«Meine Wilden werden für Euren Stahl ausgezeichnete Verwendung finden, Mylord«, erwiderte Tyrion. Nachdem er Lefford erklärt hatte, er brauchte Waffen und Rüstungen, um die dreihundert Mann auszurüsten, die Ulf aus dem Vorgebirge geholt hatte, mochte man glauben, er hätte den Mann gebeten, ihnen seine jungfräuliche Tochter zur freien Verfügung zu stellen.
Lord Lefford runzelte die Stirn.»Ich habe diesen großen Haarigen heute gesehen, der darauf bestand, er brauchte zwei Streitäxte, die schweren, schwarzen Stahldinger mit der doppelten Halbmondschneide.«
«Shagga tötet gern mit beiden Händen«, erklärte Tyrion, als ein Brett mit dampfendem Schweinefleisch vor ihm abgestellt wurde.
«Er hatte diese Holzaxt noch immer um seinen Rücken geschnallt«
«Shagga ist der Meinung, daß drei Äxte besser sind als zwei. «Tyrion griff mit Daumen und Zeigefinger in den
Salzteller und streute davon ordentlich über sein Fleisch.
Ser Kevan beugte sich vor.»Uns ging der Gedanke durch den Kopf, Euch und Eure Wildlinge in vorderste Reihe zu stellen, wenn es zur Schlacht kommt.«
Ser Kevan ging nur selten ein» Gedanke «durch den Kopf, den Lord Tywin nicht vor ihm gehabt hatte. Tyrion spießte ein Stück Fleisch mit der Spitze seines Dolches auf und führte es an seinen Mund. Dann ließ er es sinken.»Die vorderste Reihe?«wiederholte er ungläubig. Entweder hatte sein Hoher Vater neuen Respekt für Tyrions Fähigkeiten entwickelt oder aber beschlossen, sich dieses peinlichen Nachkommens endgültig zu entledigen. Tyrion hatte das dumpfe Gefühl, er wußte, was von beiden der Wahrheit näher kam.
«Sie scheinen mir dafür wild genug«, fuhr Ser Kevan fort.
«Wild?«Tyrion merkte, daß er seinem Onkel wie ein Vogel alles nachplapperte. Sein Vater beobachtete ihn, schätzte ihn ein, wägte jedes seiner Worte ab.»Laßt mich Euch sagen, wie wild sie sind. Gestern abend hat ein Moon Brother einen Stone Crow wegen einer Wurst erdolcht. Als wir heute also unser Lager aufschlugen, haben drei Stone Crows den Mann ergriffen und ihm die Kehle durchgeschnitten. Vielleicht hatten sie gehofft, die Wurst wiederzubekommen, das kann ich nicht sagen. Bronn schaffte es gerade noch, Shagga davon abzuhalten, daß er dem toten Mann den Schwanz abschneidet, trotzdem fordert Ulf sein Blutgeld, was Conn und Shagga ihm nicht zahlen wollen.«
«Wenn es Soldaten an Disziplin mangelt, liegt der Fehler bei ihrem Kommandeur«, sagte sein Vater.
Sein Bruder Jaime hatte Männer stets dazu bringen können, daß sie ihm eifrig folgten und für ihn starben, wenn es nötig war. Tyrion fehlte diese Gabe. Er kaufte Treue mit Gold und erzwang Gehorsam mit seinem Namen.»Ein größerer Mann wäre in der Lage, ihnen angst zu machen. Das wolltet Ihr mir
mitteilen, Mylord?«
Lord Tywin Lannister wandte sich seinem Bruder zu.»Falls die Männer meines Sohnes seinen Befehlen nicht folgen wollen, ist die vorderste Reihe vielleicht nicht der rechte Ort für ihn. Zweifelsohne wäre es weiter hinten für ihn bequemer, wo er die Gepäckwagen bewachen kann.«
«Tut mir keinen Gefallen, Vater«, entgegnete er böse.»Wenn Ihr mir kein anderes Kommando anzubieten habt, gehe ich Eurem Heer voraus.«
Lord Tywin betrachtete seinen Zwergensohn.»Ich habe nichts von einem Kommando gesagt. Du wirst unter Ser Gregor dienen.«
Tyrion nahm einen Bissen Schweinefleisch, kaute einen Augenblick darauf herum und spuckte ihn wütend aus.»Ich merke, daß ich gar nicht hungrig bin«, sagte er, während er unbeholfen von der Bank kletterte.»Seid so gut, mich zu entschuldigen, Mylords.«
Lord Tywin neigte den Kopf, entließ ihn. Tyrion wandte sich um und ging. Er spürte ihre Blicke im Rücken, während er den Hügel hinunterwatschelte. Mächtiges Gelächter brach hinter ihm aus, doch blickte er sich nicht um. Er hoffte, sie würden allesamt an ihren Spanferkeln ersticken.
Es war Abend geworden, und alle Banner waren schwarz. Das Lager der Lannisters erstreckte sich meilenweit zwischen Fluß und Kingsroad. Unter den Männern und Pferden und Bäumen fiel es ihm leicht zu verschwinden, was Tyrion auch tat. Er kam an einem Dutzend großer Zelte und hundert Lagerfeuern vorüber. Glühwürmchen taumelten zwischen den Zelten wie wandernde Sterne. Er roch den Duft von Knoblauchsoße, dick und würzig, so verführerisch, daß ihm der leere Magen knurrte. Weit in der Ferne hörte er Stimmen, die ein unflätiges Lied sangen. Eine kichernde Frau lief an ihm vorüber, nackt unter dem dunklen Umhang, ihr trunkener
Verfolger stolperte über Baumwurzeln. Weiter hinten standen sich zwei Speerwerfer gegenüber, mit nackter Brust und schweißüberströmt, zwischen sich ein leise plätschernder Bach, und sie übten ihr Werfen-und-Parieren im vergehenden Licht.
Niemand sah ihn an. Niemand sprach mit ihm. Niemand schenkte ihm Beachtung. Er war von Männern umgeben, die auf das Haus Lannister vereidigt waren, ein riesenhaftes Heer von zwanzigtausend Mann, und doch war er allein.
Als er hörte, wie das tiefe Knurren von Shaggas Gelächter durch das Dunkel dröhnte, folgte er diesem zu den Stone Crows in ihrer kleinen Ecke der Nacht. Conn, Sohn des Coratt, winkte mit einem Humpen Bier.»Tyrion Halbmensch! Komm, setz dich zu uns ans Feuer, iß dein Fleisch mit den Stone Crows. Wir haben einen Ochsen.«
«Das kann ich sehen, Conn, Sohn des Coratt. «Der mächtige, rote Kadaver steckte auf einem Spieß von der Größe eines kleinen Baumes und hing über einem prasselnden Feuer. Ohne Zweifel war es ein kleiner Baum. Blut und Fett tropften in die Flammen, während zwei Stone Crows den Spieß drehten.»Ich danke euch. Schickt nach mir, wenn der Ochse gebraten ist. «Wie es aussah, mochte das sogar noch vor der Schlacht soweit sein. Er ging weiter.
Jeder Clan hatte sein eigenes Lagerfeuer. Black Ears aßen nicht mit Stone Crows, Stone Crows aßen nicht mit Moon Brothers, und niemand aß mit den Burned Men. Das bescheidene Zelt, das er sich mit einigen Mühen aus Lord Leffords Vorräten beschafft hatte, war genau zwischen den vier Feuern errichtet worden. Tyrion traf Bronn dabei an, wie er einen Weinschlauch mit den neuen Dienern teilte. Lord Tywin hatte ihm einen Pferdepfleger und einen Leibdiener geschickt, der sich um seine Bedürfnisse kümmern sollte, und er hatte sogar darauf bestanden, daß er sich einen Knappen wählte. Sie saßen um die Glut eines kleinen Feuers herum. Ein Mädchen hockte bei ihnen, schlank, dunkelhaarig, nicht älter als achtzehn, wie es schien. Tyrion betrachtete einen Augenblick lang ihr Gesicht, bevor er Fischgräten in der Asche sah.»Was habt ihr gegessen?«
«Forelle, M'lord«, sagte sein Bursche.»Bronn hat sie gefangen.«
Forelle, dachte er. Spanferkel. Verdammt soll mein Vater sein! Traurig starrte er mit knurrendem Magen die Gräten an.
Sein Knappe mit dem unseligen Namen Podrick Payne schluckte herunter, was immer er gerade sagen wollte. Der Knabe war ein entfernter Vetter von Ser Ilyn Payne, dem Henker des Königs… und fast ebenso schweigsam, wenn auch nicht mangels einer Zunge. Einmal hatte Tyrion ihn diese ausstrecken lassen, nur um sicherzugehen.»Zweifelsohne eine Zunge«, hatte er gesagt.»Eines Tages mußt du lernen, sie zu benutzen.«
Im Moment fehlte ihm die Geduld, ein Wort aus diesem Knaben herauszulocken, der ihm, wie er vermutete, nur aus bösem Scherz anvertraut worden war. Tyrion wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Mädchen zu.»Ist sie das?«fragte er Bronn.
Anmutig erhob sie sich und sah aus luftiger Höhe von fünf Fuß oder mehr auf ihn herab.»Sie ist es, M'lord, und sie kann für sich selbst sprechen, wenn es Euch beliebt.«
Er neigte seinen Kopf zur Seite.»Ich bin Tyrion aus dem Hause Lannister. Die Leute rufen mich den >Gnom<.«
«Meine Mutter hat mich Shae genannt. Die Leute rufen mich… oft.«
Bronn lachte, und Tyrion mußte lächeln.»Ins Zelt mit dir, Shae, wenn du so freundlich wärst. «Er hob die Klappe an und hielt sie für sie offen. Drinnen kniete er nieder, um eine Kerze anzustecken.