Er bereitete sich auf seine letzte Schlacht vor, doch dann ertönten Kriegshörner. Soldaten und Tauren rannten ihm entgegen. Huln warf sich auf die beiden Krieger, köpfte den einen und durchbohrte die Brust des anderen, bevor sie begriffen, wie ihnen geschah. Eine Gestalt, die eine Kapuze trug, ritt an ihm vorbei. Erst spät erkannte Jarod, dass es sich um Lord Blackforest handelte.
Es gab nur eine Erklärung für ihr plötzliches Auftauchen. Sie hatten gesehen, dass Jarod um sein Leben kämpfte … und sie glaubten so sehr an ihn, dass sie bereit waren, ihm zu helfen.
Die Verstärkung warf die Dämonen zurück und verschaffte Jarod und Maiev ein wenig Zeit. Er zog sie weiter von dem tobenden Kampf weg. Die anderen Priesterinnen folgten ihnen.
Jarod führte seine Schwester zu einem Fels. Sie setzte sich und sah ihn nachdenklich an.
»Jarod …«, begann sie.
»Du kannst mich später zurechtweisen«, unterbrach er sie. »Ich werde nicht einfach zusehen, während die, die mir geholfen haben, den Feind in meinem Namen bekämpfen.«
»Ich wollte dich nicht zurechtweisen …« Weiter kam die Priesterin nicht, denn er war bereits außer Hörweite. Seine Schwester war fürs erste in Sicherheit, jetzt musste Jarod sich um seine Kameraden kümmern. Sogar Blackforest, einer der höchsten Adligen, kämpfte mit aller Kraft. Er und seine Leute hatten aus Lord Stareyes Fehlern gelernt. Dies war eine Schlacht um Leben und Tod, kein Spiel zur Unterhaltung der höchsten Kasten.
Jarod trat neben Huln und tötete einen Dämon, der den Tauren von der Seite angreifen wollte. Huln bemerkte sein Einschreiten und schnaubte dankbar.
»Ich werde deinen Namen in meinen Speer ritzen«, knurrte er. »Die Generationen, die mir nachfolgen, werden dich ehren.«
»Wenn ich das hier überlebe, ist es mir Ehre genug.«
»Ha! Welche Weisheit in einem so jungen Kopf.«
Ein weiblicher Drache aus Alexstraszas Clan flog über die Menge und löschte mit seinem roten Feuerstoß zahlreiche grüne Dämonenflammen. Das half Jarod und seinen Kameraden erst einmal. Der Kommandant atmete erleichtert auf.
Doch nur eine Sekunde später wurde der Drache über die Linien der Nachtelfen geschleudert. Seine Brust war voller dampfender, aufgerissener Schuppen und heraushängender Organe. Die Erde dröhnte, als er aufschlug. Jarod genügte ein Blick, um zu wissen, dass dieser Drache nie wieder fliegen würde.
Unmittelbar hinter dem Roten wurde auch ein Dutzend brennender Soldaten zurückgeschleudert. Dämonen fielen, als interessiere es den Angreifer nicht, wer ihm auf seinem Vorwärtsstreben zum Opfer fiel.
Huln stellte sich schützend vor Jarod. »Das ist keine Höllenkreatur und auch kein Eredar. Ich glaube, du …«
Eine starke Sturmböe warf die Krieger beider Seiten zu Boden. Sogar Blackthorne und sein Nachtsäbler fielen. Huln blieb einen Moment länger aufrecht, aber nicht einmal die Sturheit des Tauren konnte sich gegen den Sturm behaupten. Er wurde hoch in die Luft gerissen, während er wütend nach dem Wind schlug. Er verschwand in der Ferne.
Aber Jarod Shadowsong spürte nichts von diesem Sturm, nicht einmal eine leichte Brise.
Und so stand er allein da, als ein Gigant aus dem Staub hervortrat, den der Wind aufgewirbelt hatte. Auf seiner dunklen Haut befanden sich komplizierte Tätowierungen. Sogar der ungeübte Jarod spürte die dunkle Macht, die von ihnen ausging.
»Ja …«, sagte der Dämon, während er den Nachtelf betrachtete. »Wenn ich schon den Druiden nicht haben kann, werde ich mich eben mit dem vergnügen, den man lächerlicherweise als die große Hoffnung dieser Armee bezeichnet.«
Jarod hob seine Klinge, obwohl er wusste, dass er keine Chance gegen diesen Gegner hatte. Trotzdem wollte er sich nicht in das Unvermeidliche ergeben. »Ich erwarte dich, Archimonde.«
Der Erzdämon lachte.
18
Brox war nur ein einfacher Krieger, aber er erkannte, wenn es um eine Schlacht schlecht stand. Zwar konnten er und die anderen die Nachtelfen und deren Ungeheuer besiegen, aber das war Zeitverschwendung, denn währenddessen näherte sich das Portal seiner Vollendung. Der Mahlstrom war bereits von einer düsteren grünen Aura umgeben. Der Orc wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das Böse durch das Portal trat – unklar war nur noch, ob es sich dabei um Sargeras handelte oder jene Drei, von denen Krasus gesprochen hatte.
Eine Lanze verfehlte seinen Kopf nur knapp, ritzte sogar ein wenig seine Haut auf. Der Soldat, der sie gestoßen hatte, lenkte seine Fledermaus näher an den Bronzedrachen heran und holte zu einem erneuten Stoß aus.
Der Drache packte die Schattenkreatur. Die beiden Wesen kämpften. Dabei rutschte der Soldat zur Seite, sodass seine Lanze nicht die Brust des Orcs, sondern dessen Schulter traf. Brox stöhnte auf, als die Widerhaken an der Spitze Fleisch aus seinem Körper rissen. Trotz der Schmerzen beugte er sich vor und hieb die Lanze entzwei.
Fluchend zog der Soldat sein Schwert. Brox schlug alle Vorsicht in den Wind und sprang auf seinen Gegner zu.
Der Orc landete geduckt. Er hielt sich an einem Ohr der Fledermaus fest. Der Nachtelf war von dieser unerwarteten Reaktion so überrascht, dass er seinen Gegner mit offenem Mund anstarrte. Brox wuchtete ihm die Axt in die Brust. Der Soldat brach zusammen und rutschte vom Rücken der Fledermaus.
Brox mutige Aktion kostete ihn dennoch beinahe das Leben. Er hatte geglaubt, er könne einfach wieder auf den Drachen zurückspringen, aber der Rücken der Fledermaus war seltsam glitschig, sodass der Orc jeden Halt verlor, als er ihr Ohr losließ. Trotzdem, und obwohl er auf dem Schwanz des Ungeheuers hin und her rutschte, hielt er seine Axt fest.
Das Rauschen des Mahlstroms dröhnte in seinen Ohren. Er spürte, wie das Böse dort größer wurde, immer mehr anschwoll.
Im gleichen Moment pflückte ihn eine Klauenhand vom Rücken des Ungeheuers. Rhonin rief: »Wir haben dich, Brox!«
Der rote Drache, auf dem der Zauberer ritt, drehte sich, damit der Orc auf seinen Rücken klettern konnte. Rhonin half Brox hoch. Der ergraute Krieger setzte sich hinter ihn.
»Das war selbst für einen Orc ein wenig riskant, oder?«
»Vielleicht«, gab Brox zurück, während er an das Portal dachte. Er hielt sich für mutig, war aber trotzdem froh, nicht hinein gefallen zu sein. Je weiter sie sich vom Portal entfernten, desto besser fühlte er sich.
Der Zauberer spannte sich plötzlich an. »Pass auf, hier sind noch zwei!«
Die Schattenkreaturen flogen dem Drachen entgegen. Rhonins Hand leuchtete rot auf, als er begann einen Zauber zu weben. Brox hob seine Axt, um ihn zu unterstützen. Er freute sich auf die neuen Gegner. Sie lenkten seine Gedanken vom Portal ab.
Und von dem Bösen darin, das sogar einem Orc Angst einflößte.
Malfurions Hoffnungen sanken, als er sah, dass selbst Deathwing nicht gegen den Zauber ankam, der der Scheibe innewohnte. Wenn es nicht einmal dem schwarzen Drachen gelang, ihre Macht zu brechen, was konnten dann ein Druide und seine Begleiter tun? Aber Malfurion blieb keine Zeit, sich länger um die Zukunft zu sorgen. Denn im gleichen Moment stürzte sich eines der Ungeheuer auf Ysera. Die Fänge der Fledermaus gruben sich in die Schulter des Drachen. Malfurion wandte sich zur Seite, um nicht unter ihr begraben zu werden.
Ein Schwert schlug nach seinem Kopf und glitt haarscharf an seinem Ohr vorbei.
»Tückischer kleiner Narr!«, zischte Varo’then und hob seine Waffe erneut. Azsharas Offizier stieß zu und streifte leicht Malfurions Wange. Noch einmal holte er aus. »Der Nächste trifft deinen Kopf.«
Der Druide schob seine Hand in eine Gürteltasche. Er wusste, wonach er suchte und betete, dass er es auch finden würde. Er spürte eine vertraute Form unter seinen Fingerspitzen und zog die Samenkörner heraus.
Captain Varo’then veränderte seine Haltung. Er begann breit zu grinsen. Der sadistische Soldat war wahrlich ein perfekter Diener des Dämonenlords.