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Die Tiere wurden augenblicklich gebracht. Eine solche Effizienz hatte Rhonin unter Stareyes Kommando nicht festgestellt. Diese Soldaten respektierten Jarod, und das lag nicht daran, dass die Adligen ihn unterstützten. Seine Taten hatten sich herumgesprochen. Die Kämpfer wussten, dass er die Zügel in die Hand genommen hatte, als bereits alles verloren schien.

Während der Captain – nein, der ehemalige Captain, korrigierte sich Rhonin – aufsaß, schien eine Veränderung in ihm vorzugehen. Sein ehemals unschuldiges Gesicht zeigte mit einem Mal grimmige Entschlossenheit. Er trieb seinen Nachtsäbler zur Eile an und übernahm die Führung.

Erneut erklang das Horn. Der Zauberer bemerkte, dass es sich um ein Nachtelfenhorn handelte. Jarod hatte unmittelbar nach Übernahme seines Kommandos angeordnet, die Reihen der Nachtelfen und ihrer Verbündeten stärker zu mischen. Huln und Dungards Krieger standen nicht mehr an einer Seite, sondern waren den Nachtelfen-Einheiten zugeteilt worden. Sogar die Furbolgs hatten eine Aufgabe erhalten. Sie verstärkten die Keilformationen und sorgten mit ihren Keulen dafür, dass keine Teufelswache bis zu den wertvollen Zauberern und Bogenschützen vorzudringen vermochte.

Viele Kleinigkeiten waren verändert worden, Dinge, die Rhonin vorher kaum bemerkt hatte. Doch jetzt musste sich zeigen, ob die neu gestaltete Streitmacht dem Druck eines unerwarteten Angriffs gewachsen war. Niemand hatte geglaubt, dass Archimonde so schnell reagieren würde.

Aber als sie sich dem Schlachtfeld näherten, stießen sie nicht etwa auf das Erwartete, sondern fanden hauptsächlich Verwirrung. Nachtelfen versuchten nach vorne zu stürmen, doch die Tauren und Irdenen, die Rhonin sah, nahmen am Kampf nicht teil. Sie standen reglos zwischen Kämpfern, die verzweifelt versuchten, die Lücken in den Reihen zu füllen, die durch ihre Teilnahmslosigkeit entstanden.

»Bei Mutter Mond, was tun sie da?«, stieß Jarod hervor. »Sie ruinieren alles. Ausgerechnet jetzt, wo ich die Adligen von ihrem Nutzen überzeugt habe!«

Rhonin wollte antworten, bemerkte jedoch im gleichen Moment eine Bewegung hinter der Linie. Der Feind war näher als erwartet. Der Zauberer sah gewaltige Gestalten, geflügelte Kreaturen und einige seltsame Wesen, denen er trotz zahlreicher Kämpfe gegen die Legion noch nie begegnet war.

Sie bewegten sich beinahe gemütlich und stießen kein Kriegsgeschrei aus. Riesen, gegen die jeder Dämon, den Rhonin je gesehen hatte, wie ein Zwerg wirkte, marschierten zwischen ihnen. Die geflügelten Wesen, die über ihnen schwebten, gehörten nicht zur Verdammniswache. Solche Kreaturen waren ihm unbekannt.

Jarod hielt seinen Nachtsäbler neben einem Tauren an, der sich als Huln herausstellte. »Was soll das? Wieso kämpft ihr nicht?«

Der Taure blinzelte und sah Jarod an, als habe dieser den Verstand verloren. »Wir werden nicht gegen sie kämpfen! Das geht nicht.«

Zwei Irdene, die neben ihm standen, stimmten seinen Worten nickend zu. Jarod wirkte einen Moment lang verzweifelt, doch schließlich kehrte seine Entschlossenheit zurück.

»Dann werden wir allein gegen sie kämpfen«, knurrte er und lenkte sein Reittier an dem Tauren vorbei.

Aber Rhonin hatte einen Verdacht, weshalb die Verbündeten zögerten. »Warte, Jarod!«

»Bist du jetzt auch gegen uns?«

Die Gestalten waren in der Zwischenzeit so nahe herangekommen, dass Rhonin ihre Gesichter erkennen konnte. Erleichtert bemerkte er, dass es richtig gewesen war, Jarod aufzuhalten.

»Sie gehören nicht zur Legion. Sie wollen sich uns anschließen. Dessen bin ich mir sicher.«

Erst jetzt sah er das gewaltige Wesen, das die anderen anführte. Es bewegte sich auf vier Beinen und trug ein mächtiges Geweih auf dem Kopf. Ihm folgten Gestalten, die an Satyrn erinnerten. Sie hatten den Oberkörper einer Nachtelfe, aber die Beine eines Rehs. Alle waren weiblich, jung und schön. Sie schienen Mischwesen aus Tieren und Pflanzen zu sein, denn ihre Haut bestand aus grünen Blättern. Sie wirkten zwar zerbrechlich, aber in ihrem Blick lag eine Härte, die jeden Feind davor warnte, sie zu unterschätzen.

Die Soldaten waren mit ihren Kampfvorbereitungen beschäftigt und achteten nicht auf die einzelnen Wesen. Rhonin erkannte, dass eine Katastrophe drohte.

»Jarod, komm mit. Schnell!«

Der Zauberer lenkte seinen Nachtsäbler an den verwirrten Soldaten vorbei, den Wesen entgegen. Jarod folgte ihm, rief jedoch: »Bist du wahnsinnig? Was soll das?«

»Vertrau mir, das sind Verbündete!«

Der Anführer der Wesen stand so plötzlich vor Rhonin, dass der Magier beinahe mit ihm zusammengeprallt wäre.

»Ich grüße dich, Rhonin Redhair«, donnerte die Stimme des gehörnten Wesens. Die weiblichen Gestalten sahen den Zauberer neugierig an. »Wir wollen gemeinsam mit euch um unsere Welt kämpfen.« Er blickte zu Jarod Shadowsong. »Sollen wir unsere Handlungen mit ihm absprechen?«

Der Mensch sah seinen Begleiter an, der mit offenem Mund auf seinem Reittier saß. »Ja. Vergebt ihm. Ich bin selbst überrascht, dass Ihr gekommen seid, Cenarius.«

»Cenarius …«, murmelte Jarod. »Der Herr des Waldes?«

»Ja, und ich glaube, er hat ein wenig Unterstützung mitgebracht«, fügte Rhonin hinzu und sah an dem mystischen Wächter vorbei.

Es kam ihm vor, als seien die Legenden aus seiner Kindheit zum Leben erwacht … und vielleicht stimmte das auch. Rhonin und der Nachtelf blickten empor zu Giganten, die es nur in den Träumen der Sterblichen gab. Der Herr des Waldes war zwar groß, aber gegen einige seiner Begleiter erschien er geradezu zwergenhaft. Zwei Bärenwesen, so groß wie Berge, rahmten ihn ein. Eines der beiden Geschöpfe betrachtete Rhenin interessiert. Hinter ihnen ragte eine Gestalt auf, die nur wenig kleiner war und an einen Vielfraß erinnerte. Sie hatte sechs Beine, und ihr Schlangenschwanz peitschte aufgeregt in Erwartung des bevorstehenden Kampfes. Ihre Klauen rissen den Boden auf und hinterließen tiefe Furchen.

Über allen erhob sich ein gewaltiger Eber, dessen Mähne aus scharfen, vielleicht sogar tödlichen Dornen bestand. Rhonin war über den Namen einst bei seinen Studien gestolpert. Agamaggan … ein Halbgott voller Urwut.

Andere Wesen waren kleiner, aber ebenso beeindruckend. Rhonin sah eine gefährlich wirkende Vogelfrau, die von Vogelschwärmen umkreist wurde. Ein kleiner roter Fuchs mit gnomenhaften Gesichtszügen lief zwischen den Beinen der Riesen umher. Männer mit Schmetterlingsflügeln, die Schwerter trugen, schwebten neben ihnen.

Ein strahlend weißer Schemen blitzte am Rand von Rhonins Gesichtsfeld auf. Er drehte sich danach um, sah jedoch nichts. Doch in seinen Gedanken tauchte das Bild eines gewaltigen Hirschs auf, dessen Geweih bis in den Himmel reichte.

Die Prozession der Gestalten riss nicht ab. Rhonin sah Männer, die ihre Gesichter unter Kapuzen verbargen und deren Haut aus der Rinde einer Eiche zu bestehen schien. Hippogriffs und Greife flatterten über ihnen, während große Käfer mit menschlichen Gesichtern geduldig in der leichten Brise flogen. Weiter hinten standen Wesen, so fremdartig, dass der Zauberer sie kaum beschreiben konnte, aber jedes einzelne erinnerte ihn an einen bestimmten Aspekt der Natur.

Rhonin spürte die gewaltigen Energien, die ein jedes dieser Beschützer-Wesen umgab. In ihnen vereinten sich die natürlichen Kräfte der Welt.

»Jarod Shadowsong«, brachte der Zauberer schließlich hervor, »darf ich dir die Halbgötter Kalimdors vorstellen? Alle Halbgötter Kalimdors?«

»Wir stehen dir zur Verfügung«, fügte Cenarius hinzu und kniete mit seinen Vorderläufen nieder. Die anderen Halbgötter folgten seinem Beispiel.

Der neue Kommandant der Armee schluckte und rang um Worte.

Rhonin sah sich um. Hinter ihm zeigten die Soldaten, die Tauren, Irdenen und Furbolgs den gleichen staunenden Gesichtsausdruck. Die meisten wussten, dass die Wesen, die vor ihnen standen, uralt und mächtig waren … und nun wussten sie außerdem, dass sie Jarod als ihren Kommandanten anerkannten.

Cenarius erhob sich. Er sah den Nachtelf wie ein gleichberechtigtes Wesen an. »Wir erwarten deine Befehle.«