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Der Flügelschlag trieb Neltharions Diener die Luft aus den Lungen. Mit einem letzten lauten Brüllen erhob er sich in die Luft und versuchte zu fliehen.

»Nein!« Korialstrasz konnte dem anderen Drachen die Flucht nicht gestatten. Der Wächter würde seinen Herrn alarmieren, der wohl kaum glauben würde, dass ein einzelner roter Drache in sein Territorium eingedrungen war.

Der Schwarze war klein und wendig, aber Korialstrasz war schlank und listig. Während sein Gegner ein schmales Tal umflog, entschied er sich für einen anderen Weg. Er hatte die Landschaft so lange angestarrt, dass er wusste, welche Täler sich mit anderen vereinten.

Er flog zwischen den Bergen hindurch. Auf der linken Seite lockte eine breit aussehende Schlucht, aber Korialstrasz wusste, dass das rechte Tal ihn seiner Beute näher bringen würde.

In einiger Entfernung hörte er den Flügelschlag seines Gegners. Der rote Drache begann sich Sorgen zu machen. Er hätte den anderen schon längst überholt haben sollen, statt dessen schien die Distanz größer zu werden.

Korialstrasz verstärkte seine Anstrengungen. Vor sich sah er den Punkt, den er gesucht hatte. Nur noch ein kurzes Stück … Er hörte den Schwingenschlag nicht mehr, war sich aber sicher, dass er endlich an seinem Gegner vorbei gezogen war.

Er wechselte hinüber in das andere Tal …

Ihre Flügel berührten einander. Beide Drachen brüllten, jedoch mehr überrascht als wütend. Korialstrasz fuhr herum und stieß den schwarzen Drachen auf einen kleinen Berg zu.

Doch der Kleinere hatte den größeren Schwung. Er zog an dem Roten vorbei.

Korialstrasz verfluchte sein Pech und folgte ihm. Er musste den anderen Drachen erwischen, egal, um welchen Preis. Zu viel war in diesem Kampf bereits schiefgegangen …

Korialstrasz brüllte entschlossen und setzte seine Verfolgungsjagd fort.

Doch dem roten Riesen war etwas entgangen, das sich unter ihm befand. Augen beobachteten ihn – zumindest jene Beobachter, die über Augen verfügten – und den anderen Drachen, als sie in der Ferne verschwanden.

»Ein bemerkenswerter Luftkampf, nicht wahr, Captain Varo’then?«

Der vernarbte Nachtelf schnaufte. »Ein guter Kampf, aber zu kurz.«

»Und zu wenig Blut für deinen Geschmack, nehme ich an?«

»Es gibt nie zu viel Blut«, entgegnete Azsharas Diener. »Aber genug der Worte, Meister Illidan. Ist das ein Hinweis darauf, dass wir endlich nah am Ziel sind?«

Illidan rückte den Schal sorgfältig vor seinen zerstörten Augen zurecht. Der Kampf hatte ihm einen sehr interessanten Anblick beschert, denn die Drachen waren magische Wesen, und so war der Himmel erfüllt gewesen von leuchtenden Energien und wilden Farben. Malfurions Bruder schätzte seine neuen Sinne. Sie zeigten ihm eine Welt, die er nie zuvor wahrgenommen hatte.

»Das ist ja wohl offensichtlich, Captain, aber ist es nicht interessant, dass wir sowohl einen schwarzen, wie auch einen roten Drachen entdeckt haben? Wieso war wohl der zweite in diesem Gebiet?«

»Das hast du selbst gesagt. Diese Bestien leben hier.«

Der Zauberer schüttelte den Kopf. »Ich sagte, hier würden wir das Nest des großen Schwarzen finden. Der Rote war aus einem ganz bestimmten Grund hier.«

Varo’thens Gesicht zeigte einen besonders hässlichen Zug, als er begriff, worauf sein Begleiter hinaus wollte. »Die anderen Drachen sind hinter der Scheibe her! Das ergibt Sinn.«

»Ja.« Illidan ließ seinen Nachtsäbler antraben, der Captain folgte ihm. Die Dämonenkrieger marschierten hinter ihnen her. »Aber man würde sie leicht entdecken. Du hast gesehen, wie sie geschlagen wurden.«

Er dachte eine Weile darüber nach. »Ich glaube, ich habe die Zeichnung des Roten erkannt.«

»Na und? Diese Bestien sind alle gleich.«

»Gesprochen wie ein Hochgeborener.« Illidan strich sich über das Kinn, während er nachdachte. »Nein, ich habe ihn schon einmal getroffen … und ich glaube, wir werden bald einige bekannte Gesichter wiedersehen.«

8

Malfurion folgte dem Goblin, der sich schwerfällig durch die schmalen Schluchten bewegte. Er wusste, weshalb Krasus den Leichnam wiederbelebt hatte, aber der Anblick verstörte ihn trotzdem. Der Magier hatte ihm zwar versichert, dass der Zauber bei seinem Volk nur selten und unter großen Vorbehalten eingesetzt wurde, doch auch das beruhigte den Nachtelfen nicht wirklich.

Diese Zweifel ließ er sich jedoch nicht anmerken. Er achtete nur darauf, der toten Kreatur nicht allzu nahe zu kommen. Die Bewegungen des Goblins wurden mit der Zeit sicherer und geschickter, sodass er nach einer Weile beinahe lebendig wirkte.

Es überraschte den Druiden, dass Krasus aussprach, was er und Brox dachten. »Wie lange brauchen wir denn noch?«, murmelte der blasse Magier. »Diese Parodie des Lebens widert mich mehr und mehr an.«

Der Goblin schien ihn gehört zu haben, denn er beugte sich plötzlich vor. Malfurion sah Krasus an, glaubte im ersten Moment, der Magier habe den Anblick nicht mehr ertragen und den Goblin dem Tod zurückgegeben. Doch der nachdenkliche Gesichtsausdruck seines Gegenübers wies auf etwas anderes hin.

»Sieh hin …«, murmelte Krasus.

Der tote Goblin berührte einen Stein, der am Fuß des Berges lag. Der Stein wies keine Besonderheiten auf, wirkte wie einer von vielen, die irgendwann einmal den Berg herabgerutscht waren.

Doch als die Kreatur ihn ein wenig nach rechts zog, wurde die gesamte Felswand durchsichtig, und mehr als die Hälfte verschwand.

Brox grunzte. Krasus nickte.

»Sehr listig«, sagte er. »Seht, wo einst Stein war, liegt jetzt ein schmaler Stollen, der in den Berg führt.«

Sie folgten ihrem makabren Weggefährten einige Minuten lang, dann ließ ihn Krasus anhalten.

»Hört ihr das?«

Weit entfernt hallten hohe Goblin-Stimmen und metallisches Hämmern durch die Gänge.

Der Druide versteifte sich. »Wir sind da.«

»Dann können wir diese Obszönität endlich beenden.« Krasus machte eine Handbewegung, und der Goblin drehte sich um. Die Kreatur kroch über einen Felsen hinweg und verschwand. Einen Moment später machte der Drachenmagier eine schneidende Geste. »Man wird ihn finden … aber erst, wenn wir weg sind.«

Krasus wollte losgehen, aber Malfurion ergriff seinen Arm. »Warte«, flüsterte der Druide. »Du kannst dort nicht hinein.«

Die Überraschung, die er auf dem Gesicht des Magiers sah, war ein seltener Anblick. Krasus schaute ihn forschend an. »Aus welchem Grund sagst du das so spät?«

»Weil es mir eben erst eingefallen ist. Krasus, dich wird er doch am einfachsten erkennen. Du gehörst zu seiner Art. Er wartet doch nur darauf, dass die Drachen versuchen, ihm die Dämonenseele zu stehlen.«

»Ja, aber meine Art lässt sich am meisten durch die Scheibe beeinflussen, also würden wir uns wahrscheinlich von ihr fernhalten. Außerdem habe ich mich gut abgeschirmt.«

Malfurion nickte und fuhr fort. »Und dein Volk hat am meisten zu verlieren, wenn die Scheibe in seinem Besitz verbleibt. Es würde zu den Drachen passen, wenn sie es wenigstens versuchen würden … und davon geht sicherlich auch der Erdwächter aus. Er wird sich auf Drachenmagie vorbereitet haben, vor allem auf solche Schilde.«

»Und er ist ein Aspekt …« Der hagere Magier presste die Lippen zusammen. Malfurion rechnete damit, dass Krasus ihm zweifelsfrei darlegen würde, wo die Fehler in dieser Argumentation lagen, aber nach langem Schweigen antwortete er: »Du hast Recht. Wir würden es versuchen, und damit rechnet er auch. Ich kenne ihn gut. Darüber hätte ich schon früher nachdenken sollen, aber ich habe diesen Gedanken wohl verdrängt. Ich habe das Glück gehabt, mich ihm bis hierher nähern zu können, doch sein Nest wird sicherlich gegen Drachen gesichert sein.«

»Das denke ich auch.«

»Was aber nicht bedeutet, dass es für dich und Brox einfach werden wird«, mahnte Krasus. »Euer Vorteil ist, dass er nicht glaubt, dass zwei Angehörige der niederen Völker es wagen würden, in sein Reich einzudringen. Vielleicht könnt ihr euch deshalb an ihm vorbei schleichen. Vielleicht.«