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»Nun gut. Brox, lass die Nachtsäbler frei. Ich werde meinem einen kleinen Bericht über unsere Absichten mitgeben. Sie werden von sich aus zur Armee zurückkehren. Hoffentlich entdeckt Rhonin die Botschaft. Nehmt, was ihr tragen könnt, nicht mehr.«

Rasch luden sie ihre Habseligkeiten auf den großen Roten. Der Magier steckte seine Botschaft in das Sattelzeug einer Katze, dann ließen sie die Tiere frei. Krasus und seine Begleiter kletterten auf die Schultern des Drachen. Korialstrasz überzeugte sich davon, dass seine Passagiere sicher untergebracht waren, dann streckte er die Flügel aus.

»Ich werde mich beeilen … und vorsichtig sein«, versprach er.

Sie erhoben sich in die Lüfte. Krasus betrachtete die Landschaft, die unter ihnen vorbeizog. Korialstrasz war eine große Hilfe, aber der Erfolg der Mission war alles andere als gewiss.

Neltharion – Deathwing – erwartete seine Feinde, die echten und die eingebildeten. Sie mussten äußerst vorsichtig sein, sobald sie sein Territorium erreichten.

Aber wenigstens mussten sie sich in der Nähe von Deathwings Nest keine Sorgen mehr um Dämonen machen.

6

Lord Desdel Stareye hatte einen wundervollen Plan.

Zumindest sagte er das allen, denen er davon erzählte. Er war selbst darauf gekommen, also war der Plan narrensicher. Die meisten anderen Adligen stimmten ihm enthusiastisch zu und feierten ihn mit erhobenen Weinkelchen. Die anderen hielten sich zurück. Die Soldaten an der Front waren zu müde, um sich Sorgen zu machen, und die Flüchtlinge kümmerten sich ausschließlich um das eigene Überleben. Nur eine Hand voll äußerte sich kritisch gegenüber Stareye – vor allem Rhonin. Allerdings hatte Krasus’ ständige Abwesenheit den Kommandanten zu der Überzeugung geführt, die Fremden seien vielleicht doch nicht so nützlich wie angenommen. Als der Mensch anfangen wollte, Stareye auf die Fehler seines wundervollen Plans aufmerksam zu machen, hatte der Kommandant ihm höflich erklärt, der Rat wäre schon in der Lage, seine eigenen Angelegenheiten zu klären, und der Zauberer solle sich doch bitte um seine Pflichten kümmern. Er hatte sogar die Wachen in seinem Zelt verdoppelt – ein weiteres klares Signal. Hätte Rhonin sich geweigert, den Vorschlag anzunehmen, wären sie sicherlich aktiv geworden.

Rhonin scheute eine Auseinandersetzung, die den Zusammenhalt der Armee gefährdet hätte, also verließ er das Zelt. Jarod traf ihn in der Nähe des Taurenlagers. Huln begleitete den Offizier.

Der Nachtelf bemerkte seinen Gesichtsausdruck. »Ist etwas Schlimmes …«

»Vielleicht … oder vielleicht bin ich einfach zu zynisch, wenn es um diesen verweichlichten Adligen geht. Sein Plan ist so simpel, dass er nicht funktionieren kann

»Simpel mag durchaus gut sein«, erklärte Huln, »wenn man auf seinen Verstand hört.«

»Irgendwie bezweifle ich, dass Stareye einen Verstand hat. Ich verstehe nicht, wie Ravencrest so gut mit ihm auskommen konnte.«

Jarod hob die Schultern. »Sie gehören zur gleichen Kaste.«

»Na, dann passt ja alles zusammen.« Dem Nachtelf entging Rhonins Sarkasmus. Der Zauberer schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Wir können nur abwarten und das Beste hoffen.«

Sie mussten nicht lange warten. Stareye begann noch vor Sonnenuntergang mit der Durchführung seines Vorhabens. Die Nachtelfen verteilten sich und bildeten drei Keile. Die Tauren und die anderen Völker folgten ihrem Beispiel. Der Adlige zog einen Großteil seiner Kavallerie zurück und schickte sie an die linke Flanke. Dort warteten sie ein wenig entfernt vom Rest der Armee.

Die Spitze eines jeden Keils bestand aus Speeren. Auf sie folgten Schwerter und andere Handwaffen. Dahinter und von allen Seiten beschützt standen die Bogenschützen. Zu jedem Keil gehörten außerdem Mitglieder der Mondgarde. Die Zauberer sollten die Soldaten vor den Eredar und anderen Magiern schützen.

Die Keile sollten so weit wie möglich vorrücken und sich wie hungrige Mäuler durch die Reihen der Legion fressen. Die Dämonen, die zwischen die Keile gerieten, würden von den Bogenschützen und Schwertkämpfern vernichtet werden.

Gleichzeitig hatten sich die Nachtelfen in Marsch zu setzen. Kein Keil durfte allein vorstoßen oder zurückbleiben. Die Kavallerie diente als Reserve, die an Schwachstellen eingreifen sollte.

Es gab einige Skepsis unter den Tauren und Irdenen, aber da sie keine Erfahrung in militärischen Operationen großen Stils hatten, verließen sie sich auf das scheinbar überlegene taktische Wissen der Nachtelfen.

Jarod ritt neben Rhonin, als die Armee sich nach vorne wälzte. Die Dämonen reagierten überraschend zögerlich, was Stareye für ein gutes Omen hielt. Die anderen beiden hielten es für besorgniserregend.

»Ich habe mit der Mondgarde gesprochen«, sagte der Zauberer zu seinem Begleiter. »Wir haben uns ein paar Tricks überlegt, damit Stareyes Plan auch wirklich funktioniert. Ich werde sie koordinieren.«

»Huln verspricht, dass die Tauren mit aller Stärke kämpfen werden, und ich glaube, die Furbolg haben so etwas ähnliches gesagt«, antwortete der Captain. »Ich weiß allerdings nicht, ob Dungard Ironcutter genügend Leute hat, um seinen Teil des Keils zu halten.«

»Wenn diese Zwerge nur halb so tapfer kämpfen wie der, den ich einst kannte, musst du dir um sie keine Sorgen machen«, antwortete Rhonin.

Im gleichen Moment ertönten die Schlachthörner. Die Soldaten spannten sich an und gingen schneller.

»Seid bereit!«, rief der Magier. Seine Katze trabte los.

»Ich wünschte, ich wäre in Suramar, und all das wäre nie geschehen …«

Die Landschaft war abschüssig und erlaubte ihnen einen Blick auf das, was vor ihnen lag.

Ein unendliches Meer aus Dämonen erstreckte sich bis zum Horizont.

»Mutter Mond!«, stieß Jarod hervor.

»Reiß dich zusammen!«

Ein Trompeter blies zum Angriff. Die Nachtelfen stießen lautes Kriegsgeheul aus und liefen los. Dunkles Brüllen antwortete ihnen aus den Reihen der Tauren und Furbolgs. Die Irdenen eilten ihren Gegnern mit einem seltsam klagenden Laut entgegen.

Die Schlacht begann.

Die Frontlinie der Legion brach unter dem ungestümen Angriff zusammen. Der Keil schob sich tief in die Dämonen hinein. Die gehörnten Krieger wurden von Lanzen aufgespießt.

»Wir schaffen es!«, rief Jarod aufgeregt.

»Noch haben wir den nötigen Schwung, aber nicht mehr lange.«

Nach einigen Metern überwand die Legion tatsächlich ihre Überraschung. Sie konnten den Angriff zwar nicht komplett aufhalten, aber jeder neue Meter musste teuer erkauft werden.

Trotzdem bewegten sich die Nachtelfen weiter vor.

Aber auch zu Beginn des Angriffs gab es Gefahren und Verluste. Einige Verdammniswachen flatterten über der Armee, versuchten über die Lanzen hinwegzukommen und die Bogenschützen anzugreifen. Manche von ihnen wurden Opfer der Pfeile, aber anderen gelang es, den Verteidigern zu entgehen. Sie trugen Streitkolben und andere Waffen, mit denen sie sich auf die Nachtelfen stürzten, ihnen die Schädel einschlugen oder sie erstachen. Allerdings zogen sie sich unter dem Ansturm der Bogenschützen und der Mondgarde schnell wieder zurück.

An anderer Stelle öffneten die Dämonen ihre Reihen, um zwei Höllenkreaturen hindurch zu lassen. Die Soldaten, die sich ihnen entgegen stellten, wurden zerquetscht, und der Keil wurde stumpf, bog sich fast schon nach innen. Eine Höllenkreatur wurde von der Mondgarde vernichtet, jedoch erst nach dem Tod mehrerer Bogenschützen. Die andere schlug sich wütend durch die Nachtelfen, denen es immerhin gelang, die Reihen hinter ihr zu schließen.

Rhonin versuchte sich auf den einzelnen Dämon zu konzentrieren, aber es hielten sich zu viele Soldaten in der Nähe der Kreatur auf. Der Magier setzte zu mehreren Zaubern an, doch die Gefahr war zu groß, die Nachtelfen mit in den Tod zu reißen.