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Die beiden liefen durch das hohe, wilde Gras, das das Haus umgab, dann einen Hang hinauf zur Kuppe eines kleinen, kahlen Hügels, auf dem der Wolkenstein stand. Zedd stand, mit dem gekrümmten Rücken zu ihnen, auf dem flachen Felsen und streckte seine spindeldürren Arme aus. Sein welliges, weißes Haar fiel hinten herab, da er den Kopf mit prüfendem Blick in den Nacken gelegt hatte.

Zedd war splitternackt.

Richard verdrehte die Augen, Kahlan senkte den Blick. Seine blasse, ledrige Haut, die lose über die vorspringenden Knochen drapiert schien, verlieh ihm das Aussehen eines trockenen, spröden Ästchens. Aber wie Richard wußte, war er alles andere als spröde. Seine Hinterbacken ließen jede Polsterung vermissen, und die Haut dort hing schlaff herab.

Er hob einen knorrigen Finger und deutete in den Himmel. »Ich wußte, du würdest kommen, Richard.« Seine Stimme war so dünn wie alles an ihm.

Der schlichte, schmucklose Umhang, der seine einzige Kleidung bildete, lag hinter ihm. Richard bückte sich und hob ihn auf, während Kahlan sich umdrehte, um jede weitere Peinlichkeit zu vermeiden. »Zedd, wir sind nicht allein. Zieh dich an.«

»Weißt du, woher ich das wußte?« Noch immer rührte er sich nicht.

»Ich würde sagen, es hat etwas mit der Wolke zu tun, die mir die letzten paar Tage gefolgt ist. Hier, ich helfe dir beim Anziehen.«

Zedd fuchtelte aufgeregt mit den Armen herum. »Tage! Blödsinn! Richard, diese Wolke folgt dir schon seit drei Wochen, seit dem Tod deines Vaters! Ich habe dich seit Georges Tode nicht mehr gesehen. Wo hast du gesteckt? Ich habe überall nach dir gesucht. Wenn du es dir in den Kopf gesetzt hast, dich zu verstecken, findet man eher eine Nadel in einem Heuhaufen als dich!«

»Ich hatte zu tun. Halt die Arme hoch, damit ich dir das anziehen kann.« Richard stülpte den Umhang über Zedds ausgestreckte Arme und half ihm, den faltigen Stoff über den schmächtigen Körper zu ziehen, während der alte Mann sich in das Kleidungsstück wand.

»Du hattest zu tun! Und du konntest nicht einmal ab und an einen Blick in den Himmel werfen? Verdammt, Richard. Weißt du, woher diese Wolke kommt?« Zedd hatte die Augen besorgt aufgerissen, die Brauen hochgezogen und die Stirn in Falten gelegt.

»Laß das Fluchen«, sagte Richard. »Ich würde sagen, die Wolke kommt aus D'Hara.«

Zedd riß die Arme in die Höhe. »D'Hara! Eben! Sehr gut, mein Junge! Und jetzt verrate mir, woran du das siehst. An ihrer Substanz? Ihrer Dichte?« Zedd wurde immer aufgeregter, zappelte in seinem Umhang herum, der einfach nicht richtig sitzen wollte.

»Weder noch. Diese Vermutung beruht auf anderem Wissen, wie schon gesagt, Zedd, wir haben Gesellschaft.«

»Ja, ja. Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden.« Die Angelegenheit war mit einer Handbewegung erledigt. »Anderes Wissen, sagst du.« Er strich über sein glattes Kinn. »Das ist gut! Wirklich ausgezeichnet! Hat dir dieses Wissen auch verraten, was für eine üble Geschichte dies ist? Ja, natürlich, das hat es«, beantwortete er die Frage gleich selbst. »Wieso schwitzt du so?« Er legte Richard seine astdürren Finger auf die Stirn. »Du hast Fieber«, verkündete er. »Hast du mir was zu essen mitgebracht?«

Richard hatte bereits einen Apfel in der Hand. Er hatte gewußt, Zedd würde Hunger haben. Zedd hatte immer Hunger. Wie besessen schlug der Alte seine Zähne in den Apfel.

»Zedd, bitte hör zu. Ich brauche deine Hilfe.«

Zedd legte Richard seine dürren Finger an die Schläfe und hob mit dem Daumen ein Lid, derweil er auf einem Apfelbissen herumkaute. Er beugte sein scharfgeschnittenes Gesicht vor, linste Richard ins Auge, dann wiederholte den Vorgang mit dem anderen. »Ich höre dir immer zu, Richard.« Er nahm Richards Handgelenk und fühlte seinen Puls. »Ich gebe dir recht, du steckst in Schwierigkeiten. In drei, vielleicht vier Stunden, mehr nicht, wirst du das Bewußtsein verlieren.«

Richard war bestürzt, und auch Kahlan wirkte besorgt. Zedd kannte sich mit Fieber aus und stellte nie solche präzisen Prognosen, wenn sie sich nicht erfüllten. Richards Beine hatten sich schwach angefühlt, seit er unter Frösteln aufgewacht war. Von allein würde es nicht besser werden. »Kannst du mir helfen?«

»Vielleicht. Kommt auf die Ursache an. Und jetzt benimm dich endlich und stell mich deiner Freundin vor.«

»Zedd, das ist Kahlan Amnell. Wir sind Freunde…«

Der Alte sah ihm tief in die Augen. »Ach? Dann habe ich mich also geirrt? Sie ist gar kein richtiges Mädchen?« Zedd lachte kehlig. Über seinen Scherz grinsend, schlurfte er zu Kahlan, verbeugte sich dramatisch bis zur Hüfte, hob ihre Hand ein winziges Stück, küßte sie ganz leicht und sagte »Zeddicus Zu'l Zorander, ganz Euer ergebener Diener, meine liebe junge Lady«. Er richtete sich auf und sah ihr ins Gesicht. Als sich ihre Augen trafen, verdampfte sein Lächeln, und seine Augen weiteten sich. Sein lebhaftes Gesicht wurde wütend. Er ließ ihre Hand los, als hätte er versehentlich eine giftige Schlange berührt. Zedd wirbelte zu Richard herum.

»Was hast du mit diesem Wesen zu schaffen?«

Kahlan blieb gelassen. Richard war entsetzt. »Aber Zedd…«

»Hat sie dich berührt?«

»Na ja, ich…« Richard versuchte sich zu erinnern, wie sie ihn berührt hatte, als Zedd ihn erneut unterbrach.

»Nein, natürlich nicht. Das hat sie nicht, das sehe ich. Richard, weißt du, was sie ist?« Er drehte sich zu ihr. »Sie ist eine…«

Kahlan warf Zedd einen kaltwütigen Blick zu, und er verstummte auf der Stelle.

Richard sprach ruhig, aber entschieden. »Ich weiß genau, was sie ist, sie ist eine Freundin von mir. Eine Freundin, die mich gestern davor bewahrt hat, ermordet zu werden wie mein Vater, und die mir dann noch einmal gegen ein Monster namens Gar das Leben gerettet hat.« Kahlans Gesicht entspannte sich. Der Alte starrte sie noch eine Weile an, bevor er sich wieder Richard zuwandte. »Zedd, Kahlan ist eine Freundin. Wir stecken beide tief in Schwierigkeiten und sind aufeinander angewiesen.«

Zedd stand da und schwieg, sah Richard suchend in die Augen. Er nickte. »Schwierigkeiten, in der Tat.«

»Zedd, wir brauchen deine Hilfe. Bitte.« Kahlan trat vor und stellte sich neben ihn. »Wir haben nicht viel Zeit.« Zedd erweckte nicht den Eindruck, als wollte er etwas damit zu tun haben. Richard fuhr dennoch fort und beobachtete Zedds Augen. »Nachdem ich sie gestern gefunden hatte, wurde sie von einem Quadron attackiert. Bald wird das nächste kommen.« Er fand, wonach er gesucht hatte: ein rasches Aufblitzen von Haß, das sich in Mitgefühl verwandelte.

Zedd betrachtete Kahlan, als sähe er sie zum ersten Mal. Lange standen die beiden sich gegenüber. Als das Quadron erwähnt wurde, bekam ihr Gesichtsausdruck etwas Gequältes. Zedd trat zu ihr, legte seine spindeldürren Arme schützend um sie und drückte ihren Kopf sacht an seine Schulter. Sie umarmte ihn dankbar und vergrub ihren Kopf in seinem Gewand, um ihre Tränen zu verbergen. »Schon gut, meine Liebe, hier bist du sicher«, sagte er sanft. »Gehen wir hinunter zum Haus, dann kannst du mir von den Schwierigkeiten erzählen. Danach müssen wir uns um Richards Fieber kümmern.« Sie nickte, den Kopf noch immer an seiner Schulter.

Kahlan löste sich von ihm. »Zeddicus Zu'l Zorander. Einen solchen Namen habe ich noch nie gehört.«

Er lächelte stolz; seine schmalen Lippen legten seine Wangen in tiefe Falten. »Davon bin ich überzeugt, meine Liebe, davon bin ich überzeugt. Übrigens, kannst du kochen?« Er legte ihr den Arm um die Schulter und drückte sie an sich, während sie den Hang hinuntergingen. »Ich bin hungrig und habe schon seit Jahren nicht mehr vernünftig warm gegessen.« Er warf einen Blick hinter sich. »Komm, Richard. Solange du noch kannst.«

»Wenn du Richard gegen das Fieber hilfst, mache ich dir einen großen Topf Gewürzsuppe«, bot sie an.