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Doch entgegen aller Logik leuchtete die Scheibe auf. Eine zweite Stimme meldete sich über dem Drachen. »Weg! Schnell, oder wir werden alle …«

Der Rote wurde nur von einem Ausläufer der Kräfte aus der Dämonenseele getroffen, aber das reichte bereits. Brox spürte die Schockwelle, in die Korialstrasz hinein flog. Der Drache zitterte, stöhnte … und hörte auf, mit den Flügeln zu schlagen.

Der Leviathan stürzte den Berggipfeln entgegen. Der Boden kam auf ihn zu. Brox begann die Namen seiner Ahnen aufzuzählen und bereitete sich auf seinen Aufprall vor.

Die graue Granitwand eines Berges füllte sein Blickfeld völlig aus.

»Was hast du getan?«, zischte Illidan.

»Ich habe die Scheibe benutzt«, antwortete Captain Varo’then staunend und beeindruckt. Dann riss er sich zusammen und betrachtete zuerst die Scheibe, dann seinen Begleiter. »Du hattest Recht. Sie erfüllt alle Versprechen, die du gemacht hast und bietet noch weit mehr. Mit ihr könnte man herrschen wie ein König …«

»Oder von Sargeras bei lebendigem Leibe gehäutet werden, nur weil man diesen Gedanken hatte.«

Die Versuchung verschwand von Varo’thens Gesicht. »Und das wäre auch richtig so, Zauberer. Ich hoffe, dir ist kein so dummer Gedanke gekommen.«

Malfurions Zwilling lächelte knapp. »Genauso wenig wie dir, Captain.«

»Die Königin wird über den Erfolg unserer Mission erfreut sein. Wir haben die Scheibe und konnten ihre Macht an einem ausgewachsenen roten Drachen testen. Und wir haben die zur Strecke gebracht, die uns bisher behindert haben.«

»Wenn du die Scheibe anders eingesetzt hättest«, sagte der Magier, »könnten wir die beiden jetzt noch befragen.«

Varo’then schnaubte. »Was sollten sie uns noch verraten? Das hier …« Er hielt Illidan die Scheibe entgegen. »… ist alles, was wir für den Sieg brauchen.« Sein Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln. »Oder bedauerst du vielleicht das Schicksal deines Bruders? Hast du etwa ein schlechtes Gewissen?«

Illidan rückte seinen Schal zurecht und stieß die Luft aus. »Du hast gesehen, wie ich mit ihm umgegangen bin. Sah das für dich nach Bruderliebe aus?«

»Da hast du Recht«, stimmte der Captain nach einem Moment zu. Dann steckte er die Scheibe wieder in seine Tasche. Irritiert hob er die Augenbrauen.

»Stimmt etwas nicht, Captain?«

»Nein … da waren nur … es klang wie Stimmen … nein … es war nichts.« Er bemerkte nicht den interessierten Ausdruck auf dem Gesicht des Nachtelfs, der in dem Moment verschwand, als er ihn ansah. »Vergiss es. Komm jetzt. Die Katzen stehen wieder unter unserer Kontrolle. Die Scheibe muss so schnell wie möglich nach Zin-Azshari zurückgebracht werden.«

»Natürlich.«

Varo’then stieg auf sein Reittier. Illidan tat das Gleiche, schaute jedoch noch einmal zurück zu den Bergen.

Sein Blick war verbittert.

Sie hätten längst zurück sein müssen. Daran dachte Rhonin, wenn er in die Richtung blickte, in die Krasus und die anderen geritten waren. Sie hätten zurück sein müssen. Er spürte, dass etwas schief gelaufen war. Als die Nachtsäbler mit Krasus’ Notiz ins Lager getrabt waren, hatte Rhonin neue Hoffnung geschöpft. Mit Korialstrasz’ Hilfe hätte die Gruppe weitaus schneller vorankommen müssen. Sie hätten ihr Ziel schon vor langer Zeit erreicht gehabt, und Krasus hätte sicherlich keine Zeit verschwendet, sondern sich sofort auf die Suche nach der Scheibe gemacht.

Aber etwas war furchtbar schiefgegangen.

Gegenüber Jarod erwähnte er seine Sorge nicht, denn der Nachtelf hatte andere Probleme. Das Treffen in Blackforests Zelt war ein Erfolg gewesen. Jarod hatte seine Position gefestigt, indem er einfach nur er selbst gewesen war. Der ehemalige Wachsoldat hatte während der letzten Schlacht einen Punkt erreicht, an dem er törichte Befehle, egal, von welcher Kaste sie stammten, nicht mehr hinnehmen konnte.

Als ein anderer Adliger ein Flankenmanöver vorschlug, das die Streitmacht zerrissen hätte, war Jarod aufgestanden und hatte erklärt, dass dies in einem Debakel und der Vernichtung der Nachtelfen enden würde. Dass er dies überhaupt Personen erklären musste, die als gebildet und weise galten, überraschte den Menschen. Schließlich war es Jarod gelungen, jeden einzelnen Adligen auf seine Seite zu ziehen. Es erleichterte sie, dass sie jemanden gefunden hatten, der Militärtaktiken instinktiv verstand.

Rhonin hatte anfangs geglaubt, er müsse Jarod unterstützen, doch dann bemerkte er, dass der junge Nachtelf tatsächlich wusste, was er tat. Der Zauberer kannte Leute wie Jarod. Sie verfügten über ein natürliches Talent, das kein Studium verleihen konnte. Er dankte Elune oder welche Gottheit auch immer dafür gesorgt hatte, dass jemand wie Jarod Ravencrests Platz eingenommen hatte.

Doch würde das Talent des Captains ohne die Scheibe ausreichen?

Jarod trat neben den Magier. Der Anführer der Streitmacht wider Willen trug eine neue polierte Rüstung, die ihm Blackforest geschenkt hatte. Es befand sich kein Wappen auf der Brust, nur rote und orangefarbene Streifen, die an den Hüften endeten. Der Umhang zeigte die gleichen Farben und umschmiegte seinen Körper wie eine Geliebte. Er trug einen Helm, dessen feuerroter Fellschwanz aus gefärbtem Nachtsäblerfell bestand und fast bis auf die Schultern reichte.

Ihm folgte ein Tross aus Unter- und Verbindungsoffizieren. Jarod schickte sie weg, bevor er sich an Rhonin wandte.

»Früher einmal habe ich von einem hohen Rang und feiner Kleidung geträumt«, sagte er säuerlich, »aber jetzt sehe ich aus wie ein aufgeblasener Narr.«

»Da widerspreche ich dir nicht«, gab Rhonin zu. »Aber es beeindruckt deine Offiziere, also musst du mitspielen, zumindest fürs erste. Wenn du größere Autorität erlangt hast, kannst du die Sachen immer noch ablegen.«

»Ich kann es kaum erwarten.«

Der Zauberer führte ihn weiter von den anderen weg. »Du solltest bessere Laune ausstrahlen, Jarod. Du bist die große Hoffnung deiner Leute, aber du wirkst niedergeschlagen. Das könnte sie auf die Idee bringen, dass die Chancen schlecht stehen.«

»Ich fürchte, dass unsere Chancen schlecht stehen, vor allem, wenn ich die Armee anführen soll.«

Der Mensch ließ diesen Satz nicht auf sich beruhen. Er beugte sich vor und knurrte: »Nur wegen dir haben wir überlebt! Ohne dich wäre auch ich tot. Das musst du endlich akzeptieren! Wir haben noch nichts von den anderen gehört. Das könnte bedeuten, dass du, ich und die Soldaten, die in der Schlacht sterben werden, vielleicht die einzige Hoffnung sind, die Kalimdor noch bleibt … und der Zukunft!«

Er ging nicht weiter darauf ein, denn der Offizier hätte die Wahrheit nicht verstanden. Jarod wusste nicht, dass Rhonin aus einer zehntausend Jahre entfernten Zukunft stammte. Wie sollte ihm der Zauberer erklären, dass er nicht nur für die Lebenden kämpfte, sondern auch für die, die erst noch geboren werden sollten und die er mehr als alle anderen liebte.

»Ich wollte das nie …«, protestierte Jarod.

»Keiner von uns wollte es.«

Der Nachtelf seufzte. Er zog den hässlichen Helm ab und wischte sich über die Stirn. »Du hast Recht, Rhonin. Vergib mir. Ich werde tun, was ich kann, auch wenn ich nicht versprechen kann, dass es etwas nützen wird.«

»Mach einfach so weiter wie bisher … du machst alles richtig. Wenn du dich in Lord Desdel Stareye verwandeln würdest, wären wir alle verloren.«

Der frisch gebackene Kommandant blickte auf seine makellose Rüstung und schnaubte abwertend. »Dass das nicht passieren wird, kann ich versprechen.«

Der Zauberer lächelte über diese Antwort. »Das freut …«

Ein Horn wurde geblasen. Ein Schlachthorn.

Rhonin sah über seine Schulter. »Das kommt vom Rand der rechten Flanke. Da können sich keine Legionskrieger aufhalten. Wir hätten einen solchen Vorstoß doch bemerkt.«

Jarod setzte seinen Helm auf. »Und doch ist es geschehen.« Er winkte die Soldaten zu sich. »Steigt auf und bringt mir meine Katze. Auch die des Magiers. Wir müssen herausfinden, was da hinten passiert.«