

Khal Drogo setzte sich auf, und seine Glöckchen klingelten.»Ich singe von meinen Narben, Schafsfrau. «Er spannte seinen Arm und sah sie finster an.

«Trinkt weder Wein noch Mohnblumensaft«, warnte sie ihn.»Ihr werdet Schmerzen haben, aber Ihr müßt Euren Körper stark genug erhalten, daß er sich gegen die bösen Geister wehren kann.«

«Ich bin khal«, sagte Drogo.»Ich spucke auf den Schmerz und trinke, was mir gefällt. Cohollo, bring meine Weste. «Der alte Mann eilte davon.

«Vorhin«, sagte Dany zu der häßlichen Frau der Lhazareen,»habe ich gehört, wie du von Geburtsliedern gesprochen hast… «

«Ich kenne alle Geheimnisse des Blutbettes, Mylady, und ich habe noch nie ein Kind verloren«, erwiderte Mirri Maz Duur.

«Meine Zeit ist bald gekommen«, sagte Dany.»Vielleicht wärst du so freundlich und würdest mir helfen, wenn er herausdrängt.«

Khal Drogo lachte.»Mond meines Lebens, man bittet eine

Sklavin nicht, man befiehlt es ihr. Sie wird tun, was du sagst. «Er sprang vom Altar.»Komm, mein Blut. Die Hengste rufen, dieser Ort ist Asche. Es wird Zeit zu reiten.«

Haggo folgte dem khal zum Tempel hinaus, doch Qotho blieb noch so lange, daß er Mirri Maz Duur einen bohrenden Blick schenken konnte.»Vergiß nicht, maegi, wie es dem khal ergeht, ergeht es auch dir.«

«Ganz wie Ihr sagt, Reiter«, antwortete die Frau, während sie ihre Gefäße und Flaschen einsammelte.»Der Große Hirte wacht über seine Herde.«

Tyrion

Auf einem Hügel entlang Kingsroad hatte man unter einer Ulme einen langen Tisch aus grob gehauener Kiefer aufgestellt und mit einem goldenen Tuch bedeckt. Dort, neben seinem Zelt, nahm Lord Tywin das Abendbrot mit seinen obersten Rittern und Bundesgenossen ein, während seine rotgoldene Standarte über ihnen an einem hoch aufragenden Langspieß flatterte.

Tyrion kam spät, wundgeritten und übellaunig, und war sich allzu lebhaft bewußt, wie er aussehen mußte, als er den Hang hinauf zu seinem Vater watschelte. Der Tagesmarsch war lang und anstrengend gewesen. An diesem Abend, dachte der Zwerg, wollte er sich gern betrinken. Es dämmerte, und die Luft war von summenden Glühwürmchen erfüllt.

Die Köche servierten das Fleisch: fünf Spanferkel, die Haut knusprig gebraten, in jedem Maul eine andere Frucht. Vom bloßen Geruch lief ihm das Wasser im Mund zusammen.»Ich bitte um Verzeihung«, begann er, als er neben seinem Onkel auf der Bank Platz nahm.

«Vielleicht sollte ich dir auftragen, unsere Toten zu begraben, Tyrion«, sagte Lord Tywin.»Wenn du zur Schlacht so spät kommst wie zu Tisch, wird alles vorüber sein, ehe du eintriffst.«

«Oh, sicher könntet Ihr mir den einen oder anderen Bauern aufheben, Vater«, erwiderte Tyrion.»Nicht zu viele, ich möchte nicht gierig erscheinen. «Er schenkte sich Wein in seinen Becher und sah, wie ein Diener das Schwein aufschnitt. Die knusprige Haut knackte unter seinem Messer, und heißer Saft lief aus dem Fleisch. Es war das Schönste, was Tyrion seit Jahren gesehen hatte.

«Ser Addams Vorreiter sagen, das Heer der Starks sei von den Twins gen Süden gezogen«, berichtete sein Vater, als sein Brett voller Schweinefleisch lag.»Lord Freys Truppen haben sich ihm angeschlossen. Wahrscheinlich stehen sie kaum mehr als einen Tagesmarsch nördlich von uns.«

«Bitte, Vater«, sagte Tyrion.»Ich möchte gleich essen.«

«Beraubt dich der Gedanke, diesem jungen Stark gegenüberzutreten, deiner Manneskraft, Tyrion? Dein Bruder Jaime wäre begierig darauf, ihm zu Leibe zu rücken.«

«Lieber möchte ich diesem Schwein zu Leibe rücken. Robb Stark ist nicht halb so zart, und nie hat er so gut gerochen.«

Lord Lefford, der sauertöpfische Vogel, der für Proviant und Nachschub Verantwortung trug, beugte sich vor.»Ich hoffe, Eure Wilden teilen Euren Widerwillen nicht, ansonsten härten wir unseren guten Stahl an sie vergeudet.«