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Trotz seiner Erschöpfung fiel es dem Nachtelf so leicht wie nie zuvor, den Smaragdgrünen Traum zu betreten. Ein wenig verstörend war nur die Wärme, die er in den beiden kleinen Beulen auf seiner Stirn spürte. Malfurion hätte sie am liebsten berührt, weil er wissen wollte, ob sie größer geworden waren, aber er hielt sich zurück. Die Suche nach Ysera war wichtiger.

Im ersten Moment wollte er die Landschaft nach ihr durchsuchen, doch dann dachte er daran, wer sie war. Theoretisch musste er sie einfach nur rufen. Ob sie darauf reagierte, war eine ganz andere Frage.

Herrscherin des Smaragdtraums, rief Malfurion in seinem Geist. Herrin der Träume … Ysera …

Der Druide spürte keine andere Präsenz, wusste jedoch, dass er es weiter versuchen musste. Sie war irgendwo in diesem Traum … oder überall. Ysera würde ihn hören.

Ysera, ich habe schlimme Neuigkeiten für die Herrin des Lebens … ihr Gefährte Korialstrasz liegt im Sterben … Malfurion stellte sich die Szene in seinem Geist vor, wollte vermitteln, wo genau sich der Drache befand. Korialstrasz wird sterben …

Er wartete. Die Herrin der Träume musste einfach darauf reagieren. Sie würde eine solche Tragödie doch wohl nicht ignorieren.

Die Zeit verging auf seltsame Weise im Smaragdgrünen Traum, doch auch hier verging sie. Malfurion wartete lange, aber er spürte die grüne Drachenherrscherin nicht.

Schließlich begann er zu ahnen, dass es hoffnungslos war. Frustriert über diesen Fehlschlag kehrte er in seinen Körper zurück.

Krasus sah ihn nervös an. »Hat sie reagiert?«

»Nein … nichts.«

Der Magier blickte mit gerunzelter Stirn zur Seite. »Aber sie hätte reagieren müssen«, murmelte er. »Sie weiß, was das für Alexstrasza bedeuten würde.«

»Ich habe getan, was du verlangtest«, erklärte der Druide. Er wollte nicht, dass Krasus glaubte, es sei sein Fehler. »Ich habe alles so gesagt, wie du es vorgeschlagen hast.«

Der Magier legte ihm die Hand auf die Schulter. »Das weiß ich, Malfurion. Ich habe vollstes Vertrauen in dich. Es ist …«

»Drache!«

Brox’ Warnschrei kam nur Sekundenbruchteile, bevor der riesige Körper durch die Wolkendecke brach. Malfurion konzentrierte sich auf diese Wolken, hoffte, dass er auf ihre Hilfe im Kampf gegen den Angreifer bauen konnte.

Aber es war nicht der schwarze Drache, der sich ihnen näherte, sondern ein Drache, der Krasus in herzhaftes Lachen ausbrechen ließ. Der Nachtelf und der Orc sahen ihren älteren Begleiter besorgt an.

»Sie ist es! Ich hätte wissen müssen, dass sie solch schrecklichen Gerüchten selbst nachgehen würde.«

Ein roter Drache, so groß wie Deathwing, schwebte über der Landschaft. Malfurion betrachtete ihn und bemerkte einige Besonderheiten, die ihm bekannt vorkamen. Er hatte diesen Drachen schon einmal gesehen.

Alexstrasza, der Aspekt des Lebens, landete elegant neben Korialstrasz’ Körper. Trotz ihrer reptilienhaften Mimik erkannte Malfurion, wie besorgt und ängstlich sie war.

»Er darf nicht tot sein«, stieß sie hervor. »Das lasse ich nicht zu!«

Krasus ging auf den reglosen Drachen zu und zeigte sich seiner Herrin. »Das braucht Ihr auch nicht, meine Königin, denn wie Ihr seht, lebt er.«

Ihre Trauer verwandelte sich in Verwirrung, dann in Wut. Alexstrasza neigte ihren Kopf dem winzigen Magier entgegen, bis ihre Schnauze keine Armlänge von ihm entfernt war.

»Gerade du solltest wissen, wie furchtbar diese List war. Ich dachte, du … er …«

»Die Dämonenseele hat sich große Mühe gegeben, das zu erreichen«, antwortete der Magier. »Wäre ihr augenblicklicher Besitzer in ihrer Handhabung geübt, lägen jetzt vier Tote vor Euch.«

»Du kannst das später erklären«, zischte die Drachenkönigin. »Zuerst muss ich mich um ihn kümmern.«

Sie beugte sich über Korialstrasz und breitete ihre Flügel aus, als wolle sie ihn umarmen. Ein goldenes Leuchten umgab sie und dehnte sich wenig später auf Korialstrasz aus. Malfurion spürte eine angenehme Wärme, die seine Gedanken beruhigte. Ihm fiel auf, dass Alexstrasza ein wichtigerer Teil des Ganzen war als Ysera. Druiden arbeiteten mit den Kräften der Natur, und niemand repräsentierte diese besser als die Herrin des Lebens.

»Er hat so sehr gelitten«, sagte sie sanft. »Die Dämonenseele hat ihm großes Leid zugefügt, aber er wird sich vollständig davon erholen … wenn er dazu die Gelegenheit bekommt.«

Die goldene Aura wurde schwächer. Alexstrasza hob ihren riesigen Kopf dem Himmel entgegen und stieß einen lauten Schrei aus.

Wie aus dem Nichts brachen zwei weitere rote Drachen durch die Wolken. Sie kreisten einmal um Korialstrasz, dann landeten sie neben ihm. Sie waren so groß wie er, aber deutlich kleiner als ihre Königin.

»Was befehlt Ihr, meine Königin?«

»Bringt ihn zurück ins Nest und legt ihn in die Grotte der Schattenrose. Dort werden sein Geist und sein Körper schneller genesen. Seid sanft zu ihm, Tyran.«

Der Größere der beiden Drachen neigte respektvoll den Kopf. »Natürlich, meine Königin.«

»Er wird unter einigen Erinnerungslücken leiden«, unterbrach Krasus das Gespräch. Er schien sich in der Gesellschaft der Drachen wohlzufühlen. Malfurion musste sich ins Gedächtnis rufen, dass das nicht verwunderlich war, da er ja selbst zu den Drachen gehörte. »Diese Erinnerungen wird er nie zurück bekommen«, fügte der Magier hinzu.

»Das ist vielleicht gut so«, antwortete Alexstrasza und sah die winzige Gestalt voller Zuneigung an.

»Das denke ich auch.«

Krasus trat zurück, als die beiden Drachen – wahrscheinlich Alexstraszas andere Gefährten – Korialstrasz vorsichtig hochhoben. Der Aspekt wandte sich währenddessen dem Magier zu. Außer Zuneigung las Malfurion jetzt auch Ärger im Gesicht der Königin.

»Das war keine sonderlich nette Lüge, die du mir aufgetischt hast! Ysera hat mir sofort Bescheid gesagt, und obwohl ich es eigentlich nicht wollte, musste ich der Sache natürlich nachgehen … genau wie du es vorausgesehen hast.«

»Wenn ich Euch verärgert haben sollte«, antwortete Krasus mit einer tiefen Verbeugung, »akzeptiere ich Eure Verärgerung und Eure Strafe.«

Der große Drache zischte. »Du hast mich hierher gebracht, um mir davon zu berichten, in welche Hände die Dämonenseele gefallen ist. Also sag mir, was sich hier abgespielt hat.«

Der Magier erzählte seine Geschichte. Alexstraszas Gesichtsausdruck wechselte mehrmals, und ein Teil ihres Ärgers schwand. Als Krasus seinen Bericht beendete, wirkte sie vor allem ungläubig.

»Ihr wart in Neltharions innerster Kammer? Es ist ein Wunder, dass ihr noch lebt.« Sie legte den Kopf schräg und betrachtete Krasus. »Doch langsam gewöhne ich mich an deine Überraschungen. Schade nur, dass nach all diesen Anstrengungen die Scheibe in den Fängen von Kreaturen gelandet ist, die auf ihre Weise ebenso monströs sind wie der Erdwächter.«

»Ja, aber diese scheinbare Katastrophe verschafft uns die Möglichkeit, zumindest einen Teil Kalimdors zu retten, meine Königin. Ihr Ziel ist es, ihren Herrscher Sargeras in unsere Welt zu holen.«

»Und damit das gelingt, benötigen sie die Dämonenseele.«

»Genau … das bedeutet, dass sie die Scheibe für nichts anderes verwenden können, nur für diesen Versuch.« Krasus hielt ihren Blick fest. »Die Drachen müssen sie nicht mehr fürchten. Dies ist die Stunde, in der die Legion am schwächsten ist.«

»Aber die Scheibe …«

»Dies ist auch unsere einzige Chance, die Dämonenseele zurückzuholen«, erklärte er. »Selbst wenn du sie nicht zerstören kannst, lassen sich ihre Kräfte in einer Weise binden, die es Deathwing unmöglich machen wird, sie je wieder einzusetzen.«

»Deathwing«, knurrte sie. »Wie passend ist dieser Name. Es gibt Neltharion nicht mehr, der Erdwächter ist von uns gegangen. Nun ist er wahrlich Deathwing … und du hast Recht. Wir müssen die Gelegenheit nutzen, uns für immer von seiner schrecklichen Schöpfung zu befreien.«