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Doch als sich die geflügelte Bestie umdrehte, stutzte der Zauberer. Der Drache war nicht schwarz, sondern grau wie Stein. Sein Gesicht sah anders aus als das des Schwarzen, erschien Rhonin aber trotzdem vertraut. Es erinnerte ihn an einen anderen Drachen, den er im Kampf gegen die Orcs gesehen hatte …

Alexstrasza?

Der große graue Drache landete zwischen den Dämonen und zerquetschte mehrere unter sich. Mit einem Flügelschlag schmetterte er ein Dutzend mehr zur Seite. Der Riese brüllte, nahm ein paar Dämonen ins Maul, zerbiss sie und spuckte sie wieder aus.

Erst dann bemerkte Rhonin, dass der Drache keine Kehle hatte, um sie zu verschlingen. Er bestand tatsächlich aus Stein.

Gnadenlos wühlte sich der Steinriese durch die Legion. Der Zauberer sah, wie viel schon dieser eine Drache auszurichten vermochte und wünschte sich erneut, alle Leviathane wären Teil der Streitmacht.

Dann erst fragte er sich, aus welchem Grund das Abbild Alexstraszas der Armee zu Hilfe gekommen war.

»Krasus?«, stieß er hervor und sah sich um. »Krasus?«

Im gleichen Moment löste sich der große, hagere Magier aus dem Schatten des Drachen. Ihm folgten Malfurion und Brox. Alle drei wirkten erschöpft, aber unverletzt.

Rhonin zog sich vorsichtig aus der Schlacht zurück und lief ihnen entgegen. Beinahe hätte er sie umarmt, so glücklich war er, sie wiederzusehen.

»Den Göttern sei Dank, ihr lebt.« Er grinste. »Dann habt ihr wohl die Dämonenseele.«

Er hatte den Satz noch nicht ausgesprochen, da wusste er bereits, dass seine Annahme falsch war. Er sah die Freunde an und versuchte die Ereignisse aus ihren Blicken abzulesen.

»Wir hatten sie«, antwortete Krasus, »aber sie wurde uns von Helfern der Legion wieder genommen …«

»Dazu gehörte auch mein Bruder«, fügte Malfurion hinzu. Krasus hatte diesen Punkt nicht erwähnen wollen, aber der Druide widersprach ihm. »Es bringt nichts, das zu verschweigen. Illidan hat sich auf die Seite des Palasts geschlagen.« Der Druide zitterte vor Wut. »Des Palasts!«

»Aber der Drache? Was hat das zu bedeuten? Wo ist Korialstrasz? Du schriebst in deiner Nachricht, ihr hättet euch getroffen?«

»Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen uns vorbereiten.«

»Worauf vorbereiten?«

Brox zeigte mit seiner Axt an den anderen vorbei. »Seht doch, der Steinerne.«

Sie folgten seinem Blick und sahen, dass Alexstraszas Abbild von Dämonen bedeckt war. Sie schlugen auf es ein, so wie die Irdenen eben noch auf die Höllenkreaturen eingeprügelt hatten. Einige attackierten die Beine, um den steinernen Drachen zu Fall zu bringen.

Der Zauberer begriff nicht, was geschah. »Warum fliegt sie nicht davon?«

»Weil die Zeit ihres Zaubers fast vorbei ist«, erklärte Krasus traurig.

»Ich verstehe nicht …«

»Sieh hin. Es geschieht bereits.«

Die Bewegungen des Steindrachen wurden fahrig, obwohl man seinem Körper kaum Schaden zugefügt hatte. Er schüttelte einige Dämonen von seinen Flügeln ab und schleuderte sie hoch in die Luft. Doch dies war das Letzte, was sie tat.

»Was passiert hier, Krasus?«

»Es war der Wunsch ihrer Schöpferin, dass sie uns hierher bringen sollte. Doch sie ist nur ein Schatten, und Schatten vergehen. Ihre Aufgabe ist erfüllt, Rhonin. Wir sollten dankbar dafür sein, dass sie überhaupt noch Schaden unter der Legion anrichten konnte.«

Seine Worte waren ruhig, aber die Blicke des Magiers verrieten sein Bedauern. Es fiel Krasus schwer, selbst ein Abbild seiner geliebten Königin leiden zu sehen.

»Es ist vorbei«, sagte Krasus.

Ohne Vorwarnung neigte sich die falsche Alexstrasza zur Seite. Sie faltete den Flügel auf dieser Seite und hob den anderen hoch in die Luft.

Mitten in dieser Bewegung erstarrte sie. Die Augen des Steindrachen wurden leblos.

Der untere Flügel brach unter dem Gewicht des Körpers ab. Die Dämonen, die auf der Statue gesessen hatten, versuchten sich festzuhalten und wurden von ihr zerquetscht.

Krasus lächelte voller Stolz. »Sie ist meiner Königin würdig, auch wenn sie nur ihr Schatten ist.«

Staub wallte rund um die riesige Statue auf. Die Beine und der noch erhobene Flügel brachen ab. Dämonenkrieger wichen zurück und versuchten den herab fallenden Felsbrocken zu entrinnen.

»Und was jetzt?«, fragte der Mensch. Seine Hoffnungen waren gestiegen, als er Krasus und die anderen gesehen hatte. Doch ohne die Scheibe und den Steindrachen hatte sich die Reise als sinnlos herausgestellt.

Krasus’ nächste Worte ermunterten ihn nicht gerade. »Was jetzt, junger Rhonin? Wir kämpfen weiter wie bisher und warten. Wir warten auf meine Königin und die anderen meiner Art. Die Dämonenseele ist an einem anderen Ort und wird sie für eine Weile nicht bedrohen. Jetzt müssen sie handeln.«

»Und wenn sie das nicht tun? Wenn sie wieder so lange zögern wie beim letzten Mal?«

Sein ehemaliger Mentor beugte sich vor, sodass nur Rhonin seine Antwort hören konnte. »Dann wird es Sargeras gelingen, Kalimdor zu betreten. Und wenn ihm das gelingt, wird er eine zehntausendjährige Zeitlinie ungeschehen machen.«

14

Der Sturm tobte über dem Brunnen der Ewigkeit und die aufgewühlten schwarzen Wasser. Wellen, höher als der Palast, krachten gegen den Strand. Trümmerstücke wirbelten wie Geschosse durch die Luft.

Blitze erhellten den Weg der Gruppe, die dem Brunnen aus dem Palast entgegen schritt. Sogar die Königin, die natürlich von ihren Zofen begleitet wurde, war dabei. Teufelswachen trugen sie auf einer Sänfte.

Mannoroth führte die Gruppe an. Ihm folgten Illidan und Captain Varo’then. Einige Hochgeborene und Satyrn – die beiden Gruppen hielten Abstand zueinander – gingen unmittelbar hinter ihnen, gefolgt von einer Abordnung der Palastwache. Am Ende der großen Prozession befanden sich zwei Reihen von jeweils hundert Dämonenkriegern.

Mannoroth blieb am Rand des Brunnens stehen, streckte seine gewaltigen Arme aus und nahm das Chaos in sich auf. Illidan benutzte das »Geschenk«, das er von Sargeras erhalten hatte, um die wirbelnden Energien in und über dem Wasser zu bestaunen. Alles, was er bisher gesehen hatte, sogar die Macht des Dämonenlords, verblasste im Vergleich zu dem, was den heiligen Brunnen füllte.

»Wir haben bisher nur an der Oberfläche seiner wahren Macht gekratzt«, sagte er leise zu Varo’then.

Der Captain, der solche Dinge nicht wahrnehmen konnte, hob die Schultern. »Es reicht mir, wenn er uns unseren Herrn Sargeras bringt.«

»Aber nicht sofort«, erklärte der Zauberer. »Nicht sofort.«

»Macht das einen Unterschied?«

Sie brachen ihre Unterhaltung ab, als sich der geflügelte Dämon umdrehte. Er streckte dem Offizier seine Hand entgegen und zischte: »Die Scheibe! Sofort!«

Varo’thens Gesicht war maskenhaft starr, als er die Seele aus seiner Gürteltasche zog und dem Dämon reichte. Mannoroth betrachtete die Schöpfung des Drachens einen Moment lang mit deutlich erkennbarer Gier, dann siegte offenbar die Angst über seinen Wunsch, die Scheibe für sich zu behalten, denn er wandte sich an die Hochgeborenen und Satyrn. »Nehmt eure Plätze ein.«

Die Zauberer stiegen über die Trümmer zerstörter Häuser und einige Knochen hinweg. Das Massaker, dem große Bereiche von Zin-Azshari zum Opfer gefallen waren, hatte sich sogar bis hierher ausgedehnt. Illidan hatte erfahren, dass einige Nachtelfen sich hier zu einem letzten Gefecht gegen die Dämonen gesammelt hatten. Sie hatten wohl gehofft, dass der Brunnen ihre magischen Kräfte stärken würde. Diese Hoffnung hatte sich jedoch nicht erfüllt. Die Dämonen hatten sie am Strand angegriffen und getötet.

Die Ironie, so sah es zumindest Illidan, lag darin, dass sie mit ihrer Annahme Recht gehabt hatten und nur bei der Ausführung ihres Plans gescheitert waren. Er sah die fantastischen Möglichkeiten, die das unglaubliche Potenzial des Brunnens bot und erkannte besser als je zuvor, was der Herr der Legion plante.