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Fünf der Zauberer erkannten ihren Irrtum. Der große Zauberer hatte eben doch recht gehabt. Um seine Vergebung zu erlangen, setzen sie sich zum Ziel, die Midlands und Westland vor den Folgen dessen zu bewahren, was geschehen würde, falls Darken Rahl die Macht über den gesuchten Zauber gewinnen sollte. Also machten sie sich auf die Suche nach dem großen Zauberer. Doch den sucht Rahl ebenfalls.«

»Du hast von fünf Zauberern gesprochen. Wie viele gibt es denn?«

»Sie waren zu siebt, der große Zauberer und seine sechs Lehrlinge. Der Alte ist untergetaucht, und einer der anderen hat sich bei einer Königin verdungen, was für einen Zauberer eine sehr ehrenvolle Sache ist.« Sie hielt inne und dachte einen Augenblick darüber nach. »Und wie gesagt, die fünf anderen sind tot. Sie haben vor ihrem Tod die gesamten Midlands absuchen lassen, aber der Große Zauberer war nicht zu finden. In den Midlands ist er nicht.«

»Sie glaubten also, daß er sich in Westland aufhält?«

Kahlan ließ den Löffel in den leeren Topf fallen. »Ja. Er ist hier.«

»Und sie glaubten, dieser große Zauberer kann Darken Rahl stoppen, obwohl sie es nicht konnten?« Irgend etwas war faul an der Geschichte, und Richard war nicht sicher, ob er wissen wollte, was als nächstes kam.

»Nein«, fuhr sie nach einer Weile fort, »auch er verfugt nicht über genug Macht, gegen Darken Rahl vorzugehen. Was sie wollten, was wir brauchen, um uns alle vor dieser Zukunft zu bewahren, ist folgendes: wir müssen den großen Zauberer dazu bringen, jenen Menschen zu benennen, den nur er benennen kann.«

Die Sorgfalt, mit der sie die Worte wählte, verriet ihm, daß sie um Geheimnisse herumredete, nach denen er sie nicht fragen durfte. Er ließ es und fragte statt dessen: »Wieso haben sie ihn nicht aufgesucht und ihn darum gebeten?«

»Weil sie Angst hatten, er könnte ablehnen. Sie hatten nicht die Macht, ihn zu zwingen.«

»Fünf Zauberer verfügen nicht über die gleiche Macht wie dieser eine?«

Sie schüttelte traurig lächelnd den Kopf. »Sie waren seine Lehrlinge, wollten selber Zauberer werden. Sie sind nicht als Zauberer mit der entsprechenden Begabung geboren worden. Der Große Zauberer war Sohn eines Zauberers und einer Magierin. Es lag ihm im Blut, nicht nur im Kopf. Sie hätten nie so werden können wie er. Sie verfügten einfach nicht über die Macht, ihn zu zwingen.« Sie schwieg.

»Und…« Er sprach nicht weiter. Sein Schweigen sollte ihr seine nächste Frage verraten. Und daß er auf einer Antwort bestand.

Endlich rückte sie leise flüsternd mit der Antwort heraus.

»Und sie schickten mich, denn ich verfüge über die nötige Macht.«

Das Feuer knackte und zischte. Ihre Anspannung war deutlich zu spüren. Sie war mit ihrer Antwort in diesem Punkt so weit gegangen, wie sie nur konnte. Er schwieg. Sie sollte sich sicher fühlen. Ohne hinüberzusehen, legte er ihr die Hand auf den Unterarm, und sie legte ihre Hand auf seine.

»Woran willst du den Zauberer erkennen?«

»Ich weiß nur, ich muß ihn finden, und zwar bald, sonst sind wir alle verloren.«

Richard schwieg und dachte nach. »Zedd wird uns helfen«, sagte er schließlich. »Er kann in den Wolken lesen. Das Auffinden Verschollener ist die Aufgabe eines Wolkenlesers.«

Kahlan sah ihn mißtrauisch an. »Das klingt nach Zauberei. Die dürfte es in den Westlands eigentlich nicht geben.«

»Er meint, es sei keine. Jeder kann das lernen. Er versucht ständig, es mir beizubringen. Er zieht mich immer auf, wenn ich sage, es sieht nach Regen aus. Seine Augen werden ganz groß, und dann sagt er: ›Magie! Was dir fehlt, ist Magie, mein Junge. Dann kannst du aus den Wolken die Zukunft ablesen.‹«

Kahlan lachte. Das zu hören tat gut. Er wollte sie nicht weiter bedrängen, obwohl das Flechtwerk ihrer Geschichte einige lose Fäden aufwies. Genaugenommen hatte sie ihm nicht viel erzählt. Wenigstens wußte er nun mehr als zuvor. Wichtig war jetzt, den Zauberer zu finden und dann zu fliehen. Bestimmt war ein weiteres Quadron hinter ihr her. Sie würden nach Westen fliehen müssen, während der Zauberer tat, was immer er tun mußte.

Sie öffnete ihre Hüfttasche und holte etwas heraus. Sie löste die Bänder und faltete ein gewachstes Tuch auseinander, das eine bräunliche Substanz enthielt. Sie tauchte den Finger hinein und drehte sich zu ihm. »Damit der Stich besser verheilt. Dreh dich um.«

Die Salbe linderte den Schmerz. Er erkannte den Duft einiger Pflanzen und Kräuter, aus denen sie gemacht war. Zedd hatte ihm beigebracht, eine ähnliche Salbe herzustellen, allerdings unter Verwendung von Aum, das Fleischwunden den Schmerz nahm. Als sie bei ihm fertig war, rieb sie sich selbst ein. Er hielt ihr seine entzündete rote Hand hin.

»Hier, reib da auch etwas drauf.«

»Richard! Was ist das?«

»Ein Dorn hat mich gestochen. Heute morgen.«

Vorsichtig tupfte sie die Salbe auf die Wunde. »Ich habe noch nie gesehen, daß ein Dorn so etwas anrichtet.«

»Es war ein großer Dorn. Ich bin sicher, morgen früh ist es wieder besser.«

Die Salbe linderte den Schmerz nicht wie erhofft, doch das erzählte er ihr nicht. Er wollte sie nicht beunruhigen. Seine Hand war nichts im Vergleich zu den Problemen, mit denen sie sich herumschlagen mußte. Sie schnürte die Bänder wieder um das kleine Päckchen und steckte es zurück in ihren Hüftbeutel.

Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten.

»Richard, fürchtest du dich vor Zauberei?«

Er dachte genau nach, bevor er antwortete. »Sie hat mich immer fasziniert. Es klang aufregend, aber mittlerweile ist mir klar, es gibt Zauberei, die man fürchten muß. Aber ich nehme an, es ist wie mit den Menschen. Einigen hält man sich fern, bei anderen freut man sich, wenn man sie kennenlernt.«

Kahlan lächelte. Offenbar war sie mit seiner Antwort zufrieden. »Richard, bevor ich schlafen kann, muß ich mich noch um etwas kümmern. Es geht um ein Geschöpf der Magie. Wenn du keine Angst hast, zeige ich es dir. Es ist eine seltene Gelegenheit. Nur wenige haben es bislang gesehen, und nur wenige werden es noch zu Gesicht bekommen. Aber du mußt mir versprechen zu gehen, wenn ich dich darum bitte, und mir bei deiner Rückkehr keine weiteren Fragen zu stellen. Ich bin sehr müde und muß schlafen.«

Richard freute sich über die Ehre. »Versprochen.«

Sie öffnete ihren Hüftbeutel und holte eine kleine runde Flasche mit einem Stöpsel heraus. Blaue und silberne Spiralen verzierten den bauchigen Teil. Im Innern war Licht.

Sie sah ihn mit ihren grünen Augen an. »Das Geschöpf ist ein Irrlicht. Es heißt Shar. Ein Irrlicht ist tagsüber unsichtbar, man kann es nur nachts sehen. Es ist ein Teil des Zaubers, der mir beim Überqueren der Grenze geholfen hat. Shar hat mich geführt. Ohne sie wäre ich verloren gewesen.«

Kahlans Augen füllten sich mit Tränen, doch ihre Stimme blieb fest und sicher. »Shar wird heute abend sterben. Fern von ihrem Zuhause und getrennt von ihresgleichen, hält sie nicht lange durch, und für eine erneute Überquerung der Grenze fehlt ihr die Kraft. Shar hat ihr Leben geopfert, um mir zu helfen, weil sonst unter anderem auch alle ihrer Art zugrunde gehen, wenn Darken Rahl Erfolg hat.«

Sie zog den Stöpsel heraus, stellte das kleine Fläschchen auf ihre Handfläche und hielt sie zwischen sie.

Ein winziger Lichtschein stieg aus der Flasche auf, schwebte in das kühle Dämmerlicht der Launenfichte und überzog alles mit einem silbrigen Glanz. Das Licht wurde weicher, als das Irrlicht zwischen ihnen in der Luft schwebend zum Stillstand kam. Richard war verblüfft. Er starrte mit offenem Mund, wie versteinert.

»Guten Abend, Richard Cypher«, sagte es mit einem winzigen, dünnen Stimmchen.

»Guten Abend, Shar.« Seine Stimme kam kaum über ein Flüstern hinaus.

»Vielen Dank, daß du Kahlan heute geholfen hast. Dadurch hilfst du auch meiner Art. Solltest du je die Hilfe der Irrlichter benötigen, nenne meinen Namen, und sie werden dir helfen. Denn Feinde kennen ihn nicht.«