Выбрать главу

Ein gewaltiger Krieger tauchte plötzlich hinter Dath’Remar auf. Tyrande zog ihr Schwert und betete zu Elune, sie möge ihre Hand leiten.

Die Klinge nahm die silbrig helle Farbe des Mondes an und stach durch die Rüstung des Kriegers, als bestünde sie aus Luft.

Grunzend drehte sich die Teufelswache zu Tyrande um, doch im gleichen Moment rutschte ihr Oberkörper von den Hüften. Der Schlag der Priesterin war so elegant geführt worden, dass ihr Opfer nicht bemerkt hatte, dass es bereits tot war.

Dath’Remar hatte von dem Gefecht in seinem Rücken nichts mitbekommen. Er rief seinen Begleitern etwas zu. Tyrande konnte nicht erkennen, was sie taten, nur dass das Schild vor ihnen sich plötzlich ausbreitete und eine blaue Färbung annahm.

Es knisterte, und der erste Dämon, der in den neuen Zauber hineinlief, wurde wie durch ein Katapult zurückgeschleudert. Er schlug zwischen seinen Kameraden auf und zerfiel zu Staub.

Der neue Zauber war effizienter als der erste. Die Hochgeborenen, die durch den Angriff der Dämonen aufgehalten worden waren, ritten jetzt wieder schneller. Doch sie ließen mehr als ein Dutzend Tote, Opfer der mörderischen Dämonenklingen, zurück. Reiterlose Nachtsäbler, deren Rücken blutbefleckt waren, folgten der Gruppe.

Eine junge Frau, die neben Tyrande ritt, schrie plötzlich auf, als sie in die Höhe gerissen wurde und im Nebel verschwand. Eine Sekunde später brach ihr Schrei plötzlich ab. Ihr zerfetzter Körper fiel vor den Reitern zu Boden.

Die Nachtelfen sahen sich verwirrt um. Tyrande blickte über ihre Schulter und sah plötzlich Klauenhände, die einen älteren Mann ergriffen und in die Luft zerrten.

»Verdammniswachen!«, schrie sie. »Verdammniswachen verstecken sich im Nebel!«

Klauen schossen auch neben ihr nach unten. Tyrande stach zu. Die Verdammniswache zog sich zurück … mit nur noch einer Hand.

Zwei Zauberer hoben die Arme. Ein Schild entstand über ihnen und dehnte sich rasch über einen Großteil der Gruppe aus.

Doch sie konnten den Zauber nicht zu Ende sprechen, denn im gleichen Moment erschütterte eine Explosion die Hochgeborenen. Ihre Nachtsäbler bäumten sich auf und warfen die Reiter ab.

Eine Höllenkreatur erhob sich aus dem Zentrum der Entladung. Tyrande wusste nicht, wie es dem Wesen gelungen war, unbemerkt so nahe zu kommen, doch das spielte im Moment auch keine Rolle. Die Höllenkreatur begann durch die Reiter zu toben und riss Nachtsäbler mühelos zu Boden.

Gleichzeitig fielen zwei weitere Hochgeborene den Verdammniswachen zum Opfer. Die Priesterin blickte zu Dath’Remar, doch von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Der Anführer der Zauberer hatte alle Hände voll zu tun, um die heranstürmenden Teufelswachen aufzuhalten. Die Dämonen versuchten weiter, den Schild zu durchbrechen. Mit jedem Schritt sank die Geschwindigkeit der Flüchtenden. Nicht mehr lange, und sie würde ganz zum Erliegen kommen.

Tyrande hielt die Klinge vor ihr Gesicht und konzentrierte sich auf die Kräfte, die ihr Mutter Mond gewährt hatte. Ihr eigenes Überleben war unwichtig. Sie konnte nicht untätig zusehen, wie andere starben.

»Bitte, Mutter Mond, höre mich an«, murmelte die Priesterin.

Das Leuchten, das ihre Klinge umgab, dehnte sich auf sie aus und wurde gleichzeitig heller. Tyrande erinnerte sich daran, dass unter dem reinigenden Licht der Mondgöttin jedes Ding sein wahres Ich enthüllte.

Die silberne Aura flammte auf.

Unter Elunes Licht löste sich der Nebel auf. Die Dämonen, die am Himmel hingen und am Boden standen, waren plötzlich nicht mehr verborgen. Sie verzogen das Gesicht und versuchten ihre Augen zu schützen. Das göttliche Licht konnten sie nicht ertragen.

Damit gaben sie den Weg für die Reiter frei.

»Da lang, Dath’Remar!«, rief Tyrande. »Reite da lang.«

Sie musste ihn nicht noch einmal auffordern. Dath’Remar und seine beiden Begleiter ritten auf den Pfad zu, den die Gebete der Priesterin enthüllt hatten. Die wenigen Dämonen, denen sie begegneten, waren geblendet und konnten einfach nieder geritten werden.

»Weiter! Reitet weiter!«, schrie der Anführer der Hochgeborenen. Die Angreifer fielen wie Fliegen. Sie hatten dem Licht nichts entgegenzusetzen.

Tyrandes Herz war voller Hoffnung, als sie der Gruppe folgte. Das Leuchten dehnte sich über alle Reiter aus. Sie dankte Elune immer und immer wieder für dieses Wunder.

Doch als Tyrande die Reihen der Legion passierte, griffen Klauenhände nach ihr und zerrten sie von ihrem Nachtsäbler. Sie schrie erschrocken auf, als sie in den Himmel gezogen wurde.

Das verzerrte Gesicht einer Verdammniswache starrte Tyrande entgegen. Der Dämon hatte die Augen fast vollständig geschlossen, und sein rasselnder Atem verriet, wie sehr ihn das Licht schmerzte.

Sie stach sofort mit ihrer Klinge zu. Zwar traf sie nur ungezielt, aber es erschreckte ihren Gegner. Eine Klaue ließ los. Tyrande wusste nicht, wie hoch sie bereits war, doch sie hatte auch keine Zeit, nach unten zu blicken. Sie konnte nur hoffen, dass Elune ihren Fall bremsen würde.

Entschlossen jagte die Priesterin ihre Klinge in die Brust der Verdammniswache.

Die Kreatur bäumte sich auf und prellte ihr das Schwert aus den Fingern. Tyrande entglitt den erschlaffenden Klauen.

Sie hielt sich an dem Sterbenden fest und versuchte ihn vor dem Aufprall unter sich zu bringen. Doch im Todeskampf entzog sich die Verdammniswache ihrem Griff.

Sie schloss die Augen. Ihre Gebete richteten sich an ihre Gottheit, doch in Gedanken war sie bei Malfurion. Er würde sich die Schuld an ihrem Tod geben, wenn sie hier und jetzt starb. Aber sie wollte ihm diese Bürde nicht auflasten. Die Götter entschieden über ihr Schicksal, nicht er. Tyrande wusste, dass Malfurion getan hatte, was er konnte, aber das Schicksal ihres Volkes war wichtiger als das Überleben einer einzigen Person.

Wenn sie nur noch mal sein Gesicht hätte sehen können.

Tyrande schlug auf dem Boden auf … aber der Aufprall war viel weicher als erwartet. Sie spürte ihn kaum, dabei hätte er jeden Knochen in ihrem Körper zertrümmern müssen.

Ihre Finger glitten über Staub. Sie war also tatsächlich gelandet, aber wieso war sie unverletzt?

Tyrande setzte sich auf und warf einen Blick auf ihre Umgebung. Die Aura war vergangen, der Nebel zurückgekehrt. Abgesehen von den Leichen der Dämonen und Nachtelfen, die überall am Boden lagen, war sie allein.

Nein, nicht allein. Eine große, ungemein vertraut wirkende Gestalt schälte sich aus dem Nebel. Bei ihrem Anblick röteten sich ihre Wangen.

»Malfurion!«

Doch Tyrande erkannte im gleichen Moment, dass dies der falsche Name war.

Illidan beugte sich mit verkniffenem Mund über die Priesterin. »Du kleine Närrin.« Er streckte ihr seine Hand entgegen. »Komm mit mir … wenn du noch lange genug atmen willst, um zu erleben, wie ich die Welt rette.«

15

Die Dämonenseele strahlte hell über dem Brunnen der Ewigkeit. In dem Weltenriss, den Sargeras durch einen Zauber erschaffen hatte, brannten die Kräfte der Dämonenseele und der Quelle. Gemeinsam begannen sie ein stabiles Portal zu errichten. In seinem monströsen Reich wartete der Herr der Legion auf den Zeitpunkt, da er seine jüngste Eroberung endlich betreten würde. Bald, sehr bald schon würde er alles Leben darauf auslöschen … und dann zur nächsten Welt weiterziehen.

Doch es gab noch andere, die warteten, und ihre düsteren Träume waren weit älter als die des Dämonenlords. Schon endlos lange warteten sie auf eine Gelegenheit zur Flucht, auf eine Gelegenheit, wieder das an sich zu reißen, was ihnen einst gehört hatte. Jeder Schritt, der Sargeras dem Portal näher brachte, brachte auch sie ihrem Erfolg näher. Dank des Brunnens, dank der Dämonenseele und der Macht der Legion würde es ihnen gelingen, das Tor ihres ewigen Gefängnisses aufzustoßen.

Und war es einmal geöffnet, würde es niemand mehr verschließen können.

Die Drei warteten. Das hatten sie schon so lange getan, dass ein klein wenig länger sie nicht störte.