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»Danke, Shar, aber die Midlands sind der letzte Ort, an den es mich zieht. Ich werde Kahlan helfen, den Zauberer zu finden. Aber danach will ich uns nach Westen bringen, fort von denen, die uns töten wollen.«

Das Irrlicht kreiste eine Weile nachdenklich in der Luft. Der silberne Lichtschein legte ein weiches Licht auf Richards Gesicht.

»Wenn du das willst, dann mußt du es auch tun«, sagte Shar. Richard war erleichtert. Der winzige Lichtpunkt schwirrte vor ihnen herum.

Shar kam flirrend zum Stillstand. »Doch bedenke, Darken Rahl verfolgt euch beide. Er wird nicht ruhen. Er wird nicht aufhören. Läufst du fort, wird er dich finden. Daran besteht kein Zweifel. Du kannst dich gegen ihn nicht zur Wehr setzen. Er wird euch beide töten. Schon bald.«

Richards Mund war trocken. Er konnte kaum schlucken. Der Gar hätte es wenigstens rasch hinter sich gebracht, überlegte er. Dann wäre alles vorbei. »Shar, haben wir keine Möglichkeit zu fliehen?«

Das Licht schwirrte umher. Sein Gesicht und die Äste der Fichte leuchteten auf.

Shar hielt an. »Sobald du ihm den Rücken zukehrst, siehst du ihn nicht. Er wird dich erwischen. Er liebt das.«

Richard starrte. »Aber … können wir denn gar nichts tun?«

Der winzige Lichtpunkt schwirrte los und kam ihm diesmal näher, bevor er stehenblieb. »Die Frage ist schon besser, Richard Cypher. Die Antwort, die du suchst, liegt in dir. Du mußt nur suchen. Du mußt sie finden, oder er wird euch beide töten. Bald.«

»Wie bald?« Seine Stimme wurde lauter, er konnte nicht anders. Das Licht wirbelte herum und entfernte sich ein Stück. Er wollte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ohne wenigstens etwas herauszufinden, an das er sich klammern konnte.

Das Irrlicht stoppte. »Am ersten Tag des Winters, Richard Cypher. Wenn die Sonne am Himmel steht. Wenn Darken Rahl dich nicht vorher tötet, und wenn niemand ihn aufhält, werden alle meiner Art sterben. Ihr beide werdet sterben. Er wird es genießen.«

Richard überlegte, wie er einem wirbelnden Lichtpunkt am besten eine Frage stellte. »Shar, Kahlan versucht, die anderen deiner Art zu retten. Ich will sie dabei unterstützen. Du hast dein Leben gegeben, um ihr zu helfen. Scheitern wir, werden alle sterben, das hast du gerade selbst gesagt. Bitte, kannst du uns irgend etwas sagen, was uns gegen Darken Rahl von Nutzen sein könnte?«

Das winzige Licht kreiste im Innern der Launenfichte und leuchtete die Winkel aus, denen es sich näherte. Wieder blieb es vor ihm stehen.

»Hab' dir die Antwort bereits gegeben. Es liegt in dir. Finde es oder stirb. Tut mir leid, Richard Cypher. Möchte helfen. Kenne die Antwort nicht. Sie liegt in dir. Tut mir leid, so leid.«

Richard nickte und strich sich die Haare zurück. Er wußte nicht, wer niedergeschlagener war, Shar oder er. Mit einem Seitenblick stellte er fest, daß Kahlan ruhig dasaß und das Irrlicht beobachtete. Shar kreiste herum und wartete.

»Also schön. Kannst du mir sagen, weshalb er mich töten will? Weil ich Kahlan helfe, oder gibt es noch einen anderen Grund?«

Shar kam näher. »Andere Gründe? Geheimnisse vielleicht?«

»Was!« Richard sprang auf die Füße. Das Irrlicht folgte ihm nach oben.

»Ich weiß nicht, weshalb. Tut mir leid. Er wird es eben tun.«

»Wie lautet der Name des Zauberers?«

»Gute Frage, Richard Cypher. Tut mir leid. Ich weiß es nicht.«

Richard setzte sich wieder hin und vergrub sein Gesicht in den Händen. Shar umkreiste wirbelnd seinen Kopf, offensichtlich wollte sie ihn trösten. Sie war ihrem Ende nah, doch noch im Sterben sorgte sie sich um ihn. Er mußte den Kloß in seinem Hals hinunterschlucken, damit er sprechen konnte.

»Shar, danke, weil du Kahlan geholfen hast. Sie hat mein Leben, so kurz es scheinen mag, bereits jetzt verlängert, da sie mich heute vor einer großen Dummheit bewahrt hat. Außerdem ist mein Leben durch sie reicher geworden. Danke für deine Hilfe, meine Freundin sicher über die Grenze zu bringen.« Ihm verschwamm alles vor Augen.

Das Irrlicht schwebte heran und berührte seine Stirn. Shars Stimme schien sowohl in seinem Kopf als auch in seinen Ohren zu klingen.

»Tut mir leid, Richard Cypher. Ich kenne die Antworten nicht, die dich retten würden. Wüßte ich sie, glaube mir, ich würde sie dir nur zu gerne geben. Aber ich sehe das Gute in dir. Ich glaube an dich. Du hast alles, was du brauchst, um erfolgreich zu sein. Manchmal wirst du an dir zweifeln. Gib nicht auf. Denke immer daran, ich glaube an dich. Ich weiß, du kannst dein Ziel erreichen. Es gibt nicht viele wie dich, Richard Cypher. Glaube an dich. Und beschütze Kahlan.«

Er hatte die Augen geschlossen. Tränen liefen ihm über die Wangen, und der Kloß in seinem Hals machte ihm immer wieder das Atmen schwer.

»Es sind keine Gars in der Nähe. Bitte, laß mich jetzt mit Kahlan allein. Meine Zeit ist gekommen.«

Richard nickte. »Leb wohl, Shar. Es war mir eine große Ehre, dich kennengelernt zu haben.«

Er ging, ohne eine der beiden anzusehen.

Als er gegangen war, schwebte das Irrlicht zu Kahlan und sprach sie standesgemäß an.

»Mutter Konfessor, meine Zeit ist bald abgelaufen. Warum habt Ihr ihm nicht gesagt, was Ihr wirklich seid?«

Kahlan ließ die Schultern hängen und legte die Hände in den Schoß, während sie in das Feuer starrte. »Ich kann es nicht, Shar. Noch nicht.«

»Konfessor Kahlan, das ist nicht fair. Richard Cypher ist Euer Freund.«

Tränen liefen ihr die Wangen hinab. »Verstehst du denn nicht? Deswegen kann ich es ihm ja nicht sagen. Wenn ich es ihm sage, ist er nicht mehr mein Freund, wird er mich nicht mehr mögen. Du hast keine Vorstellung, was es heißt, ein Konfessor zu sein, den jeder fürchtet. Er hat mir in die Augen geblickt, Shar. Das haben nicht viele gewagt. Aber keiner wird mir je in die Augen sehen, wie er es getan hat. Seine Augen geben mir Sicherheit. Er bringt mein Herz zum Lächeln.«

»Möglicherweise erfährt er es zuerst von jemand anderem, Konfessor Kahlan. Das wäre noch schlimmer.«

Sie blickte das Irrlicht aus feuchten Augen an. »Bevor das geschieht, werde ich es ihm sagen.«

»Ihr spielt ein gefährliches Spiel, Konfessor Kahlan«, warnte Shar. »Er könnte sich in Euch verlieben. Dann würde es ihn auf unverzeihliche Weise verletzen.«

»Dazu lasse ich es nicht kommen.«

»Wirst du ihn erwählen?«

»Nein!«

Kahlans Schrei ließ das Irrlicht zurückfahren. Dann näherte es sich langsam wieder ihrem Gesicht. »Konfessor Kahlan, Ihr seid die letzte Eurer Art. All die anderen hat Darken Rahl umgebracht. Selbst Eure Schwester Dennee. Ihr seid die Mutter Konfessor. Ihr müßt einen Gefährten erwählen.«

»Das kann ich keinem zumuten, den ich mag. Das würde kein Konfessor tun«, schluchzte sie.

»Tut mir leid, Mutter Konfessor. Es liegt an dir zu wählen.«

Kahlan zog die Beine an, schlang die Arme darum und legte die Stirn auf die Knie. Sie zuckte mit den Achseln. Sie weinte. Ihr dichtes Haar floß an ihrem Körper herab. Shar umkreiste langsam ihren Kopf, strahlte ein silbernes Licht aus und tröstete ihre Gefährtin dadurch. Sie umkreiste Kahlan, bis sie schließlich aufhörte zu weinen. Shar kehrte an ihren alten Platz vor ihrem Gesicht zurück und stand in der Luft.

»Es ist hart, Mutter Konfessor zu sein. Es tut mir leid.«

»Sehr hart«, stimmte Kahlan zu.

»Viel Last auf Euren Schultern.«

»Sehr viel«, gab Kahlan ihr recht.

Sachte landete das Irrlicht auf der Schulter der Frau und verharrte dort ruhig, während Kahlan zusah, wie das Feuer mit kleinen, gemächlichen Flammen verglühte. Nach einer Weile stieg das Irrlicht von ihrer Schulter auf und schwebte zu einem Punkt in der Luft vor ihr.

»Möchte noch bei Euch bleiben. Viel Spaß. Möchte bei Richard Cypher bleiben. Stellt gute Fragen. Aber ich halte nicht länger aus. Tut mir leid. Ich sterbe.«

»Du hast mein Wort, Shar. Notfalls opfere ich mein Leben, um Darken Rahl zu stoppen. Und um dein Volk und alle anderen zu erhalten.«

»Ich glaube an Euch, Konfessor Kahlan. Helft Richard.« Shar kam näher. »Bitte. Bevor ich sterbe, berührst du mich?«