Die Augen seines Vaters waren auf ihn gerichtet, hellgrün, mit Gold gefleckt, so kühl, daß Tyrion fast fror.»Hat es Euch überrascht, Vater?«fragte er.»Hat es Eure Pläne durchkreuzt? Wir sollten uns schlachten lassen, nicht?«
Lord Tywin leerte seinen Becher mit ausdrucksloser Miene.»Ich habe die disziplinlosesten Männer auf die Linke gestellt, ja. Ich hatte erwartet, daß sie brechen würde. Robb Stark ist ein grüner Junge, eher tapfer als klug. Ich hatte gehofft, wenn er sieht, wie unsere Linke in sich zusammenbricht, würde er sich auf die Lücke stürzen, um uns in die Flucht zu schlagen. Wäre er erst vollauf beschäftigt, würden Ser Kevans Pikeniere wenden und ihm in die Flanke fahren, ihn in den Fluß treiben, während ich die Reserve bringe.«
«Und Ihr hieltet es für das beste, mich mitten in dieses Blutbad zu stellen und mich über Eure Pläne im dunkeln zu lassen.«
«Eine gespielte Flucht ist wenig überzeugend«, sagte sein Vater,»und ich neige nicht dazu, meine Pläne einem Mann anzuvertrauen, der sich mit Söldnern und Wilden umgibt.«
«Schade, daß meine Wilden Euch den Tanz verdorben haben. «Tyrion zog seinen stählernen Handschuh aus und ließ ihn zu Boden fallen, zuckte bei dem Schmerz zusammen, der in seinen Arm stach.
«Der junge Stark hat sich als vorsichtiger entpuppt, als ich es von jemandem in seinem Alter erwartet hätte«, räumte Lord
Tywin ein,»doch Sieg ist Sieg. Du scheinst mir verwundet zu sein.«
Tyrions rechter Arm war blutdurchtränkt.»Nett von Euch, das zu bemerken, Vater«, preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.»Dürfte ich Euch um die Mühe bitten, nach Euren Maestern zu rufen? Es sei denn, Ihr fändet Gefallen daran, einen einarmigen Zwerg zum Sohn zu haben… «
Ein dringender Schrei von» Lord Tywin!«ließ seinen Vater den Kopf herumreißen, bevor der ihm antworten konnte. Tywin Lannister stand auf, als Ser Addam Marbrand von seinem Roß sprang. Das Pferd war schweißgebadet und blutete aus dem Maul. Ser Addam sank auf ein Knie, ein schlaksiger Mann mit dunklem, kupferfarbenem Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, in polierten, braunen Stahl gekleidet, der brennende Baum seines Hauses in Schwarz auf seinen Brustpanzer radiert.
«Mein Lehnsherr, wir haben einige ihrer Befehlshaber gefangengenommen. Lord Cerwyn, Ser Wylis Manderly, Harrion Karstark, vier Freys. Lord Hornwood ist tot, und ich fürchte, Roose Bolton ist uns entkommen.«
«Und der Junge?«fragte Lord Tywin.
Ser Addam zögerte.»Der junge Stark war nicht bei ihnen, Mylord. Sie sagen, er hätte den Fluß bei den Twins mit einem Großteil seiner Reiter überquert, um so schnell wie möglich nach Riverrun zu gelangen.«
Ein grüner Junge, erinnerte sich Tyrion, eher tapfer als klug. Ihm wäre zum Lachen zumute gewesen, hätte ihn der Schmerz nicht so gepeinigt.
Catelyn
Die Wälder waren voll Geflüster.
Mondlicht zwinkerte in den wogenden Fluten des Baches unter ihr, während dieser sich seinen steinigen Weg durchs Tal bahnte. Unter den Bäumen wieherten leise die Streitrösser und scharrten über den feuchten, blätterübersäten Boden, während Männer im Flüsterton nervöse Scherze rissen. Hin und wieder hörten sie das Klirren von Speeren, das feine, metallene Rasseln von Kettenhemden, doch selbst diese Geräusche klangen gedämpft.
«Es sollte jetzt nicht mehr lange dauern, Mylady«, sagte Hallis Mollen. Er hatte um die Ehre gebeten, sie in der bevorstehenden Schlacht schützen zu dürfen. Es war sein Recht als Hauptmann der Garde von Winterfell, und Robb hatte es ihm nicht verweigert. Sie hatte dreißig Mann um sich, die entschlossen waren, dafür zu sorgen, daß sie unversehrt blieb und sicher heim nach Winterfell geleitet wurde, falls sich die Schlacht gegen sie wenden sollte. Robb hatte fünfzig gewollt. Catelyn hatte darauf beharrt, daß zehn genügten, daß er jedes Schwert in der Schlacht brauchte. Sie einigten sich auf dreißig, und beide waren damit nicht glücklich.
«Es wird kommen, wie es kommt«, erklärte ihm Catelyn. Wenn es kam, das wußte sie, würde es den Tod bedeuten. Hallis' Tod vielleicht oder ihren oder Robbs. Niemand war sicher. Kein Leben war gewiß. Catelyn gab sich damit zufrieden zu warten, dem Flüstern im Wald und der leisen Musik des Baches zu lauschen, die Wärme und den Wind in ihrem Haar zu spüren.
Schließlich war ihr das Warten auch nicht fremd. Stets hatten sie die Männer warten lassen.»Wart auf mich, mein kleines Kätzchen«, hatte ihr Vater ihr erklärt, wenn er zum Hof, zum
Fest oder in die Schlacht ritt. Und das tat sie dann, stand geduldig auf den Zinnen von Riverrun, während die Fluten von Tumblestone und Rotem Arm vorüberflossen. Nicht immer kam er, wenn er sagte, daß er käme, und oft genug vergingen Tage, die Catelyn auf ihrer Wacht verbrachte und durch Schießscharten spähte, bis sie Lord Hoster auf seinem braunen Wallach entdeckte, wie er am Ufer des Flusses entlang zum Anleger trabte.»Hast du auf mich gewartet?«fragte er dann, während er sich zu ihr herabbeugte, um sie zu umarmen.»Hast du gewartet, mein kleines Kätzchen?«
Auch Branden Stark hatte sie gebeten, auf ihn zu warten.»Es wird nicht lange dauern, Mylady«, hatte er geschworen.»Bei meiner Rückkehr werden wir heiraten. «Doch als der Tag dann endlich kam, war es sein Bruder Eddard, der in der Septe an ihrer Seite stand.
Ned war kaum zwei Wochen bei seiner neuen Braut gewesen, als auch er mit Versprechungen auf den Lippen in den Krieg geritten war. Zumindest hatte er ihr nicht nur Worte dagelassen. Er hatte ihr einen Sohn geschenkt. Neun Monde vergingen, und Robb kam in Riverrun zur Welt, während sein Vater noch im Süden kämpfte. Sie hatte ihn mit Blut und Schmerz geboren, ohne zu wissen, ob sie Ned je wiedersehen würde. Ihr Sohn. Er war so klein gewesen…
Und nun wartete sie auf Robb… auf Robb, und auf Jaime Lannister, den güldenen Ritter, von dem man sagte, er habe nie gelernt zu warten.»Der Königsmörder ist rastlos und leicht zu erzürnen«, hatte ihr Onkel Brynden Robb erklärt. Und er hatte das Leben aller und die Hoffnungen auf einen Sieg, auf die Wahrheit dessen, was er sagte, gebaut.
Falls Robb sich fürchtete, so ließ er es sich nicht anmerken. Catelyn beobachtete ihren Sohn, wie er zwischen den Männern umherging, einem auf die Schulter klopfte, mit einem anderen scherzte, einem dritten half, ein ängstliches Pferd zu beruhigen. Seine Rüstung klirrte leise, wenn er sich bewegte. Nur sein
Kopf war unbedeckt. Catelyn sah, wie eine Brise sein kastanienbraunes Haar durchwehte, ihrem eigenen so ähnlich, und fragte sich, wann ihr Sohn so groß geworden war. Fünfzehn und fast so groß wie sie.
Laßt ihn noch größer werden, bat sie die Götter. Laßt ihn seine sechzehn erleben, und zwanzig und fünfzig. Laßt ihn so groß wie sein Vater werden und seinen eigenen Sohn in Armen halten. Bitte. Bitte. Bitte. Während sie ihn betrachtete, den großen, jungen Mann mit dem neuen Bart und dem Schattenwolf an seinen Fersen, konnte sie nur den Säugling sehen, den man ihr vor so vielen Jahren in Riverrun an die Brust gelegt hatte.
Die Nacht war warm, doch der Gedanke an Riverrun genügte, um es ihr kalt über den Rücken laufen zu lassen. Wo sind sie? fragte sie sich. Konnte ihr Onkel sich getäuscht haben? So vieles ruhte auf dem Wahrheitsgehalt dessen, was er ihnen erklärt hatte. Robb hatte Blackfish dreihundert ausgesuchte Männer gegeben und sie vorausgeschickt, um seinen Marsch zu schützen.»Jaime weiß nichts davon«, sagte Ser Brynden, als er zurückkam.»Darauf verwette ich mein Leben. Kein Vogel hat ihn erreicht, dafür haben meine Schützen schon gesorgt. Wir haben einige seiner Kundschafter gesehen, aber diejenigen, die uns erspäht haben, können davon nicht mehr berichten. Er hätte mehr von ihnen schicken sollen. Er weiß es nicht.«
«Wie groß ist seine Streitmacht?«fragte ihr Sohn.»Zwölftausend Fußsoldaten, in drei Lagern um die Burg verteilt, mit den Flüssen dazwischen«, sagte ihr Onkel mit dem runzeligen Lächeln, an das sie sich so gut erinnerte.»Es gibt keine andere Möglichkeit, Riverrun zu belagern, und dennoch wird es ihr Verderben sein. Zwei — oder dreitausend Reiter.«